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Langzeitgedächtnis der Lunge

Ehemalige Raucher können erst Jahre und sogar Jahrzehnte später, nachdem sie die letzte Zigarette beiseite gelegt haben, an Lungenkrebs und COPD, der sogenannten Raucherlunge, erkranken. Dringende Empfehlung: mit dem Rauchen besser heute als morgen aufzuhören.

Von Michael Engel | 24.07.2007
    Unter Anfeuerung wird beim Lungenfunktionstest die maximale Strömungsgeschwindigkeit der Atemluft erfasst. Liegt der so genannte "Peak-Flow-Wert" unter 50 Prozent vom Sollwert, dann ist Gefahr im Verzug: Betroffene sollten dringend in ärztliche Behandlung. Isabell Bodmann, die den Lungenfunktionstest in der Medizinischen Hochschule Hannover durchführt, erklärt einer Patientin die Werte:

    "Das, was Sie in der ersten Sekunde auspusten können, liegt bei 86 Prozent vom Soll, aber wenn Sie rauchen, dann ist das vielleicht bekannt. "

    Rund 700 zufällig ausgewählte Personen über 40 Jahre haben die Messungen im Dienste der Forschung absolviert und einen 15-Seitigen Fragebogen ausgefüllt, mit dem auch lange zurückliegende Rauchgewohnheiten erfasst wurden. Ergebnis: Selbst wer vor Jahrzehnten seine Raucherkarriere beendete, hat für immer ein erhöhtes Risiko, an Lungenkrebs oder COPD mit Atemnot, Husten und Auswurf zu erkranken. Prof. Tobias Welte, Direktor der Abteilung Pneumologie der Medizinischen Hochschule Hannover:

    "Wir haben ja früher immer gedacht: Wenn man mit dem Rauchen aufhört, dann würde das dafür sorgen, dass man die Erkrankung nicht bekommt, falls man sie noch nicht hat. Wir wissen inzwischen, dass zwischen Entstehung der COPD typischen Symptome und dem Rauchen selbst viele, viele Jahre liegen, und wenn man in jungen Jahren nur genug geraucht hat, und man ist ein empfindlicher Mensch, dann wird man in späteren Jahren dann auch als Nicht-Mehr-Raucher eine solche Erkrankung bekommen."

    Überraschender Befund: Wer sein Leben lang nur wenige Zigaretten raucht - zwei, drei, höchstens fünf am Tag - ist weniger gefährdet als Menschen, die über eine begrenzte Zeit zum Kettenraucher wurden. Der Pulmologe bringt es auf die Formel: "Wenige Jahre viel" ist gefährlicher als "viele Jahre wenig". So ist das Lungenkrebsrisiko bei sogenannten "20-Packungsjahren" - 20 Jahre lang eine Schachtel pro Tag - gegenüber Nichtrauchern um den Faktor 20 erhöht. Nach zehn Jahren Nichtrauchen ist es immer noch Faktor sieben bis acht. Selbst nach 20 Jahren Abstinenz ist das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, fünffach höher als bei Personen, die nie zur Zigarette gegriffen haben.

    "Für COPD haben wir so genaue Zahlen nicht. Wir wissen ungefähr, dass etwa ein Drittel bis etwa die Hälfte aller Menschen - empfindlich auf Zigarettenrauch ist - und eine COPD entwickeln wird. Je älter die Gesellschaft wird, umso wahrscheinlicher wird es, dass wir COPD-Erkrankungen sehen. Und ich würde denken, auch hier gilt so etwa 20 Packungsjahre - eine Schachtel über 20 Jahre pro Tag - erhöht das Risiko später an einer COPD zu erkranken um mehr als das Zehnfache."

    COPD führt zu einer langsamen Verengung der Atemwege. Im Extremfall können die Betroffenen ohne Luftnot kaum noch eine Treppe steigen. 20 Prozent der Raucher entwickeln im späteren Lebensalter die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die zum Absterben ganzer Lungenlappen führt und tödlich enden kann. Dringende Empfehlung des Experten: Mit dem Rauchen besser heute als morgen aufzuhören. Grippeschutzimpfungen senken das COPD-Risiko, ebenso Bewegung und Sport. Es gibt zwar atemwegserweiternde Medikamente, um die Symptome zu lindern, heilbar ist COPD aber nicht.