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Langsames Ende des Klonens

Klontechnik. - Die neue Technik verspricht persönliche heilende Zellen für jeden Patienten. Durch so genannte Reprogrammierung. Das gleiche wird aber auch seit Jahren von Befürwortern des Therapeutischen Klonens versprochen. Ist durch den Fortschritt bei der Reprogrammierung nun die Zeit der Klontechnik endgültig vorbei, bevor überhaupt geklonte Zellen des Menschen hergestellt wurden?

Von Michael Lange |
    Im Februar 1997 ging die Nachricht vom Klonschaf Dolly um die Welt Schon wenig später begann die Diskussion um das so genannte therapeutische Klonen. Wenn es möglich war, aus einer Euterzelle ein ganzes Schaf herzustellen, so die Idee, dann müssten sich auch aus menschlichen Zellen Embryonen herstellen lassen oder wenigstens embryonale Zellen. Das ausgegebene Ziel: Klonen für die Medizin. Der Schöpfer des Klonschafes Dolly Ian Wilmut, damals am Roslin-Institut in Edinburgh, begann schon früh über derartige Konzepte nachzudenken und zu reden:

    "Wir würden die Zellen einer Person entnehmen, die an einer Krankheit leidet. Wir klonen daraus einen Embryo und gewinnen Stammzellen. Dann versuchen wir den Prozess der Krankheitsentstehung im Labor nachzuvollziehen. Zum Beispiel, indem wir Nervenzellen wachsen lassen, die die Bewegungen steuern. Dann untersuchen wir, unter welchen Bedingungen diese Zellen zur Entstehung der Krankheit beitragen."

    Das wäre so genanntes Forschungsklonen, denn es ginge nicht um Heilung, sondern um die Herstellung von Zellen für die Erforschung von Krankheiten. Im Einzelnen war folgender Ablauf geplant: Man nehme eine Eizelle, entferne deren Erbgut und ersetze es durch das Erbgut eines Patienten. Zum Beispiel, in dem man den Zellkern aus einer Hautzelle entnimmt und unter dem Mikroskop in die leere Eizelle hineinspritzt. Das nennen Wissenschaftler Kern-Transfer. Nun entwickelt sich aus dem Erbgut der Körperzelle ein Embryo. Wenn er einige Tage alt ist, sieht er aus wie eine winzige Kugel. In ihrem Innern befinden sich die Zellen, die Wissenschaftler zum Gewinnen embryonaler Stammzellen brauchen.

    Die Zellen werden im Labor vermehrt und angeregt, sich zu genau den Zellen zu entwickeln, die zur Behandlung des Patienten gebraucht werden. Sie sind genetisch mit dem Patienten identisch. Bei Verpflanzung würden diese Zellen nicht vom Immunsystem des Empfängers bekämpft. Dazu Oliver Brüstle vom Institut für Regenerative Neurobiologie an der Universität Bonn:

    "Diese Technologie ermöglicht auf der einen Seite, für Patienten eigene Zellen herzustellen, die nach Transplantation nicht abgestoßen würden. Also: Ein Vorteil im Bereich des Zellersatzes. Auf der anderen Seite besteht hier die Möglichkeit krankheitsspezifische embryonale Stammzellen Zellen herzustellen."

    Es zeigte sich jedoch schnell, dass das Klonverfahren, knifflig war. Oft wurden hunderte Eizellen verbraucht, bis es gelang, ein Tier zu klonen. Alle Versuche, Menschen oder Affen zu klonen, scheiterten. Vom "therapeutischen Klonen" war kaum noch die Rede. Der Wert des Verfahrens für die Forschung jedoch wurde immer wieder betont. Wissenschaftler sprechen daher lieber vom "Forschungsklonen", auch Oliver Brüstle.

    "Man muss auch sehen, dass viele der bisher erhobenen Befunde bei geklonten Zellen darauf hinweisen, dass dieser Reprogrammierungsprozess, der stattfindet, wenn ein Zellkern in eine entkernte Eizelle eingebracht wird, in fast allen Fällen nicht ganz fehlerfrei funktioniert. Im Klartext sind für mich Kernreprogrammierungsverfahren ein Werkzeug, um Mechanismen zu studieren. Kerntransfer selbst klinisch eingesetzt, halte ich im Moment für eine utopische Vorstellung."

    Es wurde ruhiger um das Klonen bis im Frühjahr 2003 ein Forschungsergebnis aus Südkorea für Aufsehen sorgte. Einem Team um den Tiermediziner Hwang Woo Suk war es angeblich gelungen, Embryonen aus menschlichem Gewebe zu klonen und daraus Stammzellen herzustellen. Das therapeutische Klonen schien greifbar nahe. Vor allem als Hwang ein Jahr später 2004 mehrere Zelllinien von verschiedenen Patienten präsentierte. Hwang Woo Suk wurde in Korea zum Volkshelden. Und auch die Wissenschaftswelt zeigte sich beeindruckt. Damals äußerte sich Oliver Brüstle anerkennend und zugleich vorsichtig:

    "Was man aber auch sehen muss, ist die Effizienz. Das ist in einer Phase, in der dieses Verfahren sicherlich nicht eingesetzt werden kann, um routinemäßig von beliebigen Patienten genetisch identische Zellen zu schaffen. So weit ist es sicherlich nicht. Aber das ist ein beträchtlicher Schritt in diese Richtung."

    Ende 2005 war die Zeit der Euphorie schon wieder vorbei. Hwang Woo Suk wurde als Fälscher entlarvt, seine Forschungsergebnisse zurückgezogen. Es wurde ruhig um die Klontechnik. Die nächste Erfolgsmeldung aus der Klontechnik kam dann im November 2007. Einem Team aus Oregon, in den USA, war es gelungen, Rhesus-Affen zu klonen und aus den Embryonen Stammzellen zu gewinnen. Doch dieser Fortschritt kam anscheinend zu spät, denn dem Japaner Shinya Yamanaka war es bereits 2006 gelungen, erwachsene Zellen zu verjüngen, ohne die Klontechnik. Die Reprogrammierung ohne Klonen war gelungen, zunächst bei Mäusen und nun auch beim Menschen. Das bedeutet aber nicht das Ende der Klontechnik in der medizinischen Forschung, betont James Thomson der Leiter einer amerikanischen Forschergruppe, der es ebenfalls gelungen war reife Zellen ohne Klontechnik zu embryoähnlichen Zellen zu reprogrammieren. Thomson:

    "”Die Verpflanzung von Zellkernen aus Körperzellen, das so genannte Klonen, wie beim Klonschaf Dolly, ist eine wichtige experimentelle Technik. Mit ihrer Hilfe können wir verstehen, wie sich Zellen umprogrammieren lassen. Aber sie ist ineffizient, umständlich und teuer, so dass sie sicher niemals im klinischen Alltag eingesetzt werden kann. Ganz anders die jetzt gezeigte direkte Umprogrammierung von Körperzellen.""

    Die Zeit des Klonens in der Forschung ist also noch nicht vorbei. Die Zukunft des "therapeutischen Klonens" für die Medizin scheint jedoch zu Ende, bevor das Verfahren jemals auch nur in die Nähe der klinischen Praxis gekommen ist.