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Lautsprecher als Luftpumpe

Technik. - Ein ungetrübter, möglichst unverfälschter Musikgenuss ist das Ziel jedes wahren HiFi-Freaks. Doch leicht zu erreichen ist dieses Ziel nicht: Restrauschen des Verstärkers oder ganz leise klirrende Boxen gibt es sogar bei teuren Anlagen. Zu allem Überfluss hat ein Forscher aus Berlin jetzt einen weiteren, den Klanggenuss störenden Effekt entdeckt.

Von Frank Grotelüschen |
    "Ich höre gerne Musik! Und ich habe schon seit der Jugend versucht, möglichst gut und neutral klingende Lautsprecher herzustellen."

    Eigentlich kümmert sich Professor Rudolf Germer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin vor allem um die Entwicklung neuartiger Röntgenröhren. Aber so ganz mag er von seiner Jugendliebe nicht lassen – der Tüftelei mit Lautsprecherboxen. Vor einiger Zeit untersuchte er ein durchaus gängiges Modell in seinem Labor: eine Bassreflexbox.

    "Die Box ist so aufgebaut, dass wir ein großes Gehäuse haben, in dem der Lautsprecher drin ist. Und zusätzlich ist in dem Lautsprecher ein Loch mit einem Rohr nach innen."

    Den Schall, den der Lautsprecher nach vorne abstrahlt, hören wir direkt. Aber der Lautsprecher strahlt auch nach hinten ab. Und dieser Schall wird dann durch das Rohr im Boxeninnern nach außen geleitet, durch das Loch. Ein Trick, der die Bässe satter und fetter macht. Eine Box ohne Bassreflexsystem würde in etwa so klingen:

    Eine Box mit Bassreflex hört sich dagegen so an:

    Nur: Dreht man den Verstärker ordentlich auf, gibt die Bassreflexbox bei bestimmten Frequenzen unerwünschte Störgeräusche von sich. Germer:

    "Wir haben geschaut, wie diese Störgeräusche aussehen und konnten feststellen, dass entweder ein breitfrequentes Rauschen auftritt oder dass Verzerrungen, also Obertöne gebildet werden."

    Stark übertrieben hören sich diese Störgeräusche in etwa so an.

    Je lauter, der Ton, um so lauter auch das nervige Rauschen. Nur: Wie genau kommt es zustande? Um darauf eine Antwort zu finden, bedienten sich Germer und seine Leute einer trickreichen Methode.

    "Wir haben einfach Asche durch ein Teesieb gestreut, sodass die Asche an dem Loch vorbei rieselte und dann mit Kameras gefilmt, wie sich die Staubteilchen im Schallfeld bewegen. Und da kann man sehen: Bei kleinen Lautstärken bewegen sich die Staubkörnchen im Rhythmus des Schalls hin und her. Und bei großen Lautstärken trat überraschenderweise ein Effekt auf, dass es eine Strömung gab, die die Staubteilchen entweder hineinsog in das Loch, oder in der Mitte des Loches wieder herausschoss. Am Rand des Rohrs strömte die Luft in die Box hinein. In der Mitte des Rohrs strömte sie wieder heraus."

    Mit anderen Worten: Bei lauten Tönen wird die Bassreflexbox buchstäblich zur Luftpumpe. Es bilden sich Luftwirbel, und die verfälschen den Klang. Zum Glück, sagt Rudolf Germer, lassen sich diese Wirbel zähmen – und zwar, indem man die Luftpumpen-Strömung in geordnete Bahnen lenkt.

    "Die Methode war sehr einfach: Damit sich die Luft gleichmäßig bewegt, haben wir das Loch gefüllt mit Strohhalmen."

    Durch die Strohhalme kann sich die Luft nur vor und zurück bewegen und kann nicht mehr zur Seite ausbüchsen. Der Pumpeffekt bleibt zwar. Die Wirbel aber sind im Zaum gehalten. Germer:

    "Das Rauschen konnte ganz erheblich gesenkt werden. Und auch bei den Frequenzen, bei denen wir Obertöne beobachtet haben, verschwanden diese Obertöne."

    Man sollte sich also nicht wundern, wenn demnächst mancher HiFi-Freak ein dickes Bündel Strohhalme in die Bassreflexöffnungen seiner Boxen stopft. Dem Klang jedenfalls, glaubt man den Messungen des Professor Germer, kommt es bei großen Lautstärken zugute.