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Lautstark zum Date

Biologie. - Wer Nachwuchs zeugen will, muss jemanden finden, der bereit ist, sich mit ihm zu paaren. Am zuverlässigsten gelingt das mit schlichtem Rufen. Um dabei auch Mini-Carusos zu genügend stimmlichem Volumen zu verhelfen, ließ sich Mutter Natur für Insekten einige Kniffe einfallen.

    Partner fallen nicht vom Himmel und daher gilt zumindest in der Natur: Wer am lautesten schreit, hat die besten Chancen. Kein Problem für einen Hirsch mit großvolumigem Klangkörper oder Vögel, die aus luftigen Höhen die Umgebung beschallen. Schwieriger haben es dagegen biologische Zwerge wie eben Insekten. Mangels eines beeindruckenden Resonanzkörpers sind sie auf hohe Frequenzen bis in den Ultraschallbereich hinein abonniert, doch die werden vom bodennahen Gestrüpp so schnell absorbiert, dass Grillenweibchen auch noch so lautstarke Werber schon in einem Meter Abstand kaum mehr hören. Um solche Handicaps auszugleichen, entwickelte die Evolution im Lauf der Jahrmillionen zahlreiche Tricks für ein erfolgreiches Liebeswerben der Mini-Carusos, berichtet Professor Heiner Römer von der Universität Graz. Der Zoologe ist Spezialist für die akustischen Kniffe von Heuschrecken und Grillen.

    Beispielsweise brummt die klassische Mittelmeergrille viel tiefer als ähnlich große Insekten. Möglich machen dies speziell angepasste Flügelabschnitte, deren Anordnung beim Reiben erstaunlich tiefe Frequenzen von rund vier bis fünf Hertz erzeugen und so auch beim Menschen für hörbar typisches Urlaubsfeeling sorgen. Noch pfiffiger gehen es afrikanische Verwandte an. Weil sie eigentlich viel zu klein sind, um ihre "Rufe" in einen Bereich von zwei bis drei Hertz drücken zu können, bedienen sich die Tiere quasi eines Instruments. "Dazu schneiden sie mit ihren Mundwerkzeugen in ein Blatt ein Loch und setzen sich dann genau so in dieses Loch, dass sie mit ihren Flügeln exakt hinein passen. Und indem sie dann mit den Flügeln aneinander reiben, benutzen sie das Blatt als eine Art Scheibe, die verhindert, dass es einen akustischen Kurzschluss zwischen der Ober- und der Unterseite des Flügels gibt", schildert Römer. Der pflanzliche Verstärker schafft so immerhin ein um zehn Dezibel lauteres Zirpen der Grillen - und das zollt auch Grillenweibchen die nötige Aufmerksamkeit ab.

    Im Mittel setzen Insekten gerade Mal ein Prozent der für die Klangerzeugung aufgewendeten Muskelenergie in Schallenergie um - viel Arbeit also für wenig Effekt. Um nicht beim Liebesakt schon völlig verausgabt zu sein, heißt die Devise der Freier daher "Energie sparen". Maulswurfsgrillen beispielsweise gehen dafür in den Untergrund: sie graben ein trichterförmiges Loch, aus dem sie wie durch eine Flüstertüte heraus zirpen. Auch hier entscheidet Knowhow über den Erfolg, denn die erforderlichen zehn Dezibel mehr an Lautstärke der Liebesbotschaft werden nur erreicht, wenn das Bodenmegaphon auch eine akustisch einwandfreie Form besitzt. Dazu der Grazer Biologe: "Nur wenn die Form dieser Öffnung der einer Tuba nahe kommt, erreicht die Grille auch, dass ihr Schallsignal um zehn Dezibel lauter abgestrahlt wird als wenn die Form nicht exakt stimmen würde." Wie die Insekten aber feststellen, dass ihre Liebestuba auch effektvoll schallt, statt die kostbare Körperkraft einfach verpuffen zu lassen, sei noch völlig unklar, so Heiner Römer.


    Der Muezzin der Grillen dürfte die afrikanische Kurzfühlerschrecke sein: sie ist nachts selbst in bis zu zwei Kilometern Entfernung noch zu hören. Hier liegt der Schlüssel in einer Kombination aus Waschbrett und Dudelsack: "Stellen sie sich eine Art Luftballon vor, der kleine Kerben in seiner Hülle trägt und den die Grille außen mit dem Hinterbein reibt. Wenn diese Kerben quasi klickartig aktiviert werden, gerät der ganze Luftballon in Vibrationen." Diese Technik macht den männlichen Heuschreck von gerade mal einem Gramm Lebendgewicht zu einem ausgesprochenen Krawallbruder, der in einem Meter Abstand bis zu 100 Dezibel Schalldruck erzeugt - was etwa Diskolautstärke entspricht. Ob Grillenweibchen ihre Hör-Sensorik gegen derart machtvolles Werben schützen müssen oder der Freier rechtzeitig verstummt, ist indes unklar.

    [Quelle: Ralf Krauter]