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Laser lassen Zellen wachsen

Am Anfang herrscht im Kopf das Chaos. Die Millionen Nervenzellen im Kopf von Mensch, oder Maus bilden einen großen unverschalteten Haufen. Um zu laufen, lernen oder lachen, müssen die Nervenzellen im laufe der Embryonalentwicklung Kontakt miteinander aufnehmen, sich verschalten. Das geschieht mit Hilfe kleiner verästelter Ausläufer, sogenannter Axone. Chemische gesehen sind die Axone Polymere, an die beim Wachsen immer wieder ein großes Molekül, ein Monomer ankoppelt.

    Dieses Axon, das später die Sendeleitung sein wird, hat an seiner Spitze, um zu wachsen, eine aktive Wachstumsspitze oder im englischen 'growth cone' und diese Wachstumsspitze hat beeindruckende Eigenschaften, sie erriecht regelrecht andere Nervenzellen. Man sagt dazu Chemotaxis also Anziehung durch chemische Signale.

    Erklärt der Physiker Timo Betz von der Universität. Bislang scheiterten auch alle Versuche, diese Lockstoffe künstlich herzustellen, und so das ankoppeln und damit das Zellwachstum zu steuern. Die Leipziger Physiker wählten einen anderen Weg: sie bringen die Makromoleküle mit Laserlicht an den gewünschten Platz. Das Problem dabei, die Moleküle sind zu klein um das Laserlicht als optische Pinzette zu benutzen und sie wirklich anzufassen. Deshalb nutzen die Wissenschaftler ein Phönomen des Lasers, die so genannte Gradientenkraft die durch die unterschiedliche räumliche Verteilung des elektro-magnetischen Feldes entsteht. Das Laserlicht wie jedes Licht besitzt. Selbst ein hauchdünner Laserstrahl ist nicht homogen, sondern in der Mitte stärker am Rande schwächer. Gerät nun ein Molekül in diesen Laserstrahl, so wird es polarisiert.

    Wir trennen in Prinzip: plus auf die eine Seite, minus auf die andre Seite. Und was jetzt passiert ist, dass die polarisierten Monomere, die sehen das Feld, das sie polarisiert hat auch und werden dadurch angezogen. Das ist eine so genannte Gradientenkraft weil sie an der unterschiedlichen räumlichen Verteilung des elektrischen Feldes liegt.

    Gefangen im Laserstrahl dirigieren die Wissenschaftler die Monomer an die Stelle, an der sie sie gerne haben wollen – und das zudem noch schneller als es natürlicherweise geschieht. Ihr Verfahren wollen die Leipziger auch an den anderen Zellen erproben. Doch am interessantesten sagt Timo Betz bleibe die Nervenzelle

    Der nächste Schritt wäre ein kleines Netzwerk aufzubauen und daran die Hypothesen der Neuro-Mediziner und Neurobiologen auch wirklich zu überprüfen wie das Gehirn funktioniert. Man kennt einzelne Zellen relativ gut und die Psychologe geht an das Gehirn als ganzes, auch wie die Wahrnehmung funktioniert. Auf die Frage, wie funktioniert die Seele wollen wir natürlich keine Antwort geben. Aber die Frage ist doch, wie funktioniert ein kleines Netzwerk, oder wie funktioniert Netzwerk einer Ameise oder kleinen Schnecke? Das haben wir bis heute noch gar nicht verstanden

    Auch wenn die Arbeit der Leipziger Physiker Grundlagenforschung pur ist, so zeichnen sich am Horizont praktische Anwendungen an: Chips könnten zielgerichtet mit Nervenzellen gekoppelt werden und die Signalweiterleitung und Verabeitung übernehmen. Oder zerrissene Nervenverbindungen lassen sich wieder exakt zusammenfügen. Doch Betz und seine Kollegen um den Wolfgang-Paul-Preisträger Joseph Käs konzentrieren sich zunächst auf ein ganz anderes Thema: Krebs. Sie hoffen ihre Methode nutzen zu können, um besser zu verstehen, wann und warum Krebszellen beginnen Metastasen zu bilden.

    von Hartmut Schade