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Laschet verteidigt Rüttgers' Rentenpläne

In der Debatte um die Rentenvorschläge von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat sich Armin Laschet, Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration in Nordrhein-Westfalen, hinter seinen Regierungschef gestellt. Laschet betonte, man müsse jetzt über die Systematik bei der Rente nachdenken.

Moderation: Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Die Diskussion in der Union um den richtigen Weg bei der Rente geht weiter. Jürgen Rüttgers will ja eine neue Art von Grundrente und das Ganze soll finanziert werden aus Steuergeldern. Dagegen regt sich zum Teil heftiger Widerstand aus der Union, zum Beispiel von den Wirtschafts- und Ordnungspolitikern, die haben allergrößte Probleme damit. Beim Koalitionspartner SPD in Berlin gibt es auch Probleme, allerdings anderer Art. Dort sagt man, nicht die Rente ist für uns kritisch, sondern dass Jürgen Rüttgers keine Mindestlöhne will und damit später niedrige Renten produziert, das ist für uns inkonsistent und kritisch. Über dieses Thema wollen wir reden und ich begrüße dazu am Telefon Armin Laschet, den Generationenminister aus Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen.

    Armin Laschet: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Laschet, zunächst einmal, haben Sie denn für Ministerpräsident Jürgen Rüttgers überprüft, wie das, was er da vorgeschlagen hat, im Sinne der Generationengerechtigkeit wirkt, ist das gerecht?
    Laschet: Ja, ich denke, das ist ja der Kern dessen, was er dort vorschlägt. Es geht ja im Moment vieles durcheinander. Es geht bei dem Vorschlag nicht um die heutigen Rentner. Das ist eine ganz andere Frage. Sondern die Fragestellung ist, gerade unter Generationengesichtspunkten, was ist eigentlich mit der Generation, die heute in die Rentensysteme einzahlt, die in 15 und 20 Jahren zu Rentnern wird. Und da kann es nicht gerecht sein, dass jemand, der 45 Jahre lang 40 Stunden pro Woche mit einem geringen Lohn von 7,50 Euro gearbeitet hat, am Ende seines gesamten Arbeitslebens weniger Rente bekommt als die Grundsicherung, als jemand, der 40 Jahre nur Hartz IV bezogen hat. Denn Arbeit muss sich lohnen, und das ist unter Generationengesichtspunkten eine ganz wichtige Frage.

    Zurheide: Auf der anderen Seite, Herr Laschet, muss man das bezahlen und es bedeutet ja auch, dass die Belastungen, sei es über Beiträge oder Steuern, wie Jürgen Rüttgers es vorschlagen hat, dass die Belastungen da steigen. Dann fehlt auch wieder Geld für private Vorsorge. Irgendwo kann man das Geld ja nicht herzaubern?

    Laschet: Das ist wahr, und deshalb ist ja der Grundgedanke, dass hier die Steuersysteme helfen, dass jeder Steuerzahler an dieser Umstellung in der Rentensystematik beteiligt wird. Denn wenn der Anreiz da ist, heute zu arbeiten, hilft auch das dem, was an Steuereinkommen einkommt, und das muss auch für die Zukunft gelten. Und da haben wir ja unterschiedliche Vergleiche in Europa, wie so etwas funktionieren kann. Darüber muss nachgedacht werden. Ich hab selbst zum Beispiel sehr viel Sympathie für das Schweizer Modell, wo jeder in die Systematik mit einzahlt. Aber das ist nicht die Kernfrage. Die Kernfrage ist, sind wir in der Lage, jenseits aller taktischen Erwägungen eine Grundsatzfrage auch für die Zukunft in der Rentensystematik zu erkennen. Und Altersarmut wird in der Zukunft ein großes Thema werden, wenn wir hier nicht gegensteuern.

    Zurheide: Nun kommt der eine oder andere und sagt, wenn man schon diese Schritte geht, dann könnte man auch über die Grundrente nachdenken, so wie Kurt Biedenkopf das ja vor 25, 30 Jahren schon vorgeschlagen hat. Das sei der eigentlich denklogische Weg, auch wenn wir dann an die Schweiz denken, in dem Sinne, dass jeder über Steuern möglicherweise einzahlt, und den Rest macht er privat?

    Laschet: Ja, das sind auch Gedanken, die jetzt wieder hochkommen. Man muss über die Systematik der Rentenpolitik nachdenken. Kurt Biedenkopf hat das in der Tat schon vor fast 30 Jahren gemacht. Aber auch die CDU hat das bereits gemacht. Die Herzog-Kommission hat im Jahre 2003 genau dies gesagt, dass nämlich die gesetzliche Rentenversicherung in eine erhebliche Legitimationskrise geraten kann, wenn sie Beiträge erhebt, die nur noch zu Leistungen führen, die in einem anderen Sicherungssystem beitragsfrei bezogen werden können. Das ist der Kern des Problems. Der, der nicht arbeitet, würde dann exakt das Gleiche bekommen wie der, der arbeitet. Und das darf man sich auch in Berlin nicht nur taktischen Erwägungen hingeben, sondern muss eine solche Grundsatzdiskussion führen, und zwar jetzt.

    Zurheide: Auf der anderen Seite wird dann immerhin zugefügt, das sei nicht ganz falsch, was Jürgen Rüttgers da jetzt vorschlägt. Nur, auf der einen Seite entsteht das Problem natürlich dadurch, dass wir Löhne haben, die zu niedrig sind, um Menschen vernünftig zu ernähren, geschweige denn für ihre Rente vorzusorgen. Wer keine Mindestrente fordert, sagt man a, kann auf der anderen Seite oder muss auf der anderen Seite dann zweimal zahlen, nämlich bei niedrigen Löhnen und später dann bei den Renten. Müsste man nicht da auch dann die Mindestlöhne einziehen auf der einen Seite?

    Laschet: Na, in einigen Bereichen haben wir das ja. Aber das, was aktuell diskutiert wird, der flächendeckende Mindestlohn wird ja in ganz unterschiedlichen Branchen zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen. Auch das kann natürlich keine Lösung sein unter Generationengesichtspunkten, dass man quasi heute Arbeitsplätze riskiert. Es gibt Berufsfelder, in denen Mindestlöhne heute schon verabredet sind. Aber wenn man sie flächendeckend einführt, ist das kein Beitrag, um die Rentensysteme zu stabilisieren.

    Zurheide: Wobei, ein Einwand, die Briten, die ja gewiss da nicht in Verdacht stehen, besonders sozialistisch zu sein, die haben das ganz gut hingekriegt?

    Laschet: Das ist wahr. Es gibt Beispiele, wo man das anders geregelt hat. Da haben Sie aber auch völlig andere Sozialsysteme, auch ganz andere soziale Sicherungssysteme in Großbritannien. Ich glaube, dass unsere Sicherungssysteme schon sehr zukunftsfest und sehr gut aufgestellt sind. Aber ich hab auch den Eindruck, dass sich die Debatte um Mindestlöhne zumindest beruhigt hat, wenn man weiß, jetzt flächendeckend einzuführen, würde Arbeitsplatzverlust bedeuten.

    Zurheide: Nun gibt es, gerade auch heute noch, neue Attacken gegen Jürgen Rüttgers unter der Überschrift, das Äquivalenzprinzip sei nicht gewarnt, wenn man das macht. Auf Deutsch, ein Euro ist da nicht mehr ein Euro. Erwin Huber hat so was zum Beispiel gesagt. Was halten Sie denen entgegen, warum halten Sie das für falsch, diesen Einwand?

    Laschet: Das Äquivalenzprinzip, etwas sehr Kompliziertes, ist aus ganz unterschiedlichen Gründen in den letzten Jahren sehr oft durchbrochen worden. Wir haben beispielsweise anerkannt Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung, da hat auch niemand einbezahlt, und trotzdem sagen wir, wir wollen, dass auch Kindererziehungszeiten anerkannt werden. Der, der Kinder erzieht, muss das auch in der Rente wiederfinden. Es gibt so viele Eingriffe in das Rentensystem, zuletzt die Rentenerhöhung, die auch nicht nach der Rentenformel so gedacht war, das ist ein Totschlagargument. Man muss über die Situation derer nachdenken, die in 15 und 20 Jahren zu Rentnern werden, die ein Vertrauen brauchen in die Rentenversicherung. Und das stellt man nicht dadurch her, dass man dem, der ganz wenig Lohn bezieht, am Ende sagt, egal, ob du einzahlst oder nicht, du liegst unter den Hartz-IV-Sätzen. Und das ist das, was Jürgen Rüttgers anstößt. Alle reagieren am Anfang immer sehr aufgeregt auf solche Vorschläge. Aber meistens ist es dann doch so gekommen, weil der Kern exakt richtig ist.

    Zurheide: Auf der anderen Seite sehen nicht wenige auch einen Grundkonflikt in der Union, ich sag es mal schlagwortartig, Leipzig und der Parteitag auf der einen Seite und dann so diese schleichende Sozialdemokratisierung, die Ihnen von außen ja zum Teil vorgeworfen wird, zum Teil wird sie beobachtet, von innen auch kritisiert. Hat das nicht alles damit zu tun, wie wir jetzt diskutieren, dass die Union ihren Grundkonflikt nach der Wahl 2005 nicht wirklich diskutiert hat?

    Laschet: Ich hab nicht den Eindruck, dass das ein reines Unionsproblem ist. Wenn Sie sehen, wie das Bundesarbeitsministerium, der SPD-Arbeitsminister darauf reagieren, dann ist das genauso aufgeschreckt. Es gibt einige Landesverbände der SPD, die dem Gedanken etwas abgewinnen. Andere sagen, das ist alles vom Teufel und ist alles Populismus. Ich glaube, es ist kein System gerecht, das Leistung und Arbeit nicht anerkennt. Das wissen auch viele in der Sozialdemokratie. Und an soziale Probleme zu erinnern, hat nichts mit Sozialdemokratisierung zu tun, sondern war immer Herzstück auch der Politik einer Christlich-Demokratischen Union.

    Zurheide: Nun gibt es auch dann so Hinweise, dass eigentlich von der zu Recht beschriebenen Problematik, dass Menschen im Alter künftig vielleicht zu wenig Geld haben, dass das, so wie sie jetzt vorgeschlagen, für viele Gruppen eben doch nicht weiterhilft. Denn wer hat dann schon die 35 Jahre, wird dann entgegengehalten, bei den gebrochenen Erwerbsbiografien, die wir zu erwarten haben. Ist das möglicherweise nur ein erster halber Schritt, der noch dann später aufgefüllt werden muss, nur durch andere Maßnahmen?

    Laschet: In der Tat gibt es dann immer noch Gruppen, die davon nicht erfasst sind. Das ist eine wichtige Maßnahme, die zunächst mal dran erinnert, dass Arbeit sich lohnen muss und der, der denn diese Biografie hat, der lange gearbeitet hat, nicht in Hartz-IV-Systeme abrutscht. Aber es gibt andere, die davon nicht erfasst sind. Und das ist halt in dieser ja auch weltgeschichtlich einmaligen Situation, dass wir eine älter werdende Gesellschaft sind, alle länger leben und immer weniger Jüngere einzahlen. In dieser Situation werden wir noch viele neue Akzente in den nächsten Jahren erleben. Und das ist auch eine intellektuelle Herausforderung für Politik, für Wissenschaft, für alle, die sich daran beteiligen, hier gerechte Systeme zu finden, die die Gesellschaft auch zusammenhalten, zwischen Jung und Alt.

    Zurheide: Und dann ist schon schnell ausgerechnet worden, dass es eben nicht gerecht sei, dass möglicherweise der Arzt seine Ehefrau dann zu niedrigen Löhnen beschäftigt, und dann kriegt die nachher eine aufgestockte Rente. Das kann auch nicht ganz im Sinne des Erfinders sein. Ist das überzogen, solche Beispiele?

    Laschet: Ja, das ist wahr. Aber Sie finden bei 80 Millionen Menschen, die in sozialen Systemen irgendwie leben, immer Beispiele, die man dann verhindern muss. Bei jedem Gesetz, das beschrieben wird, gibt es schon fünf Menschen, die wissen, wie man das Gesetz umgeht. Aber das ändert ja nichts daran, dass das Grundprinzip stimmen muss. Und das stimmt zurzeit nicht, und das hat Jürgen Rüttgers deutlich angesprochen.

    Zurheide: Ihre Prognose, wie lange braucht die Union, um einmütig hinter Jürgen Rüttgers sich zu versammeln?

    Laschet: Die Union allein hilft ja nicht, in Berlin regiert eine Große Koalition, und ich hoffe, dass sie schnell reagiert. Denn das ist eigentlich eine Aufgabe, die Große Koalitionen lösen müssen. Da kann auch sich die SPD nicht verweigern.

    Zurheide: Ich hatte aber jetzt nach der CDU gefragt, erst mal.

    Laschet: Ja, aber das hilft ja nichts. Wenn es nur die CDU nur so sieht. Sie hat bereits auf ihrem Parteitag schon einmal beschlossen, dass man an diese Frage herangehen muss. Es geht nur, wenn beide mitspielen. Und ich wünsche mir, dass das bald passiert.