Archiv


Laser analysieren Eisbohrkerne

Geologie. - Eisbohrkerne aus den arktischen Regionen liefern Informationen über das Klimageschehen vergangener Jahrtausende: Temperaturschwankungen, Vulkanausbrüche, Niederschläge, Umweltkatastrophen – alles spiegelt die chemische Zusammensetzung des zu Eis gepresste Schnees wieder. Je älter das Eis ist, desto dünner sind allerdings die Schichten, so dass eine räumliche Auflösung mit herkömmlichen Methoden immer schwieriger wird. Wissenschaftler des Alfred Wegener Institutes für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven haben nun eine Methode entwickelt, die diese Probleme beseitigt.

    Von Mirko Smiljanic

    Die Probleme bahnten sich Mitte der 90er Jahre mit dem europäische Bohrprogramm GRIP – dem Greenland Ice Core Program – an. 3000 Meter tief bohrten Wissenschaftler ins ewige Eis Grönlands, entsprechend lang waren die Eisbohrkerne, die in den darauf folgenden Jahren analysiert wurden. Je tiefer die Forscher kamen, desto dünner wurden aber die jeweiligen Sommer- und Winterschichten, mit den üblichen Methoden ließen sie sich kaum auseinander halten. Lösungen des Problems waren zunächst nicht in Sicht, die boten sich erst, als Michael Kriefs, Leiter des Labors für Spurenelementanalytik vom Alfred Wegener Institut den Laser ins Spiel brachte:

    Da wird mit einem Laserstrahl auf eine feste Probe geschossen, das Material, was von der Probe heruntergeschossen wurde, wird mit Hilfe eines Argongasstromes in ein induktiv gekoppeltes Plasma transportiert, der bei einer Temperatur von 10.000 Grad arbeitet, und bei diesen 10.000 Grad werden die Bestandteile, die in der Probe drin sind, ionisiert, die einzelnen Ionen werden hinterher in ein Massenspektrometer eingetragen und dort werden die einzelnen Ionen, die in der Probe sind, gezählt.

    220 Mikrometer misst der Laserstrahl, der Krater im Eis ist gerade mal 300 Mikrometer tief – zu winzig für das menschliche Auge, um ihn zu sehen. Verglichen mit konventionellen Methoden ist das ein großer Fortschritt. Erstens wird der Bohrkern geschont und steht noch anderen Wissenschaftlern zur Verfügung; und zweitens ist die räumliche Auflösung um ein Vielfaches besser – aber noch nicht gut genug. Denn die untersten Schichten presst der gewaltige Druck des Eisschildes noch stärker zusammen. Kriefs:

    Wir bauen das System gerade um, um den Laserstrahl noch weiter runterzufokussieren auf 50 Mikrometer, um damit eine noch höhere Auflösung hinzubekommen.

    Je dünner der Strahl, desto weniger tief schießt er ins Eis, desto höher sind räumliche und zeitliche Auflösung. All das klingt gut, birgt aber auch Schwierigkeiten. Kriefs:

    Probleme bei dieser Methode gibt es dadurch, dass es grundsätzlich keine Probenkammer gibt, die wir runterkühlen können auf minus 30 oder minus 45 Grad, sondern wenn wir die Eiskerne in einer normal erhältlichen Probenkammer legen, würden sie wegschmelzen.

    Also konstruierten die Bremerhavener Forscher eine völlig neue Probenkammer, in der das Eis bei minus 45 Grad Celsius untersucht wird. Ein vergleichsweise einfach zu lösendes Problem. Komplizierter waren da schon Antworten auf die Frage, wie die Analyse beschleunigt und stärker automatisiert werden kann. Konventionelle Verfahren arbeiten wie Scanner ein Element nach dem anderen ab. Zeitverlust ist die Folge. Gemeinsam mit dem Institut für Spektrochemie und angewandte Spektroskopie in Berlin entwickelten die Bremerhavener Eisforscher deshalb das so genannte Time of Flight-Spektrometer. Kriefs:

    Mit diesem Time of Flight-Spektrometer sind wir in der Lage, die Signale, die aus der Probe kommen, quasi simultan zu erfassen, sodass wir in die Lage kommen werden, circa 30.000 Spektren pro Sekunde, das heißt also, das gesamte Massenspektrum vom Lithium bis zum Uran hoch simultan zu erfassen, was auch dazu führt, dass wir eine noch höhere räumliche Auflösung in den Proben erreichen können.

    Das Gerät wird zur Zeit gebaut – und bekommt möglicherweise noch ein völlig anderes Anwendungsgebiet. In der Krebsforschung stehen die Wissenschaftler vor dem Problem, dass einige Medikamente Platinverbindungen enthalten, die sich im Gewebe und in Organen ablagern. Mit dem Time of Flight-Spektrometer lassen sie sich schnell und effektiv nachweisen. Ein erstaunlicher Synergieeffekt: Vom Eislabor in die Tumorklinik – besser geht es nicht!