Archiv


Langsam, aber sicher in die Höhe

Raumfahrt. – Der europäische Nachrichtensatellit ''Artemis'' sollte unter anderem auch die Kommunikation zu dem orbitalen Umweltwächter ''Envisat'' aufrecht erhalten. Doch beim Start der Trägerrakete traten Probleme auf: die defekte Ariane 5 setzte ''Artemis'' zu früh und damit zu niedrig aus. Dennoch gaben die Ingenieure den kostspieligen Trabanten nicht völlig auf. Mittels seiner Ionentriebwerke gelang den Experten jetzt das Kunststück, ''Artemis'' doch noch in seine vorgesehene Position zu bugsieren.

    Zunächst hatte alles nach Plan funktioniert, als am 12. Juli 2001 um kurz vor 19 Uhr Ortszeit die Ariane 5 Trägerrakete in den Himmel stieg - bis die dritte Trägerstufe des Arianespace-Flaggschiffes zündete. Sie wird getrieben durch so genannte hypergole, selbstzündende Treibstoffe. "Dabei ereignete sich eine Fehlzündung mit einer heftigen Explosion, die dazu führte, dass das Triebwerk quasi stotterte", erklärt Claus Lippert vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Zwar blieb der Totalausfall der Artemis-Mission der ESA erspart, doch der Raumtransporter erreichte nicht die erforderliche Höhe, um seine Nutzlast an ihr Ziel zu tragen. Stattdessen "eierte" fortan Artemis auf einer elliptischen Bahn um die Erde und erreichte dabei maximal die Hälfte seiner ursprünglich anvisierten Flughöhe. "Das Problem war dabei, dass der Satellit bei jedem Umlauf durch den Van-Allen-Strahlungsgürtel trat, in dem sich hochenergetische Teilchen aufhalten. Sie drohten, die Elektronik sowie die Solargeneratoren von Artemis zu beschädigen", berichtet Thomas Galinski vom DLR.

    Eile war also geboten, um den Multimillionen-Euro-Satelliten möglicherweise doch noch retten zu können. Die Flugingenieure zündeten daher in jedem Perigäum – dem erdnächsten Punkt von Artemis' Bahn in nur 600 Kilometern Höhe – den chemischen Antrieb des Satelliten. So konnte Artemis sein Apogäum, den erdfernsten Punkt seiner Ellipse, von 17.000 auf 31.000 Kilometer anheben. Im nächsten Schritt der Rettungsaktion wandelten die ESA-Experten die elliptische Bahn mittels dreier weiterer Zündungen in eine stabile Kreisbahn. Doch noch immer fehlten 5000 Kilometer bis zu der nötigen Einsatzhöhe in einer geostationären Umlaufbahn. Sie galt es jetzt mit nur einem Hauch von noch verfügbarem Schub zu bewältigen, nämlich aus den bordeigenen Ionentriebwerken, schildert Professor Horst Löb: "Während die Triebwerke wenige Kilogramm wiegen, sind Satelliten tonnenschwer. Diese Form von Antrieb wirkt nur dann, wenn der Satellit selbst schon kräftefrei ist." Der Physiker an der Universität Gießen ist seit 40 Jahren für Entwicklung und Bau der Teilchentriebwerke verantwortlich. Ihr Brennstoff, das Edelgas Xenon, wird nicht verbrannt, sondern elektrisch aufgeladen und ausgestoßen. Zwar ist die Schubkraft unvergleichlich geringer als bei chemischen Antrieben, doch wird sie effizienter und vor allem konstant über lange Zeit erzeugt.

    Gedacht waren die vier Ionenantriebe von Artemis lediglich für Korrekturzwecke. Jetzt mussten sie quasi in einer Titanenaufgabe den schweren Satelliten in Zeitlupe Meter für Meter weiter in die Höhe hieven. Dazu Löb: "Jedes der Ionentriebwerke erreicht 1,5 Gramm Schub bei einem eine Tonne schweren Satelliten. Das geht nur über eine lange Zeit." Doch das sei besser als nichts, denn ansonsten wären 800 Millionen Euro Entwicklungs- und Baukosten für den Kommunikationssatelliten verloren gewesen. Im vergangenen Dezember wurde dann schließlich nochmals der chemische Antrieb gezündet, um ein Hinausschießen über das Ziel zu verhindern. Weitere Korrekturzündungen folgen in diesen Tagen. Zwei der vier Ionentriebwerke schalteten sich indes selbstständig ab – den Grund hierfür konnten die Experten allerdings noch nicht entdecken. Ob die zwei verbleibenden Partikel-Antriebe für die regelmäßig notwendigen Bahnkorrekturen und somit für einen Regelbetrieb von Artemis ausreichen, werden Tests demnächst zeigen.

    [Quelle: Guido Meyer]