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Lauschangriff aufs Gehirn

Kalifornische Neurowissenschaftler haben aus aufgezeichneten Gehirnaktivitäten einfache Worte rekonstruieren können, die sie den Probanden während der Aufzeichnung vorgespielt hatten. Dazu entwickelten sie ein Computermodell, dass die Hirnströme zurück in Klänge verwandelt.

Von Marieke Degen | 01.02.2012
    Manchmal lässt sich eine Epilepsie nicht mit Medikamenten behandeln, und dann bleibt den Patienten oft nur noch eines: eine Operation. Der Bereich im Gehirn, von dem die Anfälle ausgehen, muss entfernt werden. Doch dafür muss man die Bereiche erstmal finden. Die Patienten bekommen also Elektroden ins Gehirn gepflanzt, direkt unter die Schädeldecke, und werden ein paar Tage überwacht. Für Brian Pasley sind solche Patienten ein Glücksfall.

    "Die Patienten sitzen eine Woche in ihren Krankenzimmern herum, und haben manchmal einfach nichts zu tun. Sie haben viel Zeit - und dann Lust und Interesse, an kognitiven Studien teilzunehmen."

    Brian Pasley ist Neurowissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Er will wissen, wie unser Gehirn Sprache versteht, also was im Gehirn passiert, wenn wir etwas Gesprochenes hören. Geräusche werden im Hörzentrum des Gehirns verarbeitet, das liegt etwas oberhalb vom Ohr. Genau da muss Brian Pasley die Hirnströme messen. Und das geht nur mit Patienten wie den Epileptikern, die ohnehin Elektroden im Gehirn haben.

    "Wir haben diese Patienten dann besucht und ihnen Laute vorgespielt über einen Lautsprecher, und sie haben einfach nur zugehört."

    Das waren einfache Worte wie zum Beispiel "Structure" - Struktur - oder Namen wie Waldo.

    "Dabei haben wir ihre Gehirnaktivität gemessen. Diese Daten haben wir dann mit ins Labor genommen. Was wir wissen wollten: Können wir nur anhand dieser Hirnströme herausfinden, welches Wort die Probanden gehört haben?"

    Und das hat tatsächlich funktioniert - mithilfe eines Computermodells.

    "Wir haben uns überlegt, wie das Gehirn diese Informationen verarbeiten würde und daraufhin ein Computermodell gebaut. Anschließend haben wir die Hirnströme durch das Computermodell laufen lassen. Der Computer hat die Hirnströme dann wieder in ein Geräusch umgewandelt."

    Konkret hat sich das so angehört. Das hier - "Structure" - haben die Probanden über den Lautsprecher gehört:

    "Structure. Structure."

    Der Computer, der mit den Hirnströmen der Probanden gefüttert worden ist, hat daraus das hier gemacht:

    " "Structure. Structure." "

    Noch ein Beispiel: der Name Waldo über Lautsprecher:

    "Waldo. Waldo."

    Und das hat das Computermodell aus den Hirnströmen gemacht:

    " "Waldo. Waldo." "

    Brian Pasley:

    "Das klingt andere als perfekt. Man kann die Wörter so nicht verstehen. Aber diese Rekonstruktion kommt zumindest an das Original heran, sodass wir feststellen konnten, um welches Wort es sich handelt. Das ließe sich sicher noch verbessern, mit mehr Daten."

    Der Computer kann also anhand der Hirnströme wiedergeben, was für ein Wort der Proband hört. Könnte man da noch einen Schritt weitergehen? Könnte man mithilfe von Hirnströmen auch herausfinden, was jemand denkt, was er also im Kopf zu Wörtern formt?

    "Wir wissen noch nicht, ob das geht, weil wir noch nicht viel darüber wissen, wie das Gehirn eigene Formulierungen verarbeitet. Aber es ist gut möglich, dass es dabei ähnlich vorgeht wie beim Hören eines Wortes. Wenn man das herausfindet, dann könnte man diese inneren Monologe vielleicht rekonstruieren, und das wäre eine tolle Sache - zum Beispiel für Menschen, die so schwer gelähmt sind, dass sie selbst nicht mehr selber sprechen können."

    Im Moment ist das alles noch Science-Fiction, betont Brian Pasley. Es gibt da noch die andere Seite der Medaille. So ein Verfahren könnte auch missbraucht werden, etwa um die Gedanken von Menschen in einem Verhör zu überwachen. Im Moment, sagt Brian Pasley, sei das unmöglich.

    "Um an diese speziellen Hirnströme heranzukommen, braucht man Elektroden direkt im Gehirn. Harmlosere Untersuchungsmethoden wie ein EEG oder eine Magnetresonanztomografie sind dafür einfach nicht empfindlich genug."

    Aber Brian Pasley sagt auch: Es sei wichtig, sich über solche ethischen Fragen rechtzeitig Gedanken zu machen. Wer weiß schon, wie schnell sich die Technik weiterentwickelt.