Nehmen wir ein Stück Gummi
"Mit dem Daumen kann man die Elemente eindrücken, so dass die Wände sich berühren."
Die Form des Gummis: hohl, etwas mehr als daumenbreit, ungefähr so wie ein gequetschtes Stück Gartenschlauch.
"Das ist ja das clevere, dass unser Schuh nur dann dämpft, wenn du es brauchst, das ist in der Landung."
"Du drückst das zusammen, und dann hast du im Prinzip so eine feste Geschichte."
Pro Schuh, 13 dieser Elemente, sie sitzen wie kleine Luftkissen, oder Wölkchen unter der Sohle.
"Und das braucht nicht viel, aber weil sich die Elemente nicht nur vertikal verschieben, sondern auch horizontal, gibt es die 3-dimensionale Dämpfung und danach, wenn das Körpergewicht auf dem Schuh ist, dann ist es ein komplett ungedämpfter Schuh, der den direkten Abstoß, den effizienten Abstoß ermöglicht."
Weich landen, dynamisch abstoßen. Effektiver, und schneller laufen und dazu noch Verletzungen vorbeugen: klingt: himmlisch.
"Bis heute gibt es noch Leute, die uns nicht kennen von der Marke, ich war gerade noch in Hawai beim Triathlon, ich war in New York beim Marathon, die sagen, 'hey, this feels like clouds'."
Der, der da so schön im Schweizer Akzent von Schuhen schwärmt heißt Olivier Bernhard, Triathlon-Profi a.D., Sport-Coach, Mit-Entwickler des On-Schuh-Konzepts. Vier Jahre ist das her.
Ich glaube, dass wir alle dasselbe suchen, wir suchen das weiche Landen, weil, den Rückschlag bis ins Hirn, den wollen wir alle vermeiden, den Kopfschmerz, das ist unangenehm, was wir aber alle wollen beim Laufen: Wenn wir Energie in eine Fortbewegung investieren, dann wollen wir, dass die möglichst effizient stattfinden kann.
Ich will wissen, was es mit den vollmundigen Versprechungen auf sich hat. Mein Paar Testschuhe ist weiß mit oranger Sohle, stylisch, leicht, mir ein bisschen zu eng, nach dem ersten Lauf bleibt eine Blase zwischen erstem und zweitem Zeh. Mein erster Laufeindruck: agil, leise, etwas ungewohnt, weil ich höher stehe und leichter abrolle, interessant.
"Zu allen herkömmlichen Systemen haben wir die Dämpfung aus der Mittelsohle herausgeholt und die Außensohle gleichzeitig zur Dämpfung auf der Außensohle gemacht."
Klingt revolutionär, aber warum erst 2010? Warum entwickeln zig Laufschuhfirmen jahrzehntelang herum ohne jemals auf diese clevere aber nicht absolut abwegige Idee zu kommen? Mit dieser Frage im Kopf fahre ich zur deutschen Sporthochschule Köln, zum Institutsgebäude I zu Gert-Peter Brüggemann.
"Ich seh‘ da keine Innovation. Ich sehe keinen Unterschied zu anderen technischen Lösungen."
Habe Adidas schon vor Jahren so ähnlich gemacht. Aha, und das mit der drei-dimensionalen Dämpfung?
"Also das müssen wir erstmal sagen, ab 2000 wird das Argument der Dämpfung im Sportschuhbereich nicht mehr verwendet. Weil wir wollen nicht dämpfen, wir wollen nicht dissipieren, also das Paradigma der Dämpfung ist tot."
spricht’s und taucht ab in eine riesige Papp-Kiste voller Schuhe.
"das ist doch faszinierend."
Heraus kommt ein Schuh, der beinahe so aussieht, wie mein Laufschuh-Paar von Brooks, Modell: Pure. Laut Brüggemann kommt es weniger auf die Dämpfung, den Aufprall an, als vielmehr auf die Mittelstützphase. Erst war es die Dämpfung, dann Natural Running, dann Muscle-Tuning. Brüggemann zählt die Paradigmenwechsel im Laufschuhdesign auf. Alles Vergangenheit. Was bleibt: die konstant hohe Zahl an Verletzungen, die im Laufsport meistens Knieverletzungen sind. Die will Brüggemann runterkriegen. Also die Mittelstützphase, die Zeit in der der Fuß auf dem Boden ist.
"Sie müssen sich das Knie jetzt hier so vorstellen..."
Brüggemann holt ein Kniemodell aus Plexiglas, die Belastungen auf der Innenseite und der Außenseite, die machen ihm Sorgen.
"Die Drehkräfte sind es, die uns die Probleme machen."
Die Innovation, die Brüggemann begeistert: eine Sohle, die zu den Seiten hin vom Boden hochgewölbt ist, wannenartig. Es geht bei dem Brooks-Schuh um die seitlichen Kräfte, die als Drehkräfte schädlich auf das Knie wirken. Und was die innovative Dämpfung des Cloud-Schuhs angeht:
"Das ist so eine archaische Konstruktion, die den aktuellen Entwicklungen nicht entspricht."
Gert-Peter Brüggemann will Verletzungen vermeiden. Aber beim Laufen geht’s auch um Spaß, ums Feeling. Wer den on-Schuh fair bewerten will, der muss sich den Schuh von allen Seiten ansehen. Am Bonner Rheinufer treffe ich dazu Tim Defiebre. Ihm gehört das Active Running Center Bonn, dort berät er Kunden beim Schuhkauf, nebenbei trainiert er Athleten. Zu unserem Treffen hat er eine kleine Kamera mitgebracht.
"Wenn ich hier drauf gucke, du läufst in dem Schuh hier stabiler, in dem Brooks und in dem on hast du halt wirklich diese Überpronation, dieses Abknicken, diese leichte Überpronation nach innen. Wo ich sagen würde: es könnte irgendwann zu Problemen kommen."
Für meinen ganz persönlichen Laufstil scheinen die on-Schuhe nur bedingt zu taugen.
"Also wir haben selber getestet. Die Leute die den hatten sagten, boah super. Das waren aber komischerweise die Leute die sowieso von grundaus laufen können, die von Haus aus gut trainiert sind, ne gute Muskulatur besitzen. Die mit so einer Art von Schuh relativ leicht laufen können.
"Als ich in eurem Laden war, einen On-Schuh habe ich da nicht gesehen..."
"Nee, man muss ja nicht immer jede Geschichte mitmachen. Das Rad oder den Schuh neu zu erfinden, das ist relativ schwer."
Der on-Schuh ist bequem, leicht, und gut. Nur für mich nicht. Der on ist zwar immer noch ein toller Schuh, doch einige der Marketing Wölkchen haben sich in Luft aufgelöst. Die 5 Kilometer bis nach Hause, laufe ich an diesem Tag mit meinen normalbesohlten Brooks, völlig unrevolutionär.