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Leben vom und auf dem Land

Der erste Ökumenische Kirchentag, der noch bis Sonntag in Berlin stattfindet, behandelt auch das Thema Landwirtschaft und ländlicher Raum, also das Leben vom und auf dem Land. Bereiche wie Verbraucherverhalten, Landklischees und der Arbeitsmarkt Land sowie die soziale Situation der Bauern werden ebenso diskutiert und vorgestellt, wie die Lebensqualität auf dem Dorf und der globale Agrarhandel. Die globalen Handelsfragen werden derzeit unter anderem bestimmt durch den Streit über den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. So droht der Europäischen Union eine Klage der US-Regierung vor der Welthandelsorganisation WTO, weil die EU ein Einfuhrverbot für gentechnisch veränderte Nahrungsmittel verhängt hat - aus Sorge vor möglichen Gesundheitsrisiken; was die US-Regierung als Handelshemmnis auslegt. Wie stehen - neben den Umweltverbänden - die Kirchen dem Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft gegenüber?

Von Dieter Nürnberger |
    Die Umweltorganisation Greenpeace hat in der Aktionshalle des ökumenischen Kirchentages einen der größten Stände. Eine große Weltkugel liegt mitten im Raum, darauf verzeichnet sind nicht nur die Länder und Kontinente, sondern auch Firmenlogos. Die Welt ist hier aufgeteilt, Unternehmen sichern sich Patente auf das Leben. Patente auf die Gene von Pflanzen, ebenso wie auf Gene von Tieren oder des Menschen. Und Greenpeace-Experte Henning Strodthoff hat deshalb zusammen mit dem katholischen Hilfswerk Misereor Protest organisiert:

    Wir befürchten, dass die Bundesregierung in den nächsten Wochen tatsächlich versuchen wird, die aus unserer Sicht völlig verkehrte europäische Richtlinie zur Patentierung in deutsches Recht zu überführen. Und wir wollen hier noch einmal deutlich machen, dass dies nicht geschehen darf. Dass sich im Gegenteil die Bundesregierung dafür stark machen muss – zusammen mit anderen Ländern, wie beispielsweise Luxemburg und Frankreich – dass diese Richtlinie neu innerhalb der EU verhandelt wird.

    Die Richtlinie sieht vor, dass mehr oder weniger alles, was aus menschlichen, tierischen und pflanzlichen Körpern isoliert werden kann, auch kommerziell verwertbar und somit patentierbar ist. Und die schon bekannten Beispiele aus dem Gentechnik-Bereich, seien, sagt Strodthoff, durchaus alarmierend:

    In der Landwirtschaft haben wir eine ähnliche Situation. Es sind Firmen dabei wie beispielsweise ‚Syngenta’‚ ‚Bayer’ und ‚DuPont’, die halten bestimmte Genpatente. ‚DuPont’ hält zum Beispiel das Patent auf Mais mit einer bestimmten Ölkonzentration. Nun könnte man sagen, den gibt es doch schon lange. Und Ja: Den hat es tatsächlich schon lange gegeben, das ist keine Erfindung. In Mexiko ist das ein ganz normales Produkt. Die Firma ‚DuPont’ hat hierauf ein Patent und kann dadurch sagen, dass das von ihnen erfunden worden ist und ihnen auch gehöre. Alle, die diesen Mais verwenden, müssen an ‚DuPont’ Patentgebühr bezahlen.

    Und bei diesem Protest sind Kirchen und Umweltgruppen durchaus Bündnispartner. Die menschliche Schöpfung zu erhalten, dieser Sinnspruch hat auch Gültigkeit für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Auch an diesem Stand auf dem Kirchentag geht es um Gentechnik. In Europa ist der Anbau gentechnisch veränderter Organismen durch ein EU-Moratorium bislang weitgehend untersagt. Und das müsse auch so bleiben, sagt BUND-Expertin Heike Moldenhauer:

    Das Moratorium in der EU steht tatsächlich unter Druck, weil die USA die EU vor das WTO-Schiedsgericht zerren will. Man will also gegen das Moratorium vorgehen. Doch auch von anderer Seite gibt es Druck – weil verschiedene Gentechnik-Firmen 19 Zulassungsanträge eingereicht haben. Die drängen nun darauf, dass ab Sommer der Zulassungsprozess in der EU wieder anspringt.

    "Keine Gentechnik auf Kirchenland" heißt deshalb eine gemeinsame Aktion von BUND und einzelnen Landeskirchen. Die beiden großen Glaubensgemeinschaften besitzen hierzulande rund 850.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, immerhin ein Fünftel der gesamten Anbauflächen in Deutschland:

    Wir möchten gerne, dass die Bauern, mit denen dann neue Pachtverträge abgeschlossen werden, verpflichtet sind, auf den kirchlichen Flächen keine Gentechnik auszubringen. Bisher haben wir bei der Landeskirche Hannover ein solches Moratorium bis 2005. Die haben absolut festgeschrieben, keine Genpflanzen anzubauen. Und außerdem bekundet die Kirche im Rheinländischen großes Interesse. Da bin ich ganz optimistisch, dass dies wirklich eine große Bewegung wird.

    Gentechnik sei etwas Unnatürliches, dies ein gemeinsamer Nenner der Kirchen und der Umweltgruppen. Und dieses Engagement trägt man auch gezielt nach außen. Bereits zu Beginn des Mammuttreffens in der Hauptstadt wurde an der Marienkirche im Zentrum der Stadt ein großes Banner herabgerollt. "Stoppt Patente auf Leben" steht da - unterschrieben ist es von Greenpeace und auch von Misereor.