
Das Wiener Bioethikinstitut IMABE beklagte in einer Zusammenfassung der Studie kurz vor dem Welttag der psychischen Gesundheit am 10. Oktober, die seelischen Langzeitfolgen von Abtreibungen kämen in der öffentlichen Diskussion kaum vor, obwohl sie viele Frauen beträfen. Für die Erhebung wurden den Angaben zufolge rund 1,25 Millionen Schwangerschaftsverläufe in Québec zwischen 2006 und 2022 analysiert, darunter 28.721 Abtreibungen. Die Daten wurden bis zu 17 Jahre nachverfolgt. Die Auswertung zeigt: Die Hospitalisierungsrate wegen psychiatrischer Erkrankungen, Substanzgebrauchsstörungen oder Suizidversuchen war bei Frauen nach einer Abtreibung 2,5-mal so hoch wie nach einer Geburt.
Besonders junge Frauen gefährdet
Besonders gefährdet waren demnach junge Frauen unter 25, Frauen mit früheren Lebendgeburten, mehrfachen Schwangerschaftsabbrüchen sowie Frauen mit psychischen Vorerkrankungen. Letztere wurden nach einer Abtreibung rund neunmal so häufig stationär aufgenommen wie entsprechende Frauen ohne Abbruch. "Auch 17 Jahre nach der Abtreibung blieb das Risiko für psychiatrische Hospitalisierung in unserer Studie erhöht", schreiben die Autoren.
Am höchsten sei das Risiko innerhalb der ersten fünf Jahre nach dem Abbruch gewesen, insbesondere für Suizidversuche und Substanzstörungen wie etwa Kokain- oder Halluzinogen-Missbrauch. Auch im Langzeitverlauf sei vor allem das Risiko für substanzbezogene Störungen signifikant erhöht gewesen. Durch die große Stichprobe und die lange Beobachtungszeit seien die Ergebnisse besonders aussagekräftig.
IMABE verwies auf die Bedeutung dieser Daten für eine faktenbasierte Debatte. Bereits 2023 hatte das Wiener Institut 14 internationale Studien zu psychischen Folgen von Abtreibung verglichen. "Hochwertige Studien belegen statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Abtreibung und Depression, Angstzuständen, Suizidalität sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch", betonte Direktorin Susanne Kummer.
Auffällige Unterschiede
Zugleich stellen die Autoren ausdrücklich klar, dass ein direkter Kausalnachweis sei methodisch nicht möglich sei. Gleichwohl seien die Unterschiede im langfristigen psychischen Gesundheitsverlauf zwischen Frauen mit und ohne Abtreibungserfahrung ihrer Ansicht nach aber "nicht von der Hand zu weisen".
2025 erklärte auch die deutsche ELSA-Studie, es gebe "keine Hinweise auf gravierende psychische Langzeitfolgen". Dazu meinten die IMABE-Experten, Frauen hätten ein Recht auf vollständige Aufklärung über mögliche psychische Risiken einer Abtreibung.
Diese Nachricht wurde am 05.10.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.