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Lauf Leben, lauf

Je anspruchsvoller das Karriereziel, desto perfekter der Lebenslauf, mit dem man sich um den Traumjob bewirbt. Das scheint eine simple Wahrheit zu sein. Ist sie aber nicht: Der Grad zwischen einem optimalen und einem überoptimierten Lebenslauf ist schmal.

Von Christian Forberg |
    Sören Kley studiert an der Uni Leipzig, wird in absehbarer Zeit seinen Abschluss als Master der Betriebswirtschaftslehre machen und wird sich um einen Job bewerben. Wie genau er seine Bewerbung abfassen und an wen er sie schicken wird, ist noch nicht klar. Aber Gedanken macht er sich jetzt schon. "Überoptimiert" soll sie auf keinen Fall sein:

    "Muss man immer grundsätzlich genau das machen, was Arbeitgeber von einem verlangen? Ist es immer nur wichtig, ins Ausland zu gehen, ein Auslandssemester zu machen, nur weil es der Arbeitgeber gern haben möchte, und ich es nur mache, weil ich muss, und nicht weil ich will? Es ist einfach nur die Jagd nach Titeln, um sie in meinen Lebenslauf schreiben zu können, ohne dass ich vielleicht dahinterstehe."

    Was Sören Kley bereits für "überoptimiert" hält, gilt bei den Studenten der Handelshochschule Leipzig als optimal. An der kleinen privaten Hochschule werden Wirtschaftsmanager ausgebildet. Wer sie verlässt, hat ausgezeichnete Berufsaussichten. Voraussetzung für den Traumberuf ist allerdings ein einwandfreier Lebenslauf, betont Franziska Rook. Sie begutachtet die Lebensläufe der Bewerber fürs Master-Studium. Zwar sieht auch sie die Gefahr, es beim Lebenslauf zu übertreiben, aber sie verweist auf noch andere Defizite.

    "Es gibt zum Teil die Bewerber, wo man merkt: die haben noch nicht sehr viel gemacht. Da fehlen Praktika, Sprachkenntnisse, da fehlt dieses Außerhalb-des-Tellerrandes-was-probiert-haben, sich freiwillig irgendwo zu betätigen. Und dann gibt’s die, die schon wieder so viel machen, dass im Lebenslauf das Wesentliche untergeht – das Studium, die Noten. Weil man vor lauter anderen Highlights gar nicht mehr weiß: wo soll man da noch hinschauen. Überoptimiert wäre für mich: zu viel gemacht in zu viele verschiedene Richtungen, und zu wenig Struktur."

    Im Verlauf des Studiums wird der Lebenslauf dann mit Blick auf das spätere Berufsziel hin weiter verbessert. Am Ende herauskommen soll die passende Bewerbung für den Arbeitgeber. Dabei dürfen es die Bewerber aber ebenfalls nicht übertreiben, warnt auch Melanie Janke. Sie koordiniert die Zusammenarbeit zwischen Handelshochschule und Unternehmen:

    "Worauf wir immer ganz genau hinweisen, wenn einige doch etwas übermotiviert sind, ist der Hinweis darauf, authentisch zu bleiben sehr hilfreich, und das wird auch von den meisten verstanden."

    Denn die Nagelprobe kommt ja erst noch: Das Vorstellungsgespräch und damit der Test, ob der Bewerber auch die Persönlichkeit ist, die er im Lebenslauf geschildert hat. Oder ob er sein Leben allzu sehr "designt" hat, wie es Burkhard Schwenker ausdrückt. Er ist der Chefstratege beim Unternehmensberater Roland Berger und hält Vorlesungen an der Handelshochschule. Sicher spielten hervorragende Noten eine große Rolle. Aber sie spiegelten eben nicht den ganzen Menschen wider, das, was ihn eigentlich interessant mache:

    "Insofern sind Informationen, was habe ich über das Allgemeine hinaus getan, ganz wichtig. Habe ich nur studiert oder habe ich meinen Lebensunterhalt selbst verdient beispielsweise, welche Erfahrungen habe ich dabei gesammelt? Deshalb glaube ich schon, wenn man drüber nachgedacht hat, was einem wirklich wichtig ist, ein erstes wichtiges Indiz dafür sein kann, ob man ein Top-Mann ist (zumindest ein zukünftiger) oder nicht."

    Dabei hat Burkhard Schwenker wohl auch sein eigenes Leben vor Augen, das nicht über eine Gerade an die Spitze führte, sondern durch einige Kurven. Hinzu kommen Berufserfahrungen aus dem vergangenen Jahrzehnt: Die Globalisierung verlange nicht nur exzellentes Fachwissen und perfektes Englisch, sondern Bildung und Engagement jenseits der eigentlichen Karriereplanung. Weshalb er rät:

    "Wenn man seine Neigung gefunden hat, dann sollte man dieses Studienfach auch studieren und zu Ende bringen, völlig unabhängig von der Frage, ob aus heutiger Sicht gute oder schlechte Beschäftigungsmöglichkeiten da sind. Auch das ist für mich eine Erkenntnis: Diese Bildungsvorplanung, die man früher immer versucht hat, funktioniert heute nicht mehr – dazu ändert sich die Welt viel zu schnell. Und die Schlussfolgerung daraus – eine sehr positive, finde ich – heißt: studier das, woran du wirklich Spaß hast, weil du damit die Chance hast, etwas wirklich gut zu machen."

    Womit die Meinungen des Top-Managers Burkhard Schwenker und die des Uni-Studenten Sören Kley gar nicht so weit auseinander liegen:

    "Ich möchte mich ungern für das Verbiegen, was jemand hinterher von mir möchte. Ich möchte grundsätzlich so daran gehen können, wie ich es mir vorstelle. Und entweder, es passt dann, oder es passt halt nicht. Aber ich möchte es nicht zwangsläufig tun, nur damit es hinterher gut ausschaut."