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Lauern in Genfood Gefahren?

Medizin. - Seit vergangenen Sonntag müssen Lebensmittel, die selbst oder deren Inhaltsstoffe gentechnisch verändert wurden, in der Europäischen Union eindeutig gekennzeichnet werden. So soll Verbrauchern die Chance gegeben werden, selbst zu entscheiden, ob sie solche Lebensmittel konsumieren möchten oder aus Skepsis lieber meiden. Konkrete Studien zu möglichen Risiken durch den Konsum solcher Genfood sind indes rar. Daher widmeten sich jetzt britische Forscher diesem Problem und prüften, wie Magen und Darm mit Gen-Mais umgehen.

    Eines ist heute schon klar: wenn der Maiszünsler, einer der ärgsten Schädlinge von Maisgewächsen, an eine Pflanze mit der Bezeichnung "bt11" gerät, schlägt ihm das nachhaltig auf den Magen. Denn diese gentechnisch manipulierte Maissorte produziert mit Hilfe eines eingefügten Gens des Bodenbakteriums Bacillus thuringensis selbst ein effizientes Gift gegen Maiszünsler und andere Schadinsekten. Positive Folge der biologischen Nachhilfe für Mais: die Nutzpflanze gedeiht auch ohne den Einsatz chemischer Keulen bestens. Dafür, so entgegnen Kritiker, lande dann aber eben auch genetisch verfremdeter Mais auf dem Teller. Denn bislang war völlig unklar, wie unser Körper mit dem fremden Erbgut und seinen Proteinen umgeht. Mehr Licht in diese Frage warfen jetzt Biologen der Universität Newcastle. Sie untersuchten, wie die menschliche Darmflora mit den ungewohnten Pflanzenbestandteilen umgeht.

    "Bei Menschen mit einem intakten Verdauungstrakt konnten wir überhaupt keinen Beweis dafür finden, dass gentechnisch manipuliertes Erbgut die Passage durch den Darm überlebte. Wenn das Pflanzenmaterial also sowohl im Dünndarm als auch im Dickdarm verdaut wird, bleibt am Ende nichts mehr davon übrig", stellt Professor Harry Gilbert von der Universität Newcastle fest. Anders liegt der Fall allerdings bei Personen, die einen künstlichen Darmausgang besitzen. Ihnen wurde der Dickdarm entfernt. "Im Dünndarm dieser Patienten konnten wir dagegen genetisch manipuliertes Erbmaterial nachweisen. Somit hatte ein Teil der DNS die Passage durch diesen Abschnitt des Verdauungssystems überlebt." In einem Fall maßen die Forscher ganze vier Prozent des aufgenommenen veränderten Pflanzenmaterials im Stuhl wieder - ein Wert, der ihre Annahmen weit übertraf.

    Die Ergebnisse belegen, dass bt11-Mais also erst im Dickdarm, dem letzten Abschnitt unseres Verdauungssystems, schließlich vollständig abgebaut wird. Umgekehrt betrachtet steht das Gen des Bacillus thuringensis - wie natürlich auch allen anderen Genen des Mais - während der gesamten Dünndarmpassage in Kontakt mit den Bakterien unserer Darmflora. Dabei, so die Befürchtung von Skeptikern, könnte das Erbgut von den Bakterien aufgenommen und in die eigene DNS eingefügt werden - also ganz ähnlich, wie Bakterien untereinander Informationen über Antibiotikaresistenzen austauschen. "Wenn man davon ausgeht dass das manipulierte Erbgut auf lange Sicht auf die Darmflora übertragen werden kann, schätze ich dass, dieses Risiko proportional ansteigt. Allerdings haben wir keinen Beweis dafür gefunden, dass manipuliertes Erbmaterial eher von den Darmbakterien aufgenommen wird, als das herkömmliche Erbgut von pflanzlicher Nahrung", so Gilbert. "Ich glaube nicht, dass wir dieses Risiko nun besser abschätzen können. Das Interessanteste an unserer Arbeit ist wohl der Beweis, dass es zwischen Pflanzen und Darmbakterien zu einem Austausch von genetischem Material kommen kann. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass mehr Erbmaterial aus unserer Nahrung in die Darmflora gelangt, als wir immer gedacht haben und das sollte genauer untersucht werden. Ich glaube aber nicht, dass wir unsere Gesundheit gefährden, wenn wir gentechnisch veränderte Lebensmittel zu uns nehmen."

    [Quelle: Christine Westerhaus]