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Langweilige Vorlesungen, unverständliches Kauderwelsch

Trotz fachlicher Qualifikation der Professoren - die Qualität der Lehre lässt oft zu wünschen übrig. An mehreren Unis wird den Dozenten daher ein Coaching angeboten - doch nicht alle halten das für nötig.

Von Jens Wellhöner | 13.07.2010
    Professor Markus Saur lächelt etwas unsicher. Für ihn ist es zwar schon die achte Coachingstunde: Aber heute geht es um ein Seminar, das der Professor gerade gegeben hat. Coach Stefanie Fuleda war mit dabei und hat dem Theologen beim Lehren zugeschaut. Markus Saur ist etwas nervös:

    "Ich bin gespannt darauf, was Frau Fuleda beobachtet hat. Auch mithilfe der Kamera eben, die einen anderen Blick eröffnet, mir selber auch, mich zu verhalten, zu lehren, zu unterrichten, Diskussionen zu moderieren."

    Stefanie Fuleda wirkt nicht wie eine Lehrerin, die dem Professor zeigt, wo es lang geht. Eher wie eine Vertraute. Und so legt der junge Theologe seine Nervosität mehr und mehr ab. Und erzählt, was ihm wichtig ist.

    "Da ich nicht der Meinung bin, dass ich mit 36 schon ein abgeschlossenes hochschuldidaktisches Profil habe, sondern da durchaus noch Potenzial zur Verbesserung besteht, habe ich mich entschieden, an diesem Coaching teilzunehmen."

    Als er nach Kiel kam, wollte Saur auf gar keinen Fall ein Alleinunterhalter sein, der seinen Studierenden stundenlange Vorträge hält. Aber ganz schnell folgte er doch dem Bild des allwissenden Professors. Ohne es zu wollen:

    "Ich habe da ein bestimmtes, vorgefertigtes Bild im Kopf, das vielleicht gar nicht meines ist. Und gar nicht meiner Vorstellung entspricht, wie ich die Arbeit eines Professors an einer Fakultät des 21. Jahrhunderts sehen möchte."

    Der Professor ist selbstkritisch. Und Stefanie Fuleda hört aufmerksam zu. Sie ist Personalentwicklerin und Spezialistin für Hochschuldidaktik. Während des Coachings stellt sie immer wieder Zwischenfragen. Sie legt besonders viel Wert darauf, dass ein Professor in der Lehre keine langen Monologe hält:

    "Wie kann man Hochschuldidaktik lebendiger gestalten? Heißt aber auch, dass neue Werte in die Hochschule kommen. Und mit den neuen Werten auch eine andere Art der Lehre. Eine bessere?"

    Also: Weniger Frontalunterricht. Die Studierenden sollen selber aktiv werden, diskutieren. Auch im Seminar. Dass der Professor nicht mehr dominiert, sondern moderiert. Stefanie Fuleda lässt aber nie die Fachfrau heraus hängen sondern möchte vor allem eines: Dass ihr Klient während des Coachings selber erkennt, wo seine Stärken und Schwächen liegen:

    "Aber dieser Schritt dahin, das ist etwas Übersetzungshilfe."

    Die sie leistet. Durch Zwischenfragen. Und immer wieder Ermutigung. Coachings wie in Kiel gibt es schon an den Unis Bremen und Bochum sowie an der FU Berlin. In Frankfurt und Hamburg wird so ein Projekt gerade aufgebaut. In Kiel zeichnet Imke Krebs für das Coachingprojekt verantwortlich. Die Resonanz ist:

    "Erstaunlich gut. Wir hatten so eine Zielgröße, in drei Jahren sollen 36 Professoren teilgenommen haben. Etwa 30 sind jetzt unter Vertrag. Aber das Programm ist erst zur Hälfte abgelaufen."

    Seit 2009 lassen sich Professoren in Kiel coachen. Gemanagt und bezahlt von der Uni.

    "Tatsächlich kommt auch der erfahrene und gestandene Hochschullehrer. Nicht aus allen Fakultäten. Es gibt schon aus manchen Fakultäten, besonders aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich, größere Nachfrage als aus dem naturwissenschaftlichen Bereich. Ich glaube Mediziner haben wir noch gar keinen, zum Beispiel."

    Einen Grund dafür weiß Imke Krebs auch nicht. Ob es zu wenig Zeit ist, eine Art Standesdünkel oder einfach Desinteresse: All das ist Spekulation. Geisteswissenschaftler Markus Saur hat jedenfalls nicht lange gezögert. Sondern einfach mitgemacht. Zehn Stunden Coaching insgesamt hat ihm die Uni organisiert. Wie allen andern Teilnehmern auch. Jetzt, fast am Ende des Programms, nimmt er vor allem eines mit in seinen Professorenalltag:

    "Selbstvertrauen. Aber auch ein höheres Maß an Fähigkeit, die Situationen, denen ich begegne, im didaktischen Bereich aber auch der Fakultät, der Hochschule, angemessen zu analysieren und zu reflektieren, wo ich stehe: Diese Art von Analyse hat mir bei diesem Coaching sehr, sehr viel gebracht."

    Coach Stefanie Fuleda hört das gern. Und packt die Videokamera aus. Jetzt geht es an die Analyse des Seminars von Professor Saur. Die darf aber kein anderer mitbekommen. Das bleibt vertraulich, zwischen Coach und Klienten.