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Leben und arbeiten auf dem Land

Es wird einsamer auf dem Lande. Immer mehr junge Leute ziehen aus dem Dorf weg, die Zahl der Arbeitsplätze schwindet und der öffentliche Nahverkehr wird ausgedünnt. Die Entwicklung des ländlichen Raumes bereitet vielen Sorgen, und seit langem schon machen Forderungen nach staatlicher Unterstützung und Förderung die Runde. Doch wie und mit welchen Mitteln kann überhaupt geholfen werden, um diese Entwicklung zu stoppen? Zu dieser Frage findet heute in Berlin eine Konferenz statt unter der Überschrift: die Zukunft der ländlichen Entwicklung in Deutschland.

Von Dieter Nürnberger |
    Bei der Eröffnung der Tagung gab es bereits Konzepte, weil sich natürlich auch die Problematik schon seit Jahren abzeichnet, in Westdeutschland ebenso wie noch verschärfter in Regionen Ostdeutschlands. Es sind aber bislang vielleicht auch nur Konzeptansätze oder auch Pilotprojekte, die seit gut zwei Jahren laufen. Es gibt da beispielsweise das Projekt "Regionen Aktiv", hier sind 18 Modellregionen bundesweit ausgewählt worden – und Sinn dieser Veranstaltung hier in Berlin ist es auch, Zwischenbilanz zu ziehen. Die Ziele sind dabei klar – es geht um die Stärkung Ländlicher Räume und damit verbunden um die Schaffung zusätzlicher Einkommensquellen. Renate Künast, die Bundeslandwirtschaftsministerin hat heute Vormittag diese Konferenz eröffnet:

    Auf gut deutsch: Es muss ein Szenario entworfen werden. Wie soll unsere Region in zehn Jahren aussehen? Was wollen wir anbieten? Welche Potentiale haben wir? Wofür gibt es einen Markt? Welche Informationen brauchen wir noch? Kurz: Eine positive Vision für die Region. Und Initiative vor Ort heißt aber selbstverständlich nicht, dass man auf externen Know-how verzichten könnte. Das gehört immer zum Prozess dazu. Wir müssen die einbeziehen, die hinzugezogen sind, auch die, die weggezogen sind. Für diesen Prozess muss begeistert werden.

    Und die gemeinsamen Nenner dieser Modellregionen sind eigentlich drei wesentliche Aktivposten, die gestärkt werden sollen. Einmal der Energiesektor, dann der Tourismus und auch die regionale Direktvermarktung der Produkte, die vor Ort hergestellt werden. Dafür gibt es Geld aus Brüssel und auch aus Berlin, knapp 7 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt beispielsweise für sechs Jahre, so Renate Künast. Beim Schwerpunkt Energie gibt es auch schon recht konkrete Vorstellungen, wie man auf dem Land davon profitieren könnte. Nachwachsende Rohstoffe spielen da eine wichtige Rolle. Regionen in Brandenburg sind da ganz erfolgreich. Wolfgang Birthler, der Umwelt- und Agrarminister dieses Bundeslandes:

    So hat Brandenburg mit 230.000 Tonnen Biodiesel die größte Produktionskapazität. In der Uckermark wird derzeit eine Anlage von 180.000 Tonnen Bioäthanol-Produktion errichtet. Und wir setzen gemeinsam mit der Volkswagen-AG auf die Entwicklung und Produktion von synthetischen Kraftstoffen. Mit den sechs Biodiesel-Anlagen werden 103 Arbeitsplätze geschaffen und über 190.000 Hektar Non-Food-Raps gebunden. Die Kapazitäten sind so groß, dass die gesamte Roggenernte von Brandenburg verarbeitet werden könnte.

    Die Ländlichen Regionen seien die Seele eines Landes, sagt Renate Künast. Und sie möchte dies auch durchaus gesamtpolitisch verstanden wissen. Es gebe enormen Handlungsdruck - wenn beispielsweise in einzelnen Regionen Ostdeutschlands der Anteil der Frauen zwischen 20 und 30 Jahren künftig um fast die Hälfte zurückgehen wird, weil sie auf dem Land keine persönliche wie auch berufliche Zukunft sehen, dann sei etwas nicht in Ordnung. Die Landwirtschaftsministerin möchte solche Aspekte denn auch in der gegenwärtigen Diskussion um den Aufbau Ost berücksichtigt wissen:

    Bei der Debatte, wie sie bisher öffentlich geführt wird, kommen mir die ländlichen Räume noch viel zu kurz. Klaus von Dohnanyi hat in seinen Thesen zum Aufbau Ost zwar eine stärkere regionale Förderung unterstützt, doch als Beispiele wieder nur die Verdichtungsräume genannt. Das Umland von Jena, Leipzig oder Dresden. Wir dürfen nicht vergessen: 43 Prozent der Bevölkerung der neuen Bundesländer leben in ländlichen Gemeinden. Und wenn von einer Konzentration bestimmter Fördermittel auf Wachstumsregionen die Rede ist, dann darf es nicht heißen, dass im ländlichen Raum nichts passiert.

    Ideen gibt es also, man kann regionale Erzeugerbörsen einrichten, man kann sich durch Fördergelder auch offensiver im Tourismus vermarkten. Und die Modellregionen wollen hier in Berlin bis morgen eben Wege aufzeigen, die Erfolg versprechen könnten – und somit vielleicht auch für andere Regionen von Bedeutung sind.