Die Menschen in Darfur, tönt Präsident Omar Hassan al-Bashir während eines inszenierten Auftritts in al-Fasher, müssten jetzt Hand in Hand zusammenstehen.
Es gibt hier keinen Platz für ethnische Trennungen, für Stammeswirtschaft. Wir sind alle Menschen von Darfur, wir sind alle Sudanesen. Wir sind alle gleich!
Die Regierung hat uns mit Flugzeugen, Autos, Kamelen, Pferden und Hubschraubern verjagt. Sie haben aus den Fahrzeugen geschossen und die Männer getötet. Sie haben das Vieh und alles im Haus gestohlen. Sie nehmen die getrockneten Okraschoten und Tomaten. Sie nehmen alles, was wir haben. Nichts haben sie uns gelassen. Sie haben das Wasserfass genommen und das Haus verbrannt. Nichts haben sie uns gelassen.
Mein Vater und zwei meiner Brüder sind beim gleichen Ereignis getötet worden. Tot ist tot, aber sie enthaupten und ihre Augen ausstechen?! Ist das möglich! Ein Gläubiger, ein Muslim tötet eines Muslims Bruder und sticht ihm dann die Augen aus. Das ist doch nicht möglich. Den 27 Ermordeten haben sie die Augen ausgestochen, einige wurden enthauptet, anderen wurden die Hände abgehackt. Ist so etwas zwischen Gläubigen möglich?!
Bis zu eineinhalb Millionen Menschen sollen internationalen Hilfsorganisationen zufolge mittlerweile aus ihren Häusern und Dörfern in Darfur vertrieben worden sein. Die Führung in Khartoum bestreitet entschieden jede Mittäterschaft. Sie bestreitet, dass jemals reguläre Truppen bei den Angriffen auf Dörfer und den Vertreibungen ihrer Bewohner beteiligt gewesen sein sollen. Sie bestreitet auch entschieden, die Janjaweed ausgerüstet und bewaffnet zu haben. Sudans Außenminister Mustafa Osman Ismail.
Wenn die Regierung wirklich die Janjaweed unterstützen würde, warum sind denn dann alle Flüchtlingslager in von der Regierung kontrollierten Gebieten? Warum suchen die Zuflucht in Regierungsgebieten? In den Rebellengebieten gibt’s nicht ein einziges Lager. Das zeigt doch deutlich genug, dass die Regierung Sicherheit gewährleisten kann.
Ahmed Omar Ahmed ist 30. Er lebt im Flüchtlingslager Kassab nahe der Provinzstadt Kutum in Norddarfur. Ahmed hat keinen Fernseher und kein Radio, Zeitungen gibt es im Lager auch nicht. Ahmed weiß nicht, was seine Regierung über den Krieg, die Krise und das Flüchtlingselend sagt. Aber er weiß sehr gut, wie sein Lagerleben im angeblich sicheren Regierungsgebiet aussieht.
Am Freitag sind drei von uns losgegangen, um Brennholz zu sammeln. Wir haben kranke Kinder und unsre Taschen sind leer. Wir wollten das Holz verkaufen. Auf unsrem Weg haben wir Schüsse gehört, wir haben uns umgeblickt und wir haben gesehen, wie sich uns vier Pferde und sieben Kamele genähert haben. Wir sind weggerannt und haben die Esel zurückgelassen.
Sie sind allgegenwärtig in und um Kutum. Sie streifen wie Revierförster mit geschulterten Gewehren durch mit Buschwerk und Bäumen bestandene Täler. Sie tauchen auf Hügelkuppen auf, sie erscheinen auf Kamelen auf dem Wochenmarkt in Kutum. Sie wollen einschüchtern, verschrecken und vertreiben. Bislang schränkt niemand die Bewegungsfreiheit der Janjaweed in weiten Teilen Norddarfurs ein.
Wir haben einen Mann in dem Dorf Tega getroffen. Er erzählte uns vergangene Nacht, dass die Janjaweed bei Nacht einige seiner Tiere genommen haben. Sie haben freie Hand. Tatsächlich sind einige, wie du selbst gesehen hast, in Regierungsuniformen, viele von denen, die meisten sogar.
Doch es gibt sie inzwischen: Janjaweed in Fesseln, in Ketten, kahlgeschoren und hinter Gittern. Das jedenfalls suggerieren vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlte Bilder. Außenminister Ismail.
Täglich berichten die sudanesischen Medien über inhaftierte Anführer der Janjaweed, denen der Prozess droht. Jede Resolution, die darauf hinweist, wiederholt nur das, was die sudanesische Regierung ohnehin bereits tut.
Völkermord, Genozid lautet der schwere Vorwurf von Menschenrechtsorganisationen und dem amerikanischen Senat. Die Regierung will auf keinen Fall mit den Janjaweed in Verbindung gebracht werden. Doch es gibt unzählige Augenzeugen für die Beteiligung von Regierungstruppen an den Angriffen auf die Dörfer der Bauern. Und es gibt Dokumente im Besitz von Menschenrechtsorganisationen, aus denen die Zusammenarbeit zwischen Regierung und den arabischen Milizen möglicherweise abgelesen werden kann. Kenneth Roth von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Es gab einen Befehl, 300 "Ritter" zu rekrutieren – so nennt die sudanesische Regierung die Janjaweed-Milizen. Sie sprechen von Rittern oder Reitern, denn Janjaweed ist ein entmutigender, ein willkürlicher Begriff, den sie nicht verwenden.
Wie eine Feuerwalze überrollen die Janjaweed vom Frühjahr 2003 an weite Teile Darfurs. Menschenrechtler sprechen aufgrund der planmäßigen Vertreibungen von ethnischen Säuberungen.
In einem besonders beunruhigenden Hinweis sprechen sie davon, arabische Stammesangehörige heranzuschaffen, um die verlassenen Städte aufzufüllen, aus denen die schwarzafrikanischen Gruppen geflohen sind. Mit anderen Worten: Das wäre eine Vervollständigung des ethnischen Säuberungsprozesses.
Stehlend, verbrennend und zerstörend. Quälend, misshandelnd und missbrauchend. So beschreiben die Opfer die Täter. Gezielt, kaltblütig und brutal gehen die Janjaweed nach Aussage unzähliger Zeugen gegen die Bauerndörfer und ihre Bewohner vor. Das größte Leid fügen sie dabei den Frauen und Mädchen zu.
Frauen an einer Pumpe im Flüchtlingslager Kassab nahe der Provinzstadt Kutum in Norddarfur. Wasserholen ist Frauensache in Darfur. Kindererziehung ist auch Frauensache, ebenso Holzholen, ein Großteil der Feldarbeit, Wäschewaschen, Kochen und Saubermachen. Mit zehn werden die Mädchen in Darfur beschnitten: Klitoris und Schamlippen werden entfernt. Zwischen 14 und 17 werden die jungen Frauen verheiratet. Viele werden im Laufe ihrer Ehe ein Dutzend mal schwanger, im Schnitt bringen sie sieben lebende Kinder zur Welt, ihren Mann müssen sie oft mit ein oder zwei Nebenfrauen teilen.
Schon in Friedenszeiten haben es die Frauen in Darfur nicht leicht. Aber seit knapp eineinhalb Jahren herrscht Krieg im Westsudan. Seit 17 Monaten ist das Leben für viele Frauen in Darfur nahezu unerträglich.
Mein Name ist Fatma Abdallah. Ich habe kleine Kinder und sie haben meinen Mann getötet. Ich bin schwanger. Ich habe sechs kleine Kinder so wie dieses hier. Es gibt kein Essen, deshalb kann ich nicht stillen. Fatma Abdallah ist mein Name.
Sie haben mir den Arm gebrochen und meinen ganzen Besitz gestohlen. Meine Mutter kann nicht laufen, ich habe sie den ganzen Weg getragen. Sieben Menschen haben sie umgebracht, die nicht begraben werden konnten. Alle sind geflohen, nur die Schwachen sind zurückgeblieben. Die anderen flohen, wir bleiben zurück. Wir haben keinen Bruder, unser Vetter ist im Irak gestorben. Ich habe nichts, und mein Arm ist gebrochen. Ich kann nichts anderes tun als betteln.
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international berichtet, die Janjaweed hätten seit Ausbruch des Konflikts im Februar 2003 systematisch und massenhaft Frauen vergewaltigt. Vergewaltigung als Waffe zur Demütigung ganzer Volksgruppen. Die Frauen im Lager Kassab schweigen zu diesem Thema. Warum sollten sie dem Khauwaja – dem Fremden – davon erzählen. Es ist und bleibt eine Schande, auch wenn die Täter brutale Gewalt angewendet haben.
Ein Mann ergreift schließlich das Wort - Moussa Mohammed Suleiman. Der 35jährige hat seinen Vater und zwei Brüder verloren. Eine seiner Schwestern ist den arabischen Milizionären in die Hände gefallen.
Hier in diesem Lager sind mindestens 350 Mädchen, die von Janjaweed schwanger sind. Wenn die Mädchen gehen, um Gras fürs Vieh zu holen, dann werden sie von zehn oder 15 Leute ergriffen, vergewaltigt und geschwängert. Unsre Situation hier ist schlecht, sie ist schlimmer als schlimm.
Mädchen im Alter von acht und Greisinnen bis zu 80 Jahren sollen die Janjaweed unter den Augen von Regierungssoldaten laut dem Bericht von amnesty international verschleppt und mitunter tagelang vergewaltigt haben. Johlend und singend, so geben Zeuginnen zu Protokoll, seien die Milizionäre über ihre Opfer hergefallen, um "arabische Kinder zu zeugen."
Der harte Kampf ums Überleben bestimmt das Leben der Flüchtlinge, der Geschundenen und Geschändeten. Die Gewalt gegen Frauen dauert an, ein Wende ist nicht in Sicht. Jonas Wiahl von der Deutschen Welthungerhilfe in der Provinzstadt Kutum in Norddarfur:
Kassab A, B und C sind sicher, solange die Menschen im Lager bleiben. Es gibt vor allem von Frauen Berichte, die angegriffen werden, wenn sie das Lager verlassen, um Brennholz oder Wasser zu holen. Meistens werden sie verprügelt. Aber es gibt auch Berichte über vergewaltigte Frauen.
Seit Wochen verspricht die Regierung in Khartoum, die Janjaweed endlich zu entwaffnen. Seit Wochen, sagt Vincent von den Vereinten Nationen, hält Khartoum die Welt zum Narren.
Meine persönliche Meinung ist, dass die Regierung mit dem, was sie sagt, die Welt nur reinlegen will. Die Situation vor Ort, wie sie sich uns darstellt, ist doch, dass die Regierung sowohl den Willen als auch die Mittel nicht hat, diese Leute zu entwaffnen. Wir sehen vor Ort die gleichen Janjaweed aber in Regierungsuniformen.
Viele der Janjaweed, berichtet Vincent, sind mittlerweile offenbar in die sudanesischen Sicherheitskräfte integriert worden. Raub und Diebstahl gehen weiter. Aber die Dorfbewohner fürchten sich jetzt davor, bei Zwischenfällen zur Polizei zu gehen, weil sie nicht wissen, wem sie Bericht erstatten, einem Janjaweed oder einem Polizisten.
Auf unserem Weg nach Kutum haben wir gesehen, wie sie Vieh gestohlen und geschossen haben. Einer ihrer Anführer hat unser Auto angehalten und uns in Arabisch aufgetragen, dass wir den Offiziellen in Kutum sagen sollen, sie hätten ihre Kamele schon genommen. Als wir dann nach Kutum kamen, haben wir überraschenderweise einen Offiziellen in Uniform getroffen. Mein Fahrer sagte scherzhaft: "Wir haben Janjaweed getroffen, die geschossen und einige Kamele von den Dorfbewohnern gestohlen haben." Der Mann hat gelacht und uns erzählt: "Hey, dieser Mann hat mich angerufen und mich um Patronen gebeten. Aber ich konnte nicht." Wir haben ihm gesagt, er soll aufhören zu stehlen.
Anflug auf die Provinzhauptstadt al-Fasher. Eineinhalb Stunden dauert der Flug von Khartoum. Es ist die schnellste und sicherste Verbindung.
Darfur ist hoffnungslos unterentwickelt. Es ist das Armenhaus in einem verarmten Sudan. Etwas mehr als sechs Millionen Menschen leben in den drei Teilprovinzen, die zusammengenommen etwa so groß sind wie Frankreich. In ganz Darfur, sagt Abdurrahman Ibrahim von der Universität al-Fasher, gibt es zusammengenommen keine 200 Kilometer asphaltierte Straßen.
Die Infrastruktur in Darfur ist sehr, sehr schwach (entwickelt). Es ist ein abgelegenes Gebiet, weit weg vom Zentrum Sudans. Der Zugang ist sehr schwierig. Meistens finden die Erzeugnisse aus Darfur nicht ihren Weg zu den zentralen Märkten.
Drei Tage dauert die Fahrt mit Bussen und Lastwagen von al-Fasher in die Hauptstadt Khartoum. Produkte aus Darfur lassen sich in Zentralsudan wegen der hohen Transportkosten kaum verkaufen. Kein Verkauf, keine Einnahmen. Mehr als 70 Prozent der Menschen in Darfur haben weniger als einen Dollar pro Tag, sie leben unter der Armutsgrenze.
Der Markt von al-Fasher: Radios, Kleidung, Kochtöpfe, Schuhe – alles findet sich hier, aber zu deutlich höheren Preisen als etwa in Khartoum. Die chronische Unterentwicklung, die weitverbreitete Armut, sagt Abdurrahman Ibrahim, sind die Hauptgründe, warum die Rebellen in Darfur im Februar 2003 zu den Waffen greifen.
Unterentwicklung gepaart mit Armut. Rascher Rückgang der Niederschlagsmenge hat zum Rückgang der Produktivität geführt. Die Menschen können nicht ihre eigene Nahrung erzeugen. In den vergangenen 15 Jahren beispielsweise hat Norddarfur keine Selbstversorgung bei der Nahrungsmittelerzeugung erreicht.
Diskoabend im Deutschen Verein in der Hauptstadt Khartoum. Die Neureichen und Schönen kommen hier her. Khartoum boomt. Es ist viel Geld in der Stadt. Überall schießen Läden für Computer, Handys oder schicke Autos aus dem Boden. Sudan verkauft täglich etwa 300.000 Fass Öl. Ein großer Teil des Reichtums ist in den vergangen Jahren in Waffen für den Krieg im Süden investiert worden. Vom Rest ist viel in die Taschen der Herrschenden gewandert. Seit bald 50 Jahren ist das so, seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahre 1956.
Es mangelt am politischen Willen. Seit der Unabhängigkeit mangelt es daran. Das gesamte politische System im Sudan hat niemals den Willen gehabt, den Sudan als ganzes zu entwickeln.
Doch die herrschende Clique, meint Ibrahim, hat einen ausgeprägten Sinn dafür, auf Kosten des 38-Millionen-Volkes ein gutes Leben zu führen.
Viele Sudanesen hoffen nun auf den möglichen Friedensschluss zwischen Nord und Süd. Beide Seiten haben sich nach bald 21jährigem Gemetzel mit zwei Millionen Toten und vier Millionen Vertriebenen auf die Teilung der Macht verständigt. Und sie haben sich darauf geeinigt, die Öleinnahmen gerecht untereinander aufzuteilen. Für die verarmten und unterentwickelten Provinzen im Osten und im Westen dieses mit 2,5 Millionen Quadratkilometer größten Flächenstaates in Afrika ist in den bisherigen Abkommen nicht die Rede. Bislang gibt es für die Rebellen in Darfur noch keinen Grund, den Aufstand zu beenden und die Waffen niederzulegen.
Und das Volk, die Flüchtlinge, die Vertriebenen. Sie leben weiter zwischen Hammer und Amboß.
Ruf zum Abendgebet im Lager Kassab. Arabische Muslime kämpfen gegen afrikanische Muslime. Die Roten bekriegen die Schwarzen. Die Roten sind zumeist ebenso schwarz wie die Schwarzen, und die Schwarzen haben oft hellere Haut als die Roten. Früher spielten Hautfarbe, Abstammung und die Muttersprache keine Rolle. Die Nomaden zogen über das Land der Bauern, die Bauern vertrauten den Nomaden sogar für Monate ihr Vieh an. Konflikte um Land und Weidegrund konnten auf traditionelle Weise gelöst werden. Das war früher, als es noch weniger Menschen, weniger Tiere und weniger Hass gab. Die in den vergangenen eineinhalb Jahren geschlagenen Wunden sind tief, meint Moussa Mohammed Suleiman.
Gott und sein Prophet wissen es. Aber eines sag’ ich dir, für mich ist es unmöglich, mit einem Araber am selben Tisch zu essen. Wir hätten nach Khartoum fliehen können, aber sie haben uns nicht geholfen. Hier sind Araber, die uns unser Leben genommen haben, und dort sind sie auch. So bleiben wir also hier.
Es gibt hier keinen Platz für ethnische Trennungen, für Stammeswirtschaft. Wir sind alle Menschen von Darfur, wir sind alle Sudanesen. Wir sind alle gleich!
Die Regierung hat uns mit Flugzeugen, Autos, Kamelen, Pferden und Hubschraubern verjagt. Sie haben aus den Fahrzeugen geschossen und die Männer getötet. Sie haben das Vieh und alles im Haus gestohlen. Sie nehmen die getrockneten Okraschoten und Tomaten. Sie nehmen alles, was wir haben. Nichts haben sie uns gelassen. Sie haben das Wasserfass genommen und das Haus verbrannt. Nichts haben sie uns gelassen.
Mein Vater und zwei meiner Brüder sind beim gleichen Ereignis getötet worden. Tot ist tot, aber sie enthaupten und ihre Augen ausstechen?! Ist das möglich! Ein Gläubiger, ein Muslim tötet eines Muslims Bruder und sticht ihm dann die Augen aus. Das ist doch nicht möglich. Den 27 Ermordeten haben sie die Augen ausgestochen, einige wurden enthauptet, anderen wurden die Hände abgehackt. Ist so etwas zwischen Gläubigen möglich?!
Bis zu eineinhalb Millionen Menschen sollen internationalen Hilfsorganisationen zufolge mittlerweile aus ihren Häusern und Dörfern in Darfur vertrieben worden sein. Die Führung in Khartoum bestreitet entschieden jede Mittäterschaft. Sie bestreitet, dass jemals reguläre Truppen bei den Angriffen auf Dörfer und den Vertreibungen ihrer Bewohner beteiligt gewesen sein sollen. Sie bestreitet auch entschieden, die Janjaweed ausgerüstet und bewaffnet zu haben. Sudans Außenminister Mustafa Osman Ismail.
Wenn die Regierung wirklich die Janjaweed unterstützen würde, warum sind denn dann alle Flüchtlingslager in von der Regierung kontrollierten Gebieten? Warum suchen die Zuflucht in Regierungsgebieten? In den Rebellengebieten gibt’s nicht ein einziges Lager. Das zeigt doch deutlich genug, dass die Regierung Sicherheit gewährleisten kann.
Ahmed Omar Ahmed ist 30. Er lebt im Flüchtlingslager Kassab nahe der Provinzstadt Kutum in Norddarfur. Ahmed hat keinen Fernseher und kein Radio, Zeitungen gibt es im Lager auch nicht. Ahmed weiß nicht, was seine Regierung über den Krieg, die Krise und das Flüchtlingselend sagt. Aber er weiß sehr gut, wie sein Lagerleben im angeblich sicheren Regierungsgebiet aussieht.
Am Freitag sind drei von uns losgegangen, um Brennholz zu sammeln. Wir haben kranke Kinder und unsre Taschen sind leer. Wir wollten das Holz verkaufen. Auf unsrem Weg haben wir Schüsse gehört, wir haben uns umgeblickt und wir haben gesehen, wie sich uns vier Pferde und sieben Kamele genähert haben. Wir sind weggerannt und haben die Esel zurückgelassen.
Sie sind allgegenwärtig in und um Kutum. Sie streifen wie Revierförster mit geschulterten Gewehren durch mit Buschwerk und Bäumen bestandene Täler. Sie tauchen auf Hügelkuppen auf, sie erscheinen auf Kamelen auf dem Wochenmarkt in Kutum. Sie wollen einschüchtern, verschrecken und vertreiben. Bislang schränkt niemand die Bewegungsfreiheit der Janjaweed in weiten Teilen Norddarfurs ein.
Wir haben einen Mann in dem Dorf Tega getroffen. Er erzählte uns vergangene Nacht, dass die Janjaweed bei Nacht einige seiner Tiere genommen haben. Sie haben freie Hand. Tatsächlich sind einige, wie du selbst gesehen hast, in Regierungsuniformen, viele von denen, die meisten sogar.
Doch es gibt sie inzwischen: Janjaweed in Fesseln, in Ketten, kahlgeschoren und hinter Gittern. Das jedenfalls suggerieren vom staatlichen Fernsehen ausgestrahlte Bilder. Außenminister Ismail.
Täglich berichten die sudanesischen Medien über inhaftierte Anführer der Janjaweed, denen der Prozess droht. Jede Resolution, die darauf hinweist, wiederholt nur das, was die sudanesische Regierung ohnehin bereits tut.
Völkermord, Genozid lautet der schwere Vorwurf von Menschenrechtsorganisationen und dem amerikanischen Senat. Die Regierung will auf keinen Fall mit den Janjaweed in Verbindung gebracht werden. Doch es gibt unzählige Augenzeugen für die Beteiligung von Regierungstruppen an den Angriffen auf die Dörfer der Bauern. Und es gibt Dokumente im Besitz von Menschenrechtsorganisationen, aus denen die Zusammenarbeit zwischen Regierung und den arabischen Milizen möglicherweise abgelesen werden kann. Kenneth Roth von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Es gab einen Befehl, 300 "Ritter" zu rekrutieren – so nennt die sudanesische Regierung die Janjaweed-Milizen. Sie sprechen von Rittern oder Reitern, denn Janjaweed ist ein entmutigender, ein willkürlicher Begriff, den sie nicht verwenden.
Wie eine Feuerwalze überrollen die Janjaweed vom Frühjahr 2003 an weite Teile Darfurs. Menschenrechtler sprechen aufgrund der planmäßigen Vertreibungen von ethnischen Säuberungen.
In einem besonders beunruhigenden Hinweis sprechen sie davon, arabische Stammesangehörige heranzuschaffen, um die verlassenen Städte aufzufüllen, aus denen die schwarzafrikanischen Gruppen geflohen sind. Mit anderen Worten: Das wäre eine Vervollständigung des ethnischen Säuberungsprozesses.
Stehlend, verbrennend und zerstörend. Quälend, misshandelnd und missbrauchend. So beschreiben die Opfer die Täter. Gezielt, kaltblütig und brutal gehen die Janjaweed nach Aussage unzähliger Zeugen gegen die Bauerndörfer und ihre Bewohner vor. Das größte Leid fügen sie dabei den Frauen und Mädchen zu.
Frauen an einer Pumpe im Flüchtlingslager Kassab nahe der Provinzstadt Kutum in Norddarfur. Wasserholen ist Frauensache in Darfur. Kindererziehung ist auch Frauensache, ebenso Holzholen, ein Großteil der Feldarbeit, Wäschewaschen, Kochen und Saubermachen. Mit zehn werden die Mädchen in Darfur beschnitten: Klitoris und Schamlippen werden entfernt. Zwischen 14 und 17 werden die jungen Frauen verheiratet. Viele werden im Laufe ihrer Ehe ein Dutzend mal schwanger, im Schnitt bringen sie sieben lebende Kinder zur Welt, ihren Mann müssen sie oft mit ein oder zwei Nebenfrauen teilen.
Schon in Friedenszeiten haben es die Frauen in Darfur nicht leicht. Aber seit knapp eineinhalb Jahren herrscht Krieg im Westsudan. Seit 17 Monaten ist das Leben für viele Frauen in Darfur nahezu unerträglich.
Mein Name ist Fatma Abdallah. Ich habe kleine Kinder und sie haben meinen Mann getötet. Ich bin schwanger. Ich habe sechs kleine Kinder so wie dieses hier. Es gibt kein Essen, deshalb kann ich nicht stillen. Fatma Abdallah ist mein Name.
Sie haben mir den Arm gebrochen und meinen ganzen Besitz gestohlen. Meine Mutter kann nicht laufen, ich habe sie den ganzen Weg getragen. Sieben Menschen haben sie umgebracht, die nicht begraben werden konnten. Alle sind geflohen, nur die Schwachen sind zurückgeblieben. Die anderen flohen, wir bleiben zurück. Wir haben keinen Bruder, unser Vetter ist im Irak gestorben. Ich habe nichts, und mein Arm ist gebrochen. Ich kann nichts anderes tun als betteln.
Die Menschenrechtsorganisation amnesty international berichtet, die Janjaweed hätten seit Ausbruch des Konflikts im Februar 2003 systematisch und massenhaft Frauen vergewaltigt. Vergewaltigung als Waffe zur Demütigung ganzer Volksgruppen. Die Frauen im Lager Kassab schweigen zu diesem Thema. Warum sollten sie dem Khauwaja – dem Fremden – davon erzählen. Es ist und bleibt eine Schande, auch wenn die Täter brutale Gewalt angewendet haben.
Ein Mann ergreift schließlich das Wort - Moussa Mohammed Suleiman. Der 35jährige hat seinen Vater und zwei Brüder verloren. Eine seiner Schwestern ist den arabischen Milizionären in die Hände gefallen.
Hier in diesem Lager sind mindestens 350 Mädchen, die von Janjaweed schwanger sind. Wenn die Mädchen gehen, um Gras fürs Vieh zu holen, dann werden sie von zehn oder 15 Leute ergriffen, vergewaltigt und geschwängert. Unsre Situation hier ist schlecht, sie ist schlimmer als schlimm.
Mädchen im Alter von acht und Greisinnen bis zu 80 Jahren sollen die Janjaweed unter den Augen von Regierungssoldaten laut dem Bericht von amnesty international verschleppt und mitunter tagelang vergewaltigt haben. Johlend und singend, so geben Zeuginnen zu Protokoll, seien die Milizionäre über ihre Opfer hergefallen, um "arabische Kinder zu zeugen."
Der harte Kampf ums Überleben bestimmt das Leben der Flüchtlinge, der Geschundenen und Geschändeten. Die Gewalt gegen Frauen dauert an, ein Wende ist nicht in Sicht. Jonas Wiahl von der Deutschen Welthungerhilfe in der Provinzstadt Kutum in Norddarfur:
Kassab A, B und C sind sicher, solange die Menschen im Lager bleiben. Es gibt vor allem von Frauen Berichte, die angegriffen werden, wenn sie das Lager verlassen, um Brennholz oder Wasser zu holen. Meistens werden sie verprügelt. Aber es gibt auch Berichte über vergewaltigte Frauen.
Seit Wochen verspricht die Regierung in Khartoum, die Janjaweed endlich zu entwaffnen. Seit Wochen, sagt Vincent von den Vereinten Nationen, hält Khartoum die Welt zum Narren.
Meine persönliche Meinung ist, dass die Regierung mit dem, was sie sagt, die Welt nur reinlegen will. Die Situation vor Ort, wie sie sich uns darstellt, ist doch, dass die Regierung sowohl den Willen als auch die Mittel nicht hat, diese Leute zu entwaffnen. Wir sehen vor Ort die gleichen Janjaweed aber in Regierungsuniformen.
Viele der Janjaweed, berichtet Vincent, sind mittlerweile offenbar in die sudanesischen Sicherheitskräfte integriert worden. Raub und Diebstahl gehen weiter. Aber die Dorfbewohner fürchten sich jetzt davor, bei Zwischenfällen zur Polizei zu gehen, weil sie nicht wissen, wem sie Bericht erstatten, einem Janjaweed oder einem Polizisten.
Auf unserem Weg nach Kutum haben wir gesehen, wie sie Vieh gestohlen und geschossen haben. Einer ihrer Anführer hat unser Auto angehalten und uns in Arabisch aufgetragen, dass wir den Offiziellen in Kutum sagen sollen, sie hätten ihre Kamele schon genommen. Als wir dann nach Kutum kamen, haben wir überraschenderweise einen Offiziellen in Uniform getroffen. Mein Fahrer sagte scherzhaft: "Wir haben Janjaweed getroffen, die geschossen und einige Kamele von den Dorfbewohnern gestohlen haben." Der Mann hat gelacht und uns erzählt: "Hey, dieser Mann hat mich angerufen und mich um Patronen gebeten. Aber ich konnte nicht." Wir haben ihm gesagt, er soll aufhören zu stehlen.
Anflug auf die Provinzhauptstadt al-Fasher. Eineinhalb Stunden dauert der Flug von Khartoum. Es ist die schnellste und sicherste Verbindung.
Darfur ist hoffnungslos unterentwickelt. Es ist das Armenhaus in einem verarmten Sudan. Etwas mehr als sechs Millionen Menschen leben in den drei Teilprovinzen, die zusammengenommen etwa so groß sind wie Frankreich. In ganz Darfur, sagt Abdurrahman Ibrahim von der Universität al-Fasher, gibt es zusammengenommen keine 200 Kilometer asphaltierte Straßen.
Die Infrastruktur in Darfur ist sehr, sehr schwach (entwickelt). Es ist ein abgelegenes Gebiet, weit weg vom Zentrum Sudans. Der Zugang ist sehr schwierig. Meistens finden die Erzeugnisse aus Darfur nicht ihren Weg zu den zentralen Märkten.
Drei Tage dauert die Fahrt mit Bussen und Lastwagen von al-Fasher in die Hauptstadt Khartoum. Produkte aus Darfur lassen sich in Zentralsudan wegen der hohen Transportkosten kaum verkaufen. Kein Verkauf, keine Einnahmen. Mehr als 70 Prozent der Menschen in Darfur haben weniger als einen Dollar pro Tag, sie leben unter der Armutsgrenze.
Der Markt von al-Fasher: Radios, Kleidung, Kochtöpfe, Schuhe – alles findet sich hier, aber zu deutlich höheren Preisen als etwa in Khartoum. Die chronische Unterentwicklung, die weitverbreitete Armut, sagt Abdurrahman Ibrahim, sind die Hauptgründe, warum die Rebellen in Darfur im Februar 2003 zu den Waffen greifen.
Unterentwicklung gepaart mit Armut. Rascher Rückgang der Niederschlagsmenge hat zum Rückgang der Produktivität geführt. Die Menschen können nicht ihre eigene Nahrung erzeugen. In den vergangenen 15 Jahren beispielsweise hat Norddarfur keine Selbstversorgung bei der Nahrungsmittelerzeugung erreicht.
Diskoabend im Deutschen Verein in der Hauptstadt Khartoum. Die Neureichen und Schönen kommen hier her. Khartoum boomt. Es ist viel Geld in der Stadt. Überall schießen Läden für Computer, Handys oder schicke Autos aus dem Boden. Sudan verkauft täglich etwa 300.000 Fass Öl. Ein großer Teil des Reichtums ist in den vergangen Jahren in Waffen für den Krieg im Süden investiert worden. Vom Rest ist viel in die Taschen der Herrschenden gewandert. Seit bald 50 Jahren ist das so, seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahre 1956.
Es mangelt am politischen Willen. Seit der Unabhängigkeit mangelt es daran. Das gesamte politische System im Sudan hat niemals den Willen gehabt, den Sudan als ganzes zu entwickeln.
Doch die herrschende Clique, meint Ibrahim, hat einen ausgeprägten Sinn dafür, auf Kosten des 38-Millionen-Volkes ein gutes Leben zu führen.
Viele Sudanesen hoffen nun auf den möglichen Friedensschluss zwischen Nord und Süd. Beide Seiten haben sich nach bald 21jährigem Gemetzel mit zwei Millionen Toten und vier Millionen Vertriebenen auf die Teilung der Macht verständigt. Und sie haben sich darauf geeinigt, die Öleinnahmen gerecht untereinander aufzuteilen. Für die verarmten und unterentwickelten Provinzen im Osten und im Westen dieses mit 2,5 Millionen Quadratkilometer größten Flächenstaates in Afrika ist in den bisherigen Abkommen nicht die Rede. Bislang gibt es für die Rebellen in Darfur noch keinen Grund, den Aufstand zu beenden und die Waffen niederzulegen.
Und das Volk, die Flüchtlinge, die Vertriebenen. Sie leben weiter zwischen Hammer und Amboß.
Ruf zum Abendgebet im Lager Kassab. Arabische Muslime kämpfen gegen afrikanische Muslime. Die Roten bekriegen die Schwarzen. Die Roten sind zumeist ebenso schwarz wie die Schwarzen, und die Schwarzen haben oft hellere Haut als die Roten. Früher spielten Hautfarbe, Abstammung und die Muttersprache keine Rolle. Die Nomaden zogen über das Land der Bauern, die Bauern vertrauten den Nomaden sogar für Monate ihr Vieh an. Konflikte um Land und Weidegrund konnten auf traditionelle Weise gelöst werden. Das war früher, als es noch weniger Menschen, weniger Tiere und weniger Hass gab. Die in den vergangenen eineinhalb Jahren geschlagenen Wunden sind tief, meint Moussa Mohammed Suleiman.
Gott und sein Prophet wissen es. Aber eines sag’ ich dir, für mich ist es unmöglich, mit einem Araber am selben Tisch zu essen. Wir hätten nach Khartoum fliehen können, aber sie haben uns nicht geholfen. Hier sind Araber, die uns unser Leben genommen haben, und dort sind sie auch. So bleiben wir also hier.