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Lasso für die Krebszellenjäger

Onkologie. - Seit Jahren arbeiten Wissenschaftler an gezielten Leukämie-Therapien, um die üblichen Nebenwirkungen von Bestrahlung und Chemotherapie zu vermeiden. Ein Ansatz kommt aus Erlangen.

Von Martina Preiner | 10.11.2011
    "Mein Vater war Arzt und ich hatte seit Kindheitstagen den Wunsch, ähnliche Ziele zu verfolgen – allerdings nicht behandelnder Arzt zu werden für Patienten, sondern durch die Forschung die gleichen Ziele mit meinen eigenen Methoden weiter zu verfolgen. Neue Wirkstoffe gegen Krankheiten zu entwickeln, insbesondere gegen Krebs."

    Der Biochemiker und Physiker Georg Fey arbeitet seit nahezu vier Jahrzehnten daran, Krebsmechanismen zu verstehen. Seit 1991 beschäftigt er sich als Professor für Genetik an der Uni Erlangen mit der Blutneubildung und damit zusammenhängenden Krankheiten – insbesondere Leukämie. Zwei Jahren ist Fey nun emeritiert. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten den Therapieansatz, den er in den vorangegangenen Jahren entwickelt hatte, weiter zu verfolgen. Das grundlegende Prinzip seiner Wirkstoffe gegen Leukämiezellen:

    "Wir gucken, wie macht es der Körper eigentlich selbst. Wir schauen der Natur auf die Finger. Und die Mechanismen, die die Natur selbst benutzt, die verstärken wir."

    Die körpereigenen Mechanismen, die etwas Unerwünschtes wie Leukämiezellen loswerden können, findet man im Immunsystem.

    "Die natürlichen Killerzellen haben die Aufgabe, spontan entstehende Tumorzellen auszuschnüffeln und umzubringen."

    Die Natürlichen Killerzellen oder NK-Zellen erledigen auch bei Georg Fey die Drecksarbeit und töten die Leukämiezellen. Mit seinem potentiellen Therapiewirkstoff aber, können NK-Zellen ihre Opfer gezielter finden.

    "Wenn ich die Tumorzelle nämlich von außen mit unserem Produkt dekoriere, auf der Oberfläche befrachte, dann werden die besonders schmackhaft für die NK-Zellen und die NK-Zellen kleben daran. Und das wiederum aktiviert die NK-Zelle und dazwischen in diesen Spalt da schickt diese Killerzelle ihre Giftstoffe rein und bringt die Tumorzelle um."

    Triplebodies haben Fey und seine Mitarbeiter die Wirkstoffe genannt, die sie zusammen mit Münchener Forschern entwickelt haben. Sie ähneln den y-förmigen Antikörpern. Das ist kein Zufall, denn die waren die molekulare Vorlage für die Triplebodies. Das Wirkungsprinzip ist bei beiden dasselbe: Auf einer Seite binden sie mit zwei y-Ärmchen an unerwünschte Besucher – Antikörper an Bakterien oder Viren, Triplebodies an Leukämiezellen. Auf der anderen Seite wird das gebunden, was den Eindringling unschädlich machen kann. Bei Antikörpern sind das die verschiedensten Immunzellen, bei den Triplebodies die Natürlichen Killerzellen. Trotz aller Ähnlichkeiten unterscheiden sich die beiden Mechanismen in einem Punkt: Während Antikörper zwei identische y-Ärmchen besitzen um an ihre Feinde zu binden, besitzen ihre synthetischen Cousins zwei unterschiedliche. Nur wenn eine Zelle an beide Ärmchen andocken kann, bindet der Triplebody an ihr und rekrutiert eine NK-Zelle. Dadurch können Leukämiezellen sehr selektiv zerstört werden. Das ist ein wichtiger Schritt, denn bisher kann von Selektivität bei Krebstherapien keine Rede sein.

    "Die Chemotherapeutika wirken auf alle sich schnell teilenden Zellen, ob das jetzt Tumorzellen sind oder nicht. Ein Krebspatient hat auch Haarausfall, und das liegt daran, dass die Haarwurzelzellen sich schnell teilen. Oder ein Krebspatient ist auch anfällig gegenüber Infektionskrankheiten, weil die Chemotherapeutika die normalen gesunden Zellen des Abwehrsystems killen."

    Georg Fey hat Patente angemeldet und eine Firma gegründet. So können er und seine Kollegen weiter forschen und Investoren anwerben. Denn um einen Wirkstoff irgendwann einmal in die Klinik zu bringen, braucht man vor allem eines: Geld.

    "Bis wir da sind, sind sicherlich noch 15 Millionen Euro zu investieren und vier, fünf Jahre Zeit wird es schon noch brauchen."

    Bisher haben die Forscher ihre Triplebodies an Tumorzellen in Zellmaterial aus Kliniken getestet. Hier erwies sich der Mechanismus als effizient. Fey hofft diesen Effekt auch einmal bei einem Leukämiepatienten sehen zu können. Und letztendlich auch bei allen anderen Krebserkrankten. Denn das Prinzip Triplebody kann theoretisch auf jede beliebige Tumorzelle angewendet werden. Man muss nur die y-Ärmchen austauschen.