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Leben wie die Made im Speck

Senegalesen, die auf Pirogen ihr Leben riskieren, um die Festung Europa zu stürmen, sind leider zu fast alltäglichen Nachrichtenbildern geworden. Weniger bekannt ist, dass sich auch immer mehr Franzosen in der ehemaligen Kolonie niederlassen. Ein Bericht von Martina Zimmermann.

    Elisa sitzt am Swimming Pool mit Blick aufs Meer, ein Kellner im Anzug bringt die Getränke von der Bar. Die Kulisse ist wie aus dem Urlaubskatalog, doch die 50-jährige Französin wohnt hier mit ihrem Lebensgefährten und ihren Kindern, in einer Wohnanlage mit Appartements und Villen für Urlauber und Dauergäste. Ihr Partner ist der Bauherr dieser Residenz im Badeort Saly.

    "Mir passt das Klima, die Atmosphäre, die Lebensqualität, das ganze Jahr über Sonne, die sympathischen Menschen, der völlig andere Lebensrhythmus. Vor fünf Jahren habe ich beschlossen, mich in Afrika niederzulassen. Ich fliege alle anderthalb Monate für eine Woche nach Frankreich, weil dort mein 21jähriger Sohn studiert. Aber ich bin immer froh, nach Senegal zurückzukommen. In Frankreich sind die Leute gestresst, haben immer Probleme, in den Nachrichten hört man dauernd, dass es den Leuten nicht gut geht. Hier leben die Leute mit sehr viel weniger Geld und klagen nie. Sie lächeln immer, sind immer froh."

    Immer mehr Franzosen entdecken den Charme des afrikanischen Lebens. Seit 2004 zählt die französische Botschaft in Dakar einen Anstieg ihrer Bürger, ihre Zahl wird derzeit auf fast 27 000 geschätzt, 17 Prozent davon sind im Rentenalter. Zwar leben nicht alle im Überfluss, doch vergleichsweise ganz gut. Selbst Jean-Pierre, der nach seiner 17jährigen Zugehörigkeit zur französischen Armee nun eine Pension von knapp 800 Euro im Monat erhält kann nicht klagen.

    "Mit sieben, acht Hundert Euro lebt man in Frankreich fast an der Armutsgrenze, hier entspricht das in etwa 500 000 CFA-Francs, mindestens fünf mal soviel wie das durchschnittliche Gehalt eines Senegalesen. Ich passe mich dem hiesigen Leben an, esse zum Beispiel mittags wie die Leute hier. Ich lasse mir mein Fischgericht nach Hause liefern, das kostet mich im Monat 15 Euro. Wenn ich auch abends essen will, macht das im Monat 30 Euro. So kann ich es mir am Wochenende leisten, ins Restaurant zu gehen."

    Amadou, dem 40-jährigen Senegalesen, geht es nicht so gut wie dem französischen Rentner. Er arbeitet für rund 90 Euro im Monat als Wärter und Gärtner in einer der so genannten Residenzen. Wenn Touristen da sind, säubert er auch den Strand und wacht darüber, dass die Gäste nicht von einheimischen Händlern belästigt werden. Amadou stammt aus Kaolack im Senegalesischen Hinterland. Er ist ohne seine Familie nach Saly gekommen. Sein Chef hat ihm ein 7 Quadratmeter großes Zimmer zur Verfügung gestellt, von wo aus er die Anlage rund um die Uhr überwachen kann. Bevor Amadou hier her kam, hatte er sein Glück bereits in der Elfenbeinküste versucht.

    "Dass Franzosen sich hier niederlassen, passt uns gut. Sie haben Projekte, eröffnen Hotels, in denen die Senegalesen Arbeit finden, das ist gut! Ich habe hier Arbeit, weil ein Franzose da ist. Die Senegalesen gehen in Pirogen nach Europa, und die Europäer kommen hierher. Für sie ist es einfach, hierher zu kommen, aber für uns Senegalesen ist es nicht leicht, nach Europa zu gehen. Viele fahren in Pirogen übers Meer, weil sie keine andere Wahl haben und nicht einfach ein Flugzeug nehmen können."

    Saly ist der einzige Badeort Westafrikas, ein Touristenparadies an der "Petite Côte", der so genannten Kleinen Küste, rund 80 Kilometer von der Hauptstadt Dakar entfernt. Hotels, Kokospalmen und lange Sandstrände bilden die Kulisse für die überwiegend französischen Gäste. Ein harter Kontrast zum Leben der meisten Senegalesen, die hier für durchschnittlich 75 Euro im Monat arbeiten. Wenn sie überhaupt Arbeit haben. Viele finden nur als Fischer ein karges Auskommen. Doch es gibt immer weniger Fische, denn europäische Fangflotten fischen die Gewässer leer.

    Noch Mitte der 80er Jahre war Saly ein kleines afrikanisches Fischerdorf. Als Tourismuszentrum zählt der Ort heute rund 20.000 Einwohner, darunter mindestens 3000 Europäer, die ständig hier leben. Das eigentliche Dorf verteilt sich auf drei Viertel zwischen den zahlreichen Hotels und Residenzen. Moschee und Markthalle sind die wichtigsten Gebäude. Zwischen den kaderförmigen Betonbauten, in denen die Menschen wohnen, hängen Frauen Wäsche auf. Ziegen ziehen durch nicht befestigte Straßen. Hier herrscht der Dorfchef über die Gemeinde. Er spricht kein Französisch. An seiner Stelle erklärt der 24-jährige Chella:

    "Wir Dorfbewohner dürfen manchmal nicht mal an den Strand, es heißt, wir dürfen da nicht herumlaufen, dort nicht baden. Das tut uns sehr weh. Sie sagen, es sei ein Privatstrand der Residenzen. Wir können uns nicht mehr wie früher am Strand vergnügen. Einige junge Leute haben Arbeit gefunden, aber nicht viele. Nicht genug. Ich möchte, dass die Jugend aus dem Dorf Arbeit hat und nicht in den Straßen herumlungert."

    In der Marktstraße reihen sich afrikanischen Boutiquen, Kneipen und kleine Restaurants aneinander. Die paar Touristen, die sich aus den Hotels hierher wagen, werden sofort in Gespräche verwickelt. Bab Cissé verkauft Souvenirs, Stoffe und Trommeln. Er spricht ein bisschen deutsch, weil er schon im deutschen Club in der Nähe gearbeitet hat.

    "Wir machen halbe Preis als Hotel. Wenn Hotel ein Coca Cola für einen Euro verkauft, dann kostet draußen halbe Euro. Und wenn Hotel verkauft eine Schachtel Zigarette vier Euro, kostet draußen ein Euro, und von eine Euro verdienen wir auch etwas. "

    Marco, ein junger Mann um die 30, ist weniger zufrieden mit seiner Situation:

    "Früher hatten wir Fischfang und Landwirtschaft, aber es gibt immer weniger Fische, und mit der Landwirtschaft ist auch nicht viel zu verdienen. Der Tourismus ist daher ein notwendiges Übel für alle Senegalesen. 45 Prozent der französischen Einwohner des Ortes mögen wir nicht, weil sie uns nur Schlechtes bringen. Alles was wir machten, machen heute Franzosen an unserer Stelle. Die Geschäfte im Einkaufszentrum gehören Franzosen. Sie vermieten Quads, sie organisieren Ausflüge. Die Franzosen vermieten sogar Fahrräder, Pirogen, vermitteln Jagdausflüge, sie machen alles. Für uns ist nichts übrig geblieben."

    Im Land der sprichwörtlichen "Teranga", der Gastfreundschaft, wurden die Toubab, wie die Weißen genannt werden, bisher noch freundlich aufgenommen. Doch antifranzösische Ressentiments wachsen. Amagore hat mehrere Jahre in Frankreich gelebt und wollte die französische Staatsbürgerschaft annehmen. Doch die hat man ihm verweigert:.

    "Wenn ich sehe, wie einfach es Franzosen in Senegal hat, dann finde ich das ist zum Kotzen. Wie kann es sein, dass uns das Visum verweigert wird, wenn wir zu ihnen wollen, sie hingegen können kommen, wann immer sie wollen, selbst mit einem einfachen Ausweis. Zum Glück sind wir Senegalesen gläubig, ob wir Muslime oder Christen sind. Deshalb werden wir nicht gewalttätig."