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Lateinamerika mit Untertiteln

Auslandsfunk. - Am Montag dieser Woche wurde die Deutsche Welle 51 Jahre alt. Das wäre eigentlich nicht sonderlich erwähnenswert, wenn der Sender für das Ausland derzeit nicht wieder einmal in Turbulenzen geraten wäre. Vor einigen Wochen wurde vom Bundeskabinett die Neufassung des Deutschen Welle-Gesetzes verabschiedet – dieses wurde zwar von fast allen Seiten als modern und zukunftsweisend bezeichnet, mehr Geld gibt es für die Deutsche Welle dennoch nicht. Und genau das gefährdet einige Programmprojekte der Welle, die nun auf dem Prüfstand stehen. Es geht unter anderem um die Sendungen für Afghanistan und die täglich zweistündigen Nachrichten für Lateinamerika.

Von Michael Meyer |
    Wenn die Moderatorinnen Rosa Cazal und Olga Borobio um Mitternacht deutscher Zeit mit den spanischsprachigen Nachrichten auf Sendung gehen, dann sitzen Millionen Menschen in Lateinamerika vor dem Fernseher – dort ist es dann abends, also beste Primetime. Die spanischsprachigen Nachrichten der Deutschen Welle sind in einigen Ländern wie Mexiko, Honduras oder Venezuela echte Erfolgssendungen, misstraut man dort doch oft den eigenen Medien. Dennoch stehen die Nachrichten auf Spanisch derzeit auf dem Prüfstand, denn der Deutschen Welle geht das Geld aus: Über 50 Mio EUR muss die Welle in der Zeit von 1998 bis 2005 einsparen, das sind knapp 20 Prozent weniger im Etat. Das schmerzt die Macher sehr, angesichts eines umfangreichen Hörfunk- und Fernsehangebots, das für bestimmte Regionen in Krisenzeiten auch noch ausgeweitet werden soll. Für Deutsche Welle- Intendant Erik Bettermann ist die drohende Einsparung des spanischen Programms ein echter Verlust, aber:

    Wir wollen nicht uns von Lateinamerika verabschieden, das heißt, das wir da eine Grundpräsenz halten, und sie im Zweifelsfall wieder hochfahren können. Bloß jetzt passiert eins: Wir haben eine Debatte, obwohl wir da noch gar nicht entschieden haben.
    Man muss Abwägungen treffen, gut dann senden wir eben für China oder den Mittleren Osten – dann muss man uns aber auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen - oder ich muss für meinen Sender sagen, das und das sind meine Schwerpunktregionen.


    Über diese "Schwerpunktregionen" und die Rolle der Deutschen Welle wird noch immer gestritten. Zwar legt das neue Deutsche Welle- Gesetz ausdrücklich fest, dass das Programm künftig nicht nur "deutsche Auffassungen", sondern auch andere Sichtweisen des Auslands transportieren soll – die Schwierigkeit liegt jedoch im Detail. Denn was heißt das konkret? Heißt es, dass die deutsche Welle künftig überall sein soll oder eher gezielt in Krisenregionen wie dem Balkan, Afghanistan oder Zentralafrika präsent soll? Auch die Politik will sich da noch nicht eindeutig festlegen. Kulturstaatsministerin Christina Weiss sprach von langfristigen Rahmenbedingungen, die es für die Welle festzuschreiben gelte. Über all diese Fragen werde noch debattiert, meint Monika Griefahn, Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien:

    Ich wünsche mir, dass es eine seriöse Rundfunkanstalt gibt, die sowohl Hintergrundberichte über Deutschland macht, als auch Berichte aus den verschiedenen Regionen, wo sie aktiv ist, also sie macht auch regionale Informationen, das ist gerade in Ländern wo die Informationsfreiheit noch nicht so existiert, wir haben das immer wieder gehört, dass wir da ein sehr seriöses Image haben.

    Die Deutschen Welle hat beim Aufbau freier Medien schon etliche Male Kompetenz bewiesen. Die Mithilfe beim "Nationbuilding" in Krisenregionen ist eine der möglichen Aufgaben des Senders. Doch insgesamt bleibt der Eindruck: Trotz des erst vor einigen Wochen verabschiedeten Gesetzes weiß die Politik nicht so recht etwas anzufangen mit dem Sender, überdies ist die Deutsche Welle in Deutschland weitgehend unbekannt. Andere Auslandssender wie der BBC World Service oder Radio France Internacional haben da ein deutlich klareres Profil. Für Deutsche Welle-Intendant Erik Betterman ist die immer noch unklare Rolle seines Senders eine Folge der derzeitigen Neubestimmung der deutschen Außenpolitik:

    Ich glaube, dass wir in einem Prozess sind, einem gesellschaftlichen Diskussionsprozess, wo wollen sich die Deutschen schwerpunktmäßig engagieren? Kulturell, wirtschaftlich, als demokratische Erfahrung, die wir haben, und sie weitergeben an Menschen, von denen wir wissen, zwei Drittel der Menschheit leben in nicht liberalisierten Medienmärkten, also Einparteiensystemen, Diktaturen mit dem entsprechenden Staatsrundfunk. Wie weit wollen wir in diesen Regionen, in diesen Staaten Stimme der Freiheit sein?
    Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle
    Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle (Deutsche Welle)