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Laser als Nanoskalpell

Die Zeitschrift "Nature Nanotechnology" hat zum Forschungshighlight des Jahres ein Verfahren gekürt, bei dem mit einem Laser nanofeine Löcher in ein Gewebe gebohrt werden. Bisher galt die Regel: Viel kleiner als die Wellenlänge kann so ein Loch nicht werden. Einige hundert Nanometer sollte danach die Grenze sein - ein Team aus Thüringen und dem Saarland hat sie aber deutlich unterboten.

Von Hellmuth Nordwig | 12.12.2007
    Ein fensterloser Raum im Keller des Fraunhofer-Instituts für Biomedizinische Technik im Saarland. Dort schießt Iris Riemann ultrakurze Lichtblitze im Abstand von Femtosekunden auf Zellen - eine Billiarde Mal pro Sekunde, das ist eine Million Milliarden.

    " Das hier ist ein Laser im Femtosekunden-Bereich, hier in diesem grauen Kasten. Er hat etwa doppelte Schuhkartongröße inzwischen, also die Laser sind viel, viel kleiner als früher. Hier unter dem Tisch haben wir die Lasersteuerung und die Kühlung, die er braucht. Wir schicken das Licht aus dem Laser hinaus, über verschiedene Optiken, wie wir das nennen, also Laserspiegel. "

    Die Blitze werden auf Zellen geleitet, die auf einem Glasträger unter einem Mikroskop liegen. So kann Iris Riemann den inneren Aufbau der Zellen sichtbar machen - viel detaillierter, als es mit der Lichtmikroskopie möglich wäre. Die Forscherin betreibt den Laser im Bereich des infraroten Lichts, also der relativ energiearmen Wärmestrahlung. So werden die Zellen nicht zerstört, und sie erholen sich wieder in den Pausen zwischen den Lichtblitzen, so kurz diese auch sind. Wandelt man diese Methode nur etwas ab, lassen sich aber ganz gezielt Löcher in bestimmte Zellstrukturen bohren, sagt Abteilungsleiter Karsten König.

    " Wir kombinieren jetzt den Laserstrahl mit einem einzelnen Nanopartikel und können erreichen, dass exakt dort, wo es sich befindet, dieses Gold-Silber-Partikel, eine destruktive Wirkung entsteht. "

    Bevor die Forscher die Zellen den Lichtblitzen des Laserstrahls aussetzen, schleusen sie die Nanopartikel in die Zelle ein. Diese Kügelchen aus Gold und Silber messen nur 40 Millionstel Millimeter und sind mit einem Trägermolekül verbunden, das sich gezielt an ganz bestimmte Elemente der Zelle heftet.

    " Zum Beispiel an DNA oder DNA-Abschnitte, wir können sie an Proteine binden, an bestimmte Zellorganellen, an die Zellmembran, bestimmte Gewebeabschnitte - das ist eine Frage des molekularbiologischen Ansatzes und der Zielstruktur. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, dort, wo Nanopartikel sind, gezielt diese kleinen Bohrungen durchzuführen im Bereich von 40 bis 60 Nanometern. Das sind die kleinsten Bohrungen, die je in biologischem Gewebe mit Hilfe von Lasern erzeugt wurden. "

    Der Trick besteht darin, dass das Metallkügelchen wie eine Antenne für das Laserlicht wirkt und dessen Energie auf kleinstem Raum bündelt. Gemeinsam mit Jenaer Forschern hat Karsten König zum Beispiel ein Chromosom angebohrt, also eines der DNA-Knäuel einer Zelle. Um gezielt einzelne Gene in einer lebenden Zelle auszuschalten, ist dieses Verfahren aber zu grob. Das Ergebnis ist ungefähr so, als würde man mit einem Feuerzeug ein Loch in ein Wollknäuel brennen. Iris Riemann:

    " Wir haben allerdings auch schon Einzelstränge geschnitten, das geht auch. Dazu braucht man bestimmte Methoden, dass man die einzelnen Stränge aus dem Zellkern herausbekommt. Da gibt es Lasermethoden, da kann man die Stränge zwischen zwei Kugeln oder Elektroden aufspannen, und dann kann man sie durchaus schneiden. "

    Karsten König hat andere Anwendungen im Visier. Zum Beispiel will er die umhüllende Membran von Zellen anbohren und sie durchlässig machen für Medikamente oder fremdes Erbgut. Das schadet der Zelle langfristig nicht, denn ein Loch in der Membran verschließt sich von selbst wieder.

    " Also Stichwort Gentransfer, Gentherapie, Gendiagnostik. Aber auch die Entwicklung effizienter Pharmaka auf dieser Basis. Bis hin zu gezieltem "knocking out" bestimmter Areale in Zellen oder unerwünschter Zellen wie Krebszellen. "

    Auch an Laseroperationen im Augeninneren denkt der Forscher. All das sind aber noch Zukunftsvisionen. Klinische Studien sind bisher nicht geplant.