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Langsam, aber effizient

Biomechanik. - Viele Dinosaurier sind so gewaltig, dass sie jedes heutige Landlebewesen als Zwerg erscheinen lassen. Wie sich diese Ungeheuer bewegt haben, ist daher ein ziemliches Rätsel. Forscher aus Großbritannien stellen nun im Fachblatt "PLoS One" eine Methode vor, mit der sie das Skelett eines der größten Tiere, das je auf der Erde gelebt hat, gescannt haben und daraus Laufstil und -geschwindigkeit des Urzeitriesen rekonstruieren konnten.

von Michael Stang | 31.10.2013
    Klar sei zu Beginn der Studie nur eines gewesen, sagt Bill Sellers und lacht. Der Argentinosaurus musste sich zu Lebzeiten vor 94 Millionen Jahren bewegt haben.

    "Im Prinzip sind wir einfach nur der Frage nachgegangen, wie dieser riesige Dinosaurier mit seinen 80 Tonnen Gewicht und 40 Metern Länge laufen konnte."

    Der Biologe der Universität Manchester hatte sich mit seinen Kollegen Großes vorgenommen. Für ihre Studie fuhren sie nach Argentinien und scannten in einem Museum die Knochen von Argentinosaurus huinculensis, einem zu den Titanosauriern gehörenden Dinosaurier aus der Kreidezeit, einzeln ein.

    "Nachdem wir die einzelnen Daten in den Computer gespeist hatten, konnten wir mithilfe eines mathematischen Modells den Dinosaurier rekonstruieren und nachstellen, zu welchen Bewegungen das Skelett überhaupt in der Lage war. Schwierig war auch die Rekonstruktion der Muskeln, also wo sie ansetzen und die Knochen bewegen. Für die ganze Rechenleistung haben wir 30.000 Prozessoren gebraucht, die eine ganze Woche lang gerechnet haben. Anschließend erhielten wir ein Modell, das gelernt hatte zu laufen und sich optimal bewegen kann."

    Optimal bedeutet, dass die einzelnen Gelenke und deren Bewegungen aufeinander abgestimmt werden mussten, um fließende Bewegungen des Skelettapparates zu simulieren. Erst danach war im Computer die Rekonstruktion der wahrscheinlichen Bewegungsabläufe des Ungetüms möglich. Demnach stampfte der Argentinosaurus damals mit gemächlichen drei bis höchstens acht Kilometern in der Stunde durch die Gegend.

    "Dieser Dinosaurier war vermutlich nur zu sehr langsamen Bewegungen in der Lage, was bei dieser Größe auch nicht wirklich überrascht. Aber dieses Tier bewegte sich sehr effizient. Seltsam ist die Art und Weise, wie er seine Beine anhebt. Da sind wir noch nicht ganz sicher, ob der Argentinosaurus wirklich so gelaufen ist oder ob das dem Programm geschuldet ist. Wir müssen ja diese Modelle immer vereinfachen und Dinge wie Rückgrat und Schwanz etwas vernachlässigen, weil die Rechner das einfach noch nicht schaffen."

    Man dürfe nicht vergessen, dass diese Lebewesen keinem heute lebenden Tier ähnelten: Heute nicht mehr existierende Bewegungsabläufe könnten durchaus einst vorgekommen sein. Mit dem neuen Modell nähern sich die Forscher nun einer funktionalen Grenze. Zwar habe der Argentinosaurus trotz seiner bis zu 83 Tonnen Körpergewicht dieses Limit noch nicht erreicht und auch noch größere Landwirbeltiere seien denkbar. Diese müssten jedoch einen etwas anderen Körperbau gehabt haben. Denn die bei dem Argentinosaurus rekonstruierten Muskeln könnten nicht verhindern, dass noch größere Gelenke unter der Last des enormen Gewichts zusammenbrächen.

    "Mithilfe dieser Simulation konnten wir den Dinosaurier nicht nur laufen lassen, sondern auch schauen, wo die Füße den Boden berühren. Daraus konnten wir virtuelle Laufspuren erstellen und diese mit versteinerten Fußabdrücken nah verwandter Dinosaurier abgleichen. Aber hier ist das Problem, dass nie ganz klar ist, wer die Spuren hinterlassen hat, weil nur selten am Ende einer Spur ein totes Tier liegt, das diese Spuren hinterlassen hat."

    Wie die Urzeitriesen tatsächlich einst gelaufen sind, müsse man für jede Art einzeln untersuchen. Im kommenden Jahr wollen sich die Forscher an den Triceratops wagen. Dieser Saurier sei zwar kein Gigant gewesen, so Bill Sellers, aber Paläontologen konnten bislang nicht klären, wie sich diese Tiere damals mit riesigen Hörnern und Nackenschild fortbewegten. Solche Fragen können nur Computermodelle