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Laut und stinkend

Auch wenn’s jetzt noch bitterkalt ist: der nächste Frühling kommt bestimmt. Motorradliebhaber denken sicher schon darüber nach, wann sie ihre Maschine wieder zulassen - oder ob sie sich gar eine neue kaufen. Doch nicht nur wegen der hohen Spritpreise lohnt es sich auch für Motorradfahrer, einen Blick auf die Verbrauchsdaten der Zweiräder zu werfen. Zu laut und zu stinkig, lautet nämlich das Urteil der Umweltschützer. Der Verkehrsclub Deutschland, der für eine umweltorientierte Verkehrspolitik wirbt, hat sich Motorräder genauer angesehen.

Von Dieter Nürnberger |
    Man sprach hier heute Vormittag von einem vergessenen Verkehrsmittel. Denn sowohl die Nutzer als auch die Politik haben wohl bisher den Umweltgedanken beim Motorrad weitgehend außen vor gelassen. Das Image von Motorrädern oder Motorradfahrern gilt eher als negativ – zu laut, zu stinkig und zu schnell. Der Verkehrsclub Deutschland will dies nun angehen. Und mit Gila Altmann, einer Politikerin der Grünen, ehemals Staatssekretärin, hat man da auch eine passionierte und bekennende Motorradfahrerin an der Seite. Und Gila Altmann geht davon aus, dass so manches Vorurteil über Motorräder und die Nutzer längst überholt sei:

    Wenn Sie sich die Altersstruktur angucken, dann kann man sagen, dass die Biker immer älter werden. Es gibt übrigens, genauso wie bei den Autofahrern, keine homogene Struktur. Es gibt da junge Leute mit ihren Krawalltüten, die manipulieren ihre Maschinen, machen all die Sachen, die da so gehen. Es gibt aber auch jene Gruppe um die Fünfzig, die wollen mit ihren Motorrädern durch die Gegend fahren und auch ganz gemütlich die Natur genießen.

    Immerhin gibt es 5 Millionen zugelassene motorisierte Zweiräder in Deutschland. Vom Roller bis hin zum großen Motorrad. Und bislang war es für umweltbewusste Biker auch gar nicht einfach, Informationen etwa über den Schadstoffausstoß oder auch den Kraftstoffverbrauch zu bekommen. Deshalb will der VCD – ähnlich wie schon beim Auto erfolgreich praktiziert – nun bald eine Umweltliste herausbringen, die je nach Modell Bewertungen veröffentlicht. Die Vorarbeiten sind so gut wie abgeschlossen, sagt Frank Dünnebeil vom federführenden Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung. Folgende Kriterien sind wichtig:

    Nämlich zum einen die Abgasemissionen. Alle Umweltrisiken, die mit Luftschadstoffen zu tun haben. Zum zweiten die Geräuschentwicklung: Das geht los bei Lärmbelästigung, aber man darf auch nicht vergessen, dass sich immer mehr die Erkenntnis durchsetzt, dass hoher Blutdruck und andere Herzkreislauferkrankungen damit zu tun haben. Der dritte Aspekt ist die Klimarelevanz, die macht sich am Kraftstoffverbrauch sichtbar, weil der eben eins zu eins mit den Kohlendioxyd-Emissionen verbunden werden kann.

    Und auch die Politik hat hierbei Nachholbedarf, denn wenn man es mit den vielen Umweltvorschriften beim PKW vergleicht, dann stellt man fest, dass beim Motorrad relativ wenig geregelt ist. Das Stichwort Lärm als Beispiel:

    Wir haben einerseits den Fahrgeräuschwert, da müssen die Hersteller bei der Zulassung einen gewissen Grenzwert einhalten. Der liegt für große Motorräder bei 80 Dezibel – also wie bei einem LKW! Und bei kleineren Maschinen ist er jeweils etwas niedriger. Der zweite Wert betrifft das Standgeräusch. Da ist es bei Zulassung unerheblich, wie hoch der ist. Der muss nur gemessen werden, damit später im Verkehr Manipulationen am Auspuff oder ähnliches überprüft werden können.

    Und auch bei den Schadstoffemissionen geht es deutlich langsamer voran als etwa beim Auto. Die Klassen "Euro 1" und "Euro 2" lassen da gegenwärtig noch sehr vieles zu. Erst ab 2008 dürfen Händler dann nur noch Neumaschinen mit der strengeren Vorgabe "Euro 3" verkaufen. Ab nächstem Jahr will deshalb der Verkehrsclub Deutschland diese Umweltliste Motorrad veröffentlichen – wer mehr tut als die gesetzlichen Regeln vorschreiben, wird darin weiter oben stehen als andere. Und Gila Altmann vom Vorstand des VCD hofft auf die Einsicht aller Beteiligten:

    Gerichtet an die Politik und auch an die Industrie. Dass nämlich so schnell wie möglich, und auch vorgezogen, die Standards erreicht werden müssen, wie wir sie vom Auto her kennen. Das kann auch wirtschaftliche Gründe für die Industrie haben. Denn die Emissionsverschärfungen werden kommen, in ganz Europa gibt es da dieselben Tendenzen. Und diejenigen Unternehmen, die da so schnell wie möglich mit neuen Modellen auf den Markt kommen, die werden dann auch bei den Kunden die Nase vorn haben.

    Man hofft nun also darauf, dass auch die Hersteller mitspielen, notwendige Informationen für die Umweltliste herausrücken, um damit ab 2006 umweltbewussten Motorradfahrern eine Orientierungshilfe zu geben.