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Lateinamerika-Ausstellung
Konzert auf panamaischen Bierflaschen

Seit längerem wird Kunst aus Lateinamerika als neue heiße Ware auf dem Markt gehypt. Jetzt folgt auch das Guggenheim Museum in New York mit der Ausstellung "Under the same sun" diesem Trend. Geboten werden politisch aufgeladener Folklorismus, ein Schuss postkoloniale Dekonstruktion und magischer Symbolismus aus den entzauberten Tropen.

Von Sacha Verna |
    Die Favela Rocinha am 02.12.2007 in Rio de Janeiro (Brasilien). Die Favela Rocinha im Süden Rios gilt mit ca. 250.000 Einwohnern als größtes Armenviertel in Lateinamerika.
    Kunst aus Lateinamerika sei lange von den europäischen und nordamerikanischen Zentren ausgeschlossen gewesen, so Pablo León de la Barra, Kurator der Ausstellung. (dpa / Peter Kneffel)
    Lateinamerikanische Kunst gibt es nicht. Das ist das Erste, was Pablo León de la Barra erklärt. Was es gebe, sei Kunst aus vielen Lateinamerikas.
    "They all share a series of histories, a series of problems and a series of ways and solutions toward the future."
    Diese Lateinamerikas hätten eine ähnliche Geschichte, ähnliche Probleme und sähen ähnliche Lösungen für die Zukunft. Dasselbe gilt laut dem Kurator für die vierzig Künstlerinnen und Künstler aus den 15 lateinamerikanischen Ländern, die er für die Ausstellung im Guggenheim Museum ausgewählt hat.
    Keine einzigartige Ausstellung
    Auf den ersten Blick unterscheiden sich die fünfzig Werke nicht von dem, was auf Messen in Basel oder Hong Kong oder in jedem anderen Museum für zeitgenössische Kunst gezeigt wird. Es sind Installationen und Videos, Bilder uns Skulpturen, Performance-Stücke und Fotografien. Der Brasilianer Adriano Costa zum Beispiel hat einige Geschirrtücher vergoldet und sie teppichartig ausgebreitet. Der Kubaner Wilfredo Prieto stellt zwei Standventilatoren nebeneinander, von denen der eine seinen Ventilatorenkopf schüttelt und der andere nickt.
    "All diese Arbeiten basieren auf der Hinterfragung des eigenen Landes. Es geht nicht nur um Kunstobjekte, sondern darum, wie diese Kunst unsere Sicht auf die Welt verändern kann."
    Bananen-Gigant Del Monte mit Totenköpfen
    Der Mexikaner Damián Ortega befasst sich mit seinen Wurzeln, indem er steinharte Maistortillas zu Türmen zusammensteckt. Donna Conlon und Jonathan Harker spielen ein Konzert auf panamaischen Bierflaschen und präsentieren einen feuchtfröhlichen Film davon. Minerva Cuevas hat das Logo des Bananen-Giganten Del Monte mit Totenköpfen verziert, und Javier Téllez dokumentiert, wie ein Mensch über die mexikanisch-amerikanische Grenze geschossen wird.
    "Art from Latin America has been excluded historically from European and North American centers which are the ones that wrote the history of art."
    Kunst aus Lateinamerika sei lange von den europäischen und nordamerikanischen Zentren ausgeschlossen gewesen, so Pablo León de la Barra, und damit von der Kunstgeschichte an sich, die diese Zentren geschrieben hätten. Aber:
    "Wir kommen nicht wie die Entdecker nach El Dorado, wo Wunder geschehen. Die Kunst in Lateinamerika hat eine lange Geschichte, und Generationen von Künstlern haben mit ihrer Arbeit in ihrem Umfeld die Generationen nach sich beeinflusst und tun es noch."
    Total global mit der nötigen Dosis Lokalkolorit
    Seit längerem wird Kunst aus Lateinamerika als neue heisse Ware auf dem Markt gehypt. Geboten werden in dieser Ausstellung ein bisschen politisch aufgeladener Folklorismus, ein Schuss postkoloniale Dekonstruktion und magischer Symbolismus aus den entzauberten Tropen. Die Künstlerinnen und Künstler haben sich auf jene cleveren Gefälligkeiten spezialisiert, die bloss mit der nötigen Dosis Lokalkolorit versehen zu werden brauchen, um total global als authentisch durchzugehen. Von El Dorado kann die Rede wirklich nicht sein.
    Guggenheim Museum, New York: Under the Same Sun: Art from Latin America Today. Bis 1. Oktober 2014.