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Leben im Gazastreifen
So schlimm wie nie

Seit dem Waffenstillstand im Gazastreifen hat sich für die Bevölkerung wenig verändert. Viele Familien haben ihre Häuser verloren und leben notdürftig untergebracht in Schulen. Ihnen bleibt nichts, auf das sie hoffen können - denn politisch ist alles beim Alten. Und die Angst vor einem neuen Krieg wächst.

Von Clemens Verenkotte |
    Salim Daeb el Ghela, 65jähriger ehemaliger Bauarbeiter, neben den Ruinen seines Hauses, Schedschaija, Gaza-Stadt
    Ein zerstörtes Haus in Gaza-Stadt (Clemens Verenkotte)
    Es gibt Dinge, die sich nie in Gaza ändern: Der Gleichklang des Tages, geordnet vom fünfmaligen Ruf zum Gebet; die vertrauten Geräusche – die Brandung entlang der Uferstraße, die zügig vorbeiziehenden Eselskarren, zur Eile angetrieben oftmals von kleinen Schuljungen, die morgens vor halb fünf erstmals erschallende Einladung der Muhezeein.
    Und zu den Dingen, die sich nie ändern in Gaza gehören der Schutt, die Trümmer, zusammengestürzte Häuserzeilen, zerbombt und zerschossen – die Spuren eines alle ein, zwei Jahre erneut ausbrechenden Krieges, der nicht zu Ende geht:
    Schedschaija – im Osten von Gaza-Stadt. Schedschaija: Wie oft wurde schon die exponierte Lage dem dichtbevölkerten Stadtviertel zum Verhängnis. Keine 500 bis 800 Meter vom Grenzzaun zu Israel entfernt, enge Gassen, gesäumt von grauen, eilig hochgezogenen Betonblöcken, drei, vier Stockwerke hoch, im Winter kalt, im Sommer unerträglich heiß. - Der Krieg von 2008/09 hatte hier im Osten von Gaza-Stadt große Schäden angerichtet. Artillerie- und Panzergeschosse hatten ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen, Häuserwände von Maschinengewehrgraben bis zur Unkenntlichkeit durchsiebt. – Doch dieses Mal sind die östlichen Straßenzüge von Schedaja – in direkter Sichtweite zur Grenze – kaum mehr wiederzuerkennen.
    Als ob der Krieg vom Sommer 2014 erst vor wenigen Tagen zu Ende gegangen wäre: Ganze Häuserzeilen liegen wie von riesiger Hand zusammengedrückt in einem unentwirrbaren Geröll von zertrümmerten Betonstücken, einsam in den Himmel ragenden Eisenstangen. Stockwerk um Stockwerk liegen die ehemaligen Häuser in einem Areal von schätzungsweise 200 mal 800 Metern mitunter wie zusammengefaltet, aufeinanderliegend, als ob sie sich hätten ausruhen müssen, nach dem 50 Tage andauernden, längsten Krieg zwischen der islamistischen Hamas und Israel. Kleidungstücke, die seit Juli, August des letzten Jahres zwischen den Trümmern eingeklemmt ihrer Bestimmung entgehen, Bücherfetzen, seltsam verbogene Balkongeländer, die nun nutzlos auf dem Boden liegen.
    "Wir dachten nicht, dass wir am Leben bleiben würden. Es hat 50 Jahre gebraucht, bis ich mein Haus aufgebaut hatte, Stein für Stein. – Ich nahm nichts mit, keine Kleidung, kein Geld, nichts. Wir rannten raus – und weg."
    Leben unter Wellblech und Brettern
    Salim Daeb el Ghela lebt an der Stelle, an der bis Ende Juli 2014 sein Haus stand - der 65-jährige ehemalige Bauarbeiter, haust in einem selbsterrichten Verschlag aus Wellbech und Brettern, keine zehn Meter von den Ruinen seines Eigentums entfernt, inmitten der komplett zerstörten Häuserzeile, die einmal seine Nachbarschaft bildete. Hunderte von Menschen wohnten hier einst. Jetzt bleibt Salim nichts mehr:
    "Wir wollen unsere Häuser wiederaufbauen und hierher zurückziehen. Ich habe meine Frau und Kinder verlassen, jeder wohnt an einem anderen Ort. Ich bleibe hier. Ich bin hier, Tag und Nacht."
    Hier wolle er bleiben – und sterben, sagt Salim. Ab Anfang der 70er Jahre hatte er als Bauarbeiter in Israel seinen Lebensunterhalt verdient, wie so zahllose Palästinenser aus dem Gazastreifen auch. Er hatte langsam und beständig sein eigenes Haus errichtet. Alle Kriege und Konflikte hat der kräftig wirkende 65Jährige hier erlebt, vom 6-Tage Krieg 1967 über den Jom Kippur Krieg sieben Jahre später, den Ausbruch der ersten Intifada Ende der 80er Jahre, die hier in Gaza ihren Ursprung fand, über den zweiten, viel blutiger verlaufenden Palästinenseraufstand Anfang dieses Jahrhunderts, die Konfrontationen vom Sommer 2006, Winter 2008/09, November 2012. Der Krieg vom vergangenen Jahr sei der Schlimmste gewesen, den er je hier in Gaza erlebt habe. Salim hat dabei einen Sohn verloren, und einen weiteren Sohn im Krieg vom November 2012.
    "Wir rannten weg. Es war ein Wunder. Jeder rannte. Keine Schuhe. Wissen Sie, das war wie ein fließendes Wasser. So sind wir rausgerannt."
    96.000 Häuser und Wohnungen sind nach Angaben der UNWRA, dem UN Flüchtlingshilfswerk für die Palästinenser, im vergangenen Krieg zerstört oder beschädigt worden. Für den Wiederaufbau dieser Schäden seien 720 Millionen Dollar erforderlich, so die UNWRA Schätzungen. Von den ursprünglich über 300.000 Menschen, die während und nach dem Krieg in den UN Schulen Schutz und Obdach finden mussten, befänden sich noch etwas mehr als 10.000 Palästinenser in 15 Schulgebäuden. "Internally displaced persons (IDPs)" – wie Gazas neue Binnenflüchtlinge im offiziellen Sprachgebrauch der Vereinten Nationen genannt werden.
    "Es läuft jetzt besser. Es gibt für die Familien ein bisschen mehr Platz, wie Sie sich vorstellen können. Wir hatten in den Schulen jeweils über 5.000 Menschen während des Krieges. Jetzt sind jeweils maximal 1.000 Menschen in einer Schule."
    Siobhan Parnell, Sprecherin der UNWRA in Gaza-Stadt, sitzt im Hauptquartier der Vereinten Nationen, in der Innenstadt, ein großer Gebäudekomplex, umgeben von hohen hellblau angestrichenen Mauern. Die Amerikanerin lebt seit über drei Jahren im Küstenstreifen, sie kennt die soziale und wirtschaftliche Lage der Palästinenser in Gaza sehr gut. Die Hilfsmaßnahmen ihrer Organisation – die ursprünglich Ende der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts für die palästinensischen Flüchtlinge nach der Staatsgründung Israels ins Leben gerufen worden ist – konzentrieren sich derzeit auf die originären, wichtigsten Bereiche: Auf Verpflegung und Wohnen. Die UN-Finanzzuschüsse für die Anmietung von bestehendem Wohnraum zeigten Wirkung:
    "Wir beobachten, dass diese Zahlen langsam zurückgehen. Und dass die Familien aus den Schulen ausziehen können, liegt vorrangig daran, dass wir diesen Familien Unterstützung zukommen lassen. Wir sind in der Lage, ihnen Mietzuschüsse zu gewähren, sodass sie entweder in ein Mietshaus einziehen können oder dass sie von einer anderen Familie oder einem Nachbarn aufgenommen werden können. Und das Geld geht dann an die Gastgeber, denn es ist klar: Wenn man eine zehnköpfige Familie in ein kleines Haus aufnimmt, steigen die Kosten dramatisch und setzen diese Familien ziemlich unter Druck."
    Die Schule als Notunterkunft - mit fünf Familien pro Klassenzimmer

    UNWRA Schule in Burej, Gaza-Streifen. Die Schule beherbergt im Februar 2015 190 Familien, 1.250 Personen
    UNWRA Schule in Burej, Gaza-Streifen. Die Schule beherbergt im Februar 2015 190 Familien, 1.250 Personen (Deutschlandradio / Clemens Verenkotte)
    Es sind überwiegend Jugendliche, die sich vor dem Eingangstor der UNWRA-Schule in Burej aufhalten: In den drei Gebäuden, die bis zum Sommer letzten Jahres Platz für die Grundschüler des 1949 errichteten Flüchtlingslagers boten, leben derzeit 190 Familien, 1.250 Menschen – in 40 Klassenzimmern. Im Durschnitt fünf Familien pro Klassenzimmer. Betten gibt es keine; nur Matratzen und Decken; Stühle oder Tische gibt es ebenfalls nicht; die sanitären Einrichtungen – in jeder Hinsicht unzureichend, waren sie doch nur für einige Hundert Grundschüler vorgesehen. Burej liegt in der Mitte des Gazastreifens, sehr nahe zur israelischen Grenze.
    "Wir haben uns für eine Wohnung registrieren lassen, aber bis jetzt ist noch nichts geschehen. Wir haben noch keine. Wir wollen, dass sie für uns ein Haus mieten."
    Aman Mahmud Al Ghoul, ein Familienvater von Ende 40, hat bislang keinen Erfolg gehabt, mit Hilfen der UN-Mietzuschüsse mit seiner Frau und den vier Kindern auszuziehen, aus der Enge, der mangelnden Privatsphäre, aus der Trostlosigkeit. Die Lebensmittelrationen, die alle "Binnenflüchtlinge" von den Vereinten Nationen erhalten: Reis, Linsen, Gemüse, manchmal kleinere Portionen Huhn oder Fisch. Mit welchen Gedanken er nachts einschläft, in dem Klassenzimmer, das er sich mit weiteren Familien teilen muss?
    "Das ist wichtig: Wenn man ein Haus hat, dann ist man stabil, sicher. In einem Haus zu leben, wie alle anderen Menschen auf der Welt auch, wie sie."
    Früher arbeitete Aman als Taxifahrer – oftmals der einzige Broterwerb für Männer ohne Berufsausbildung oder Studium in Gaza; bei einer Arbeitslosenquote, die von den UN und palästinensischen Nichtregierungsorganisationen mit 40 bis 45 Prozent angegeben wird, eine der wenigen Chancen, Geld zu verdienen. Die anhaltende Blockade des Gazastreifens durch Israel und Ägypten sowie die Schließung der allermeisten Tunnel zwischen Gaza und der ägyptischen Seite hat nach den schweren Kriegswochen vom letzten Sommer Gazas Wirtschaft endgültig ruiniert. Von April 2013 bis April 2014 stieg die Erwerbungslosenquote nach Angaben der UN von knapp 28 auf 44,5 Prozent an. Unter den Flüchtlingen – und 1,2 der 1,8 Millionen Palästinenser im Küstenstreifen werden offiziell als Flüchtlinge gelistet – unter den Flüchtlingen ist die Arbeitslosenquote noch ein wenig höher. Da sich die Vereinten Nationen auf die Angaben des Palästinensischen Statistischen Amtes beziehen, werden Menschen, die etwa nur einen Minijob von einer Stunde pro Woche haben, nicht als arbeitslos aufgeführt.
    Der schmale, kleinwüchsige Mann gibt auf die Frage zurück, wie er die Zerstörung seines Hauses erlebt habe – auf der Flucht oder noch in den eigenen vier Wänden? Sie seien noch in ihrem Haus gewesen:
    "Ich und meine Familie – wir sind zu sechst. Wir hatten Angst und die Bombardierung: Das kann ich nicht beschreiben, das ... ist schwierig."
    "Ich lebte hier in Burej. Mein Haus wurde bombardiert und zerstört. Wir verließen es; das war an einem Freitag. An welchem? Das weiß ich nicht mehr."
    Sami Abu Ghreek hat sich vor der UNWRA-Schule in Burej dazugesellt, das ihm und seiner Familie seit sechs Monaten als Notunterkunft dient. Eine Panzergranate habe sein Haus zerstört, das er ein Jahr zuvor, 2013, fertiggestellt habe. Sie seien alle zuvor geflüchtet. Niemand aus seiner neunköpfigen Familie sei verletzt worden – Gott sei Dank, fügt Sami hinzu. Als er nach dem Ende der Kampfhandlungen zurückgekehrt sei – habe er feststellen müssen, dass das Dach heruntergekommen sei, viele Granaten hätten das Gebäude getroffen. – Wo und unter welchen Häusern die Tunnel verliefen, die die Hamas-Bewaffneten für ihre Kriegsführung benutzten, konnten und mitunter wollten die Anwohner nicht wissen. Ebenso wenig, warum gerade ihr Heim der völligen Zerstörung ausgesetzt worden ist. Das Leben jetzt, in der UN-Grundschule in Burej, beschreibt Sami so:
    "Wie ich das empfinde? Das ist schwer zu sagen. Deine Kinder bleiben nicht zusammen. Es ist sehr, sehr schwierig. Ich bin jetzt nicht mit ihnen zusammen. Das ist ein schweres Leben."
    Angst vor einem neuen Krieg
    Unter der scheinbaren "Normalität" des erneut wiedergewonnenen Alltags, auch wenn er sich nur in den beengten Räumen einer Schule abspielt, schlummert bei vielen Menschen im Gaza-Streifen, vor allem den Jüngeren, die reale Angst vor einer erneuten Wiederholung des Grauens, vor einem Wiederbeginn der Kämpfe – denn politisch – hat sich rein gar nichts seit dem Waffenstillstand vom 26. August geändert; weder zwischen Israel und der Hamas, noch zwischen der Hamas und der Fatah-Führung in Ramallah, geschweige denn zwischen der Hamas und Ägypten unter Staatspräsident el Sisi, der den palästinensischen Ableger der Muslimbrüder auf die Liste der Terrororganisationen setzen ließ.
    "Ich bin äußerst besorgt, dass wenn wir Gaza in dem Zustand lassen, in dem es jetzt ist, dann werden wir Gewaltausbrüche erleben, und das führt zu einer weiteren Katastrophe."
    Tony Blair ist nach Gaza gekommen, nach längerer Zeit wieder besucht der ehemalige britische Premierminister in seiner Funktion als Beauftragter des Nahost-Quartetts Mitte Februar den palästinensischen Küstenstreifen. In einem langen Konvoi weißer UN-Fahrzeuge, begleitet von Sicherheitskräften der herrschenden Hamas, reist der unverändert makellos in blauem Tuch, weißem Hemd und roter Krawatte gekleidete Blair vom Grenzübergang Erez die lange Saladinstraße nach Gaza-Stadt. – Die Politik, so Blairs Analyse, stehe dem dringendst erforderlichen Wiederaufbau Gazas im Wege. Was er damit meint?
    "Ob es die innerpalästinensischen Fragen sind, oder Israel, oder die Beziehungen zu Ägypten, oder die internationale Gemeinschaft: Wir alle tragen Verantwortung. Wenn die richtigen Zusicherungen gemacht werden, damit das hier funktioniert, um den Wiederaufbau anzupacken und zwar rasch, um die Privatwirtschaft wieder auf die Beine zu bringen, und den Menschen hier einen Sinn geben, dass sich die Dinge ändern werden, dann müssen wir mit der grundlegenden Infrastruktur beginnen und der Auszahlung der Gehälter."
    Es ist ein nahezu unentwirrbares politisches Knäul, das der Nahost-Beauftragte des Quartetts – des inzwischen dysfunktionalen Zusammenschlusses der USA, der Europäischen Union, der Vereinten Nationnen und Russlands – ebenso zutreffend wie leichtfüßig beschreibt: Nach dem Waffenstillstand Ende August sollten – sollten – unter ägyptischer Vermittlung Israel und die Hamas Verhandlungen führen über: die Öffnung der Grenzübergänge für Personen und Waren, die Öffnung des Hafens in Gaza, des längst in Trümmern liegenden Flughafens im Süden des Streifens, über die Entlassung weiterer palästinensischer Häftlinge. – Warum es dazu nicht kam? Professor Mkhaimar Abusada, Politologe an der Al Azhar Universität in Gaza-Stadt, offeriert zunächst einen pragmatischen, fast banalen Grund: Im September standen zunächst die muslimischen Feiertage, dann die jüdischen Feiertage an:
    "Deshalb haben sie die Gespräche auf den Oktober verschoben. Und im Oktober gab es einen Terroranschlag auf die ägyptische Armee, was Ägypten dazu veranlasste, den Grenzübergang Rafah zu schließen und das Treffen zwischen Israel und den palästinensischen Fraktionen abzusagen. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum nichts gesehen ist, mit Blick auf die Aufhebung der Belagerung, Öffnung der Grenzübergänge, die Gespräche über einen Seehafen, Flughafen und andere Fragen. Weil es keine weiteren Diskussionen mehr gab, um diese Angelegenheiten anzugehen."
    Hamas-Verbände werden wieder aufgerüstet
    Als am 12. Oktober letzten Jahres Ägypten und Norwegen zu einer internationalen Geberkonferenz einluden, um den Wiederaufbau Gazas zu finanzieren, wurden die Erwartungen bei der notleidenden Bevölkerung im Küstenstreifen erneut geweckt. Vielleicht würden sich die finanzstarken Staaten mit großen Geldbeträgen beteiligen. Mit 5,4 Milliarden Dollar, die zugesagt wurden, konnte UN Generalsekretär Ban Ki Moon – der oft in Gaza war und die Lage sehr gut kennt – zunächst äußerst zufrieden sein. Indes: Die Hamas sollte diese Summen nicht erhalten, auch nicht daran partizipieren. Die innerpalästinensische Spaltung stand und steht dem Wiederaufbau des Gazastreifens unverändert im Wege. Professor Abusada von Gazas ältester Hochschule:
    "Ein Teil dieser Gelder sollte in den Haushalt der PA fließen, der Palästinensischen Autonomiebehörde. aber seitdem haben wir keine Fortschritte bei der palästinensischen Aussöhnung zwischen Hamas und fatah gesehen. Trotz der Tatsache, dass es eine palästinensische Einheitsregierung gibt, die am 2. Juni 2014 gebildet worden ist. Aber wir befinden uns wieder mitten in den gegenseitigen Vorwürfen zwischen Hamas und Fatah."
    Mahmud Abbas, der bald 80-jährige Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde, besteht darauf, dass nur über die Einheitsregierung – die ihren Sitz an Abbas' Amtsitz in der Westbank-Metropole Ramallah hat – die Wiederaufbauleistungen abzuwickeln sind. Und: Dass die PA die Kontrolle über die Gaza-Grenzübergänge übernimmt. – Ein klares Nein seitens der Hamas, die seit dem blutigen Rauswurf der letzten Fatah-Milizen im Juni 2007 die alleinige Kontrolle über die Personen- und Warengrenzübergänge ausübt. Gleichermaßen besteht die Hamas-Administration in Gaza darauf, dass Abbas die Gehälter ihrer rund 50.000 Bediensteten bezahlt – rund 30.000 Bewaffnete sowie Angestellte in den Ministerien und Behörden, Lehrer. – Der Politologe Abusada nennt drei Gründe für den weitgehenden Stillstand beim Wiederaufbau Gazas:
    "Die Unfähigkeit der palästinensischen Einheitsregierung, die vollständige Verantwortung für Gaza zu übernehmen; zweitens: Die internationale Gemeinschaft hat nicht genug Geld an die palästinensische Regierung überwiesen, um den Wiederaufbauprozess zu beginnen, und drittens: Der Mechanismus, der vom UN-Sondergesandten Robert Serry erdacht worden ist, ist ein sehr bürokratischer und langsamer Mechanismus. Jeder Palästinenser, der sein Haus wiederaufbauen will, muss seinen Antrag an mehrere Ministerien stellen, die Namen müssen an die Israelis weitergegeben werden. Die Israelis haben die Namen auf Sicherheitsbedenken hin zu prüfen. Und wenn das bewilligt ist, erlauben die Israelis, dass diese Person beschränkte Mengen an Baumaterialien erhalten darf. Man ist überrascht zu erfahren, dass einige Palästinenser jeweils zwei Kilo Zement erhalten haben."
    Die Wiederaufrüstung der bewaffneten Hamas-Verbände ist längst wieder in Gang gekommen, nahezu täglich erproben die Kassam-Brigaden der Hamas überwiegend selbsthergestellte Raketen, die in Richtung des offenen Meeres abgefeuert werden. Der Wiederausbau der weitreichenden Tunnelanlagen, die im letzten Krieg eine entscheidende Rolle für die Einsatztaktik der Militanten gespielt hat, sei, so glauben israelische Militärs, bereits weit fortgeschritten.
    Hoffnung – dieses Wort, das noch Ende Januar 2009 nach der folgenschweren "Operation gegossenes Blei" in Gaza zu vernehmen war – dieses Wort scheint hier aus dem Sprachgebrauch der Menschen verschwunden zu sein. Alle stellen sich vielmehr auf eine weitere Verschlechterung der humanitären und sicherheitspolitischen Lage ein – als ob es nach "schlimm" und "schlimmer" nur noch den einzig logischen Superlativ gibt: "Gaza".