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Lauterkennung bei Grillen

Grillenweibchen werden von dem Gesang der Männchen ähnlich stark angezogen, wie manche weiblichen Fans in den 60er Jahren von der Musik der Beatles. Warum zumindest die Grillen so extrem auf das Gezirpe der Männchen reagieren - das haben ein deutscher und ein britischer Forscher diese Woche in der Fachzeitschrift Nature und auf dem 7. Kongress der internationalen Gesellschaft für Neuroethologie in Dänemark präsentiert.

Von Kristin Raabe |
    Der Gesang dieses ziemlich undisziplinierten Männerchores kann frau ganz schön verwirren. In dem Durcheinander den Richtigen zu finden - das erscheint unmöglich. Und doch gelingt es der Feldgrille jedes Jahr aufs neue. Irgendwie findet jedes Weibchen das richtige Männchen. Es muss schließlich zur selben Art gehören und in erreichbarer Nähe sein Lied schmettern. Gewöhnlich steuern die weiblichen Feldgrillen immer ziemlich zielsicher auf einen der Sänger zu.

    Wie Sie das tun, das haben wir versucht im Labor herauszufinden, indem wir sie auf eine Apparatur gesetzt haben, wo sie quasi auf einer Art Tischtennisball laufen und wir bieten den Tieren über Lautsprecher, über zwei Lautsprecher verschiedene Gesangskomponenten an. Und können dann über die Bewegung dieses Tischtennisballs, der von den Tierbeinchen bewegt wird, welche Richtung, welche Laufrichtung und welchen Lautsprecher die Tiere nun tatsächlich bevorzugen.

    Berthold Hedwig hat sein Labor an der Universität von Cambridge in England. Bei den Experimenten mit den Grillen konnte der Forscher gemeinsam mit seinem Kollegen James Poulet auf ein besonders genaues Messsystem zurückgreifen. Damit ließen sich ganz schnelle und feine Bewegungen der Grillen erfassen.

    Das können sie sich vielleicht so vorstellen, wenn man ein Stereosystem zu Hause hat, dann hat man ja auch zwei Lautsprecher und nun kommen also aus dem linken und dem rechten Lautsprecher dieses Stereosystems die Lautpulse heraus. Und was man vielleicht bisher gedacht hatte war, dass die Tiere sich zu dem besseren Muster orientieren werden, das also über die beiden Lautsprechern angeboten wird, aber was wir mit unseren Experimenten zeigen konnten, das ist, dass die Tiere ganz schnell, wenn man also alternierend Lautpulse erst rechts und dann links anbietet, dass die Tiere dann ganz schnell nach links und nach rechts wieder drehen. Die Laufen also im Zickzack und orientieren sich an einzelnen Lautpulsen. Die Konsequenz davon ist aber, dass sie dann im Biotop halt auch zu den Lauten laufen oder zu den Lautquellen laufen, die in ihrer Nachbarschaft sind und das sie diese auch durchaus zielsicher auch finden können.

    Auf jeden einzelnen Zirp reagierte die weibliche Grille mit einer unglaublich schnellen kleinen Steuerungsbewegung. Die Geschwindigkeit dieser Reaktion sagt auch einiges darüber aus, wie die Weibchen das Gezirpe der Männchen verarbeiten.

    Das deutet sicherlich darauf hin, dass diese Lokalisationsbewegung, die diese Grillenweibchen machen, dass diese Lokalisationsbewegung auf einzelne Lautpulse ausgerichtet sind, und nicht das gesamte Lautmuster oder das Lautmuster über eine längere Zeit integrieren und auswerten, sondern die Tiere reagieren ganz schnell auf jeden Laut, den sie in ihrer Nachbarschaft hören. Aber eine Vorraussetzung ist wohl, dass sie tatsächlich das arteigene Gesangsmuster erkannt haben, also erst wenn das Muster mit dem arteigenen Muster übereinstimmt, machen die Tiere diese recht schnellen Steuerungsbewegungen.

    Die schnelle Reaktion der weiblichen Grillen auf das Gezirpe der Männchen ist schon beinah ein Reflex. Haben sie Ihr Männchen einmal erkannt, läuft alles ganz automatisch. Und diese Erkenntnis hilft einer anderen Forschergruppe: In Edinburgh versuchen Wissenschaftler einen Grillenroboter zu bauen, der sich auf dieselbe Art und Weise auf Geräuschquellen zu bewegt. Die echten Feldgrillen singen im Moment übrigens nicht. Die Männchen becircen lediglich von Mai bis Juni die Weibchen mit ihrem Gesang. In einigen Haushalten wirbt jedoch ein enger Verwandter der Feldgrille um seine Braut. Das Heimchen. Wem sein Gesang zu lästig ist, für den hat Berthold Hedwig einen Tipp:

    Da könnten sie eines vielleicht machen, stellen sie einen Lautsprecher auf, der genau den Heimchengesang nachbildet und machen sie eine kleine Box davor, einen kleinen Kasten, wo die Tiere sich dann Ansammeln können. Und vielleicht können sie auf die Art und Weise die Weibchen anlocken, so dass sie dann gefangen werden und dann setzten sie sie draußen auf die grüne Wiese oder so. Vielleicht wäre das eine angewandte Form der biologischen Schädlingsbekämpfung, die wir als Biologen empfehlen könnten.

    Wenn die Weibchen erst einmal weg sind, dann ist zumindest die Vermehrung der lästigen Mitbewohner gestoppt. Das Gezirpe der männlichen Heimchen wird vermutlich noch eine Weile zu hören sein. Vielleicht sogar bis zum nächsten Frühjahr, wenn die Feldgrillen ihren Gesang wieder anstimmen.