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Laster auf hohe See

Technik. - Weil der Lastkraftverkehr trotz aller Staus immer weiter zunimmt und eine Verlagerung auf die Schiene bislang kaum Erfolge zeigte, wenden sich Experten anderen Alternativen zu. Eine könnte sein, die Brummis in See stechen zu lassen - mit einem neuartigen Schiff.

Von Sönke Gäthke | 13.06.2005
    "Das Besondere an diesem Schiff ist, dass es für eine ganz bestimmte Transportaufgabe entworfen wurde, die das Ziel hat, den Stau auf den Straßen zu vermindern und Trailer oder andere Behälter vom Landtransport auf das Wasser abzuzweigen. "

    Sagt Andreas Gronarz in der Halle des Duisburger Entwicklungszentrums für Schiffstechnik und Transportsysteme. Der Ingenieur steht vor dem Rumpf-Modell dieses Schiffes, das bis jetzt auf den Namen "Intermodeship" hört. Das Heck ist breit und flach, die Schrauben sitzen an langen Gondeln. Bug und Seiten sehen nicht ungewöhnlich aus. Im Inneren aber wird es eng zugehen. Denn das Schiff soll zwischen Duisburg und dem Vänernsee in Mittelschweden pendeln. Diesen See kann das Schiff aber nur erreichen, wenn es durch den Göta-Kanal fährt - einen schmalen Kanal mit vielen Schleusen und Brücken. Das setzt der Schiffsgröße enge Grenzen. Um trotzdem genügend Fracht transportieren zu können, haben die Ingenieure den Antrieb Raum sparend konstruiert. Der ist kein rein mechanischer mehr, sondern ein so genannter Diesel-elektrischer Antrieb: Die Motoren treiben Generatoren an, die Strom produzieren. Die Elektromotoren sind in den stromlinienförmigen Gondeln außerhalb des Rumpfes untergebracht. Im Heck ist dadurch noch mehr Platz.

    "Da, wo bei dem normalen Schiff die Dieselmotoren stehen, eben hinten im Heck vor den Propellerwellen, da wollten wir Trailer hinpacken. Denn nur Ladung bringt Geld. Die Motoren selber konnten wir dann, weil wir einen dieselelektrischen Antrieb haben, irgendwo im Schiff deponieren. Und da haben wir den Raum vorne ausgewählt, weil dort die Außenhaut spitz zulaufen muss zur Bugspitze, und da passen dann Trailer einfach nicht mehr in dem Maße rein. Aber kleinere Motoreinheiten kann man da immerhin noch platzieren. "

    Statt eines großen erzeugen vier kleine Dieselmotoren den Strom für die Fahrt. Dadurch können die Motoren in den engen Bug genau eingepasst werden. Und Andreas Gronarz weißt auf einen weiteren Vorteil hin:

    "Ein anderer Grund ist, dass wir das Schiff nur im Seeverkehr, also bei der Fahrt über die Nordsee zum Beispiel von Göteborg nach Rotterdam und zurück mit voller Last fahren können. Im Binnenbereich können wir gar nicht mit voller Last fahren. Wenn wir jetzt pro Antriebswelle einen einzigen Motor nur hätten, dann würde der in vielen Abschnitten der Fahrt, also im Kanal oder auf dem Fluss, nur mit Teillast fahren. Und im Teillastbereich sind die Motoren vom Wirkungsgrad her nicht optimal. "

    Die Antriebsanlage mit vier Motoren dagegen lässt sich deutlich feiner regulieren: Auf hoher See laufen alle vier Motoren, im Kanal oder auf dem Rhein dagegen nur zwei – bei Bedarf auch mal drei. Auf diese Weise arbeiten die Motoren besonders sparsam, und erzeugen weniger schädliche Abgase. Um den so gewonnenen Platz auch so gut wie möglich mit Fracht zu füllen, sollen statt ganzer LKW-Züge nur die Anhänger befördert werden. Die Zugmaschinen bleiben zurück, ebenso die Fahrer. Das spart Kabinen. Die Hänger – oder Trailer – werden auf vier Decks gefahren, und zwar so eng, dass zwischen ihnen kaum ein Mann zwischen durch passt.

    "Das haben wir gemacht, in dem wir die Trailer – die Fahrbahn, auf der die Trailer sich bewegen - mit seitlichen Wänden ausgestattet haben, in denen die Trailer praktisch wie auf Schienen mit ihren eigenen Rädern entlang rollen. Man braucht sie quasi nicht mehr zu lenken. Und dadurch kann man extrem geringe Seitenabstände zwischen den Trailern erzielen, was bei normalen Roro-Fähren nicht der Fall ist. Dort werden die Fahrzeuge mit einem gewissen Passierabstand noch gestellt. "

    Das Projekt ist beinahe abgeschlossen. Unklar ist noch, wie das neue Schiff sowohl den Gesetzen für die Seefahrt als auch für die Binnenschifffahrt genügen kann. Welche Ruderanlage es erhalten soll, muss ebenso geklärt werden, wie die Frage, wie bei dieser Raumausnutzung Treppen zu den tiefer gelegenen Decks eingebaut werden können. Doch das Forscherteam ist zuversichtlich, auf dem richtigen Weg zu sein. Obwohl die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, hat sich bereits ein Reeder gefunden, der sechs Schiffe des Typs erwerben will.