Christoph Schmitz: Wohlwollende Bücher über Politiker, Auftragsbiografien über die privaten Seiten und das öffentliche Wirken, über Ansichten und Überzeugungen haben in der Buchbranche einen festen Platz, nicht erst seit Christian Wulff. Politiker aller Parteien adeln sich gerne mit dem Kulturgut Buch. Wie sieht das Geschäft in diesem Verlagssegment eigentlich aus?
Darüber habe ich mit dem langjährigen verlegerische Geschäftsführer der Verlage Suhrkamp und Insel gesprochen, Günter Berg. Heute ist Günter Berg Geschäftsführer des Hoffmann und Campe-Verlags in Hamburg, der auch zahlreiche politische Biografien herausgibt. Stellen Sie fest, dass Politiker gerne und vermehrt Bücher über sich selbst schreiben lassen, habe ich Günter Berg zuerst gefragt?
Günter Berg: Politiker haben immer dafür gesorgt, dass ihre Ansichten oder das, was sie für ihre Ansichten halten, in Buchform publiziert wird. Attraktiv sind solche Bücher in aller Regel nicht, weil sie einen ganz bestimmten Zweck haben, nämlich zu resümieren, was vier Jahre Ministeramt wert gewesen sind, zu resümieren, was acht Jahre Kanzlerschaft wert gewesen sind, also in gewisser Hinsicht die Deutungshoheit zu behalten oder zu erlangen über das, was man politisch geleistet hat.
Schmitz: Das sind aber dann Autobiografien oder Auftragsarbeiten?
Berg: Mit Auftragsarbeiten, muss ich gestehen, kenne ich mich so gut nicht aus. Wir haben einige Bücher bei Hoffmann und Campe veröffentlicht, die tatsächlich selbst geschrieben wurden von den Autoren, oder maßgeblich selbst geschrieben wurden. Politiker sind nicht automatisch sehr gute Autoren, sodass das, was aufgeschrieben wird, was aus der Feder zum Beispiel von Gerhard Schröder kommt, von uns bearbeitet wird, lektoriert wird. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Dennoch: Solche Bücher sind für uns, für einen Publikumsverlag vor allem dann interessant, wenn die Autoren, wenn die Politiker sie selbst schreiben.
Schmitz: Wer zahlt denn dann das Autorenhonorar, wenn es eine Auftragsarbeit sein sollte? Der Verlag, oder sind das dann andere, die diese Titel in der Regel sponsern, wenn Sie mal von Ihrem Verlag jetzt absehen, Hoffmann und Campe?
Berg: Ich kann nicht erkennen, dass irgendwer ein Interesse daran hätte, so etwas zu sponsern. Der Fall Wulff – und da möchte ich doch kurz drauf eingehen – ist tatsächlich ein Ausnahmefall. Diese Gemengelage da in Hannover, das Interesse eines niedersächsischen Unternehmers, die Ansichten des Landesvaters, sagen wir, populär erscheinen zu lassen, das ist wirklich eine Ausnahme. Das ist überhaupt nicht die Regel. Normalerweise ist es so, dass die Parteien einige dieser Bücher abnehmen, weil sie natürlich ihrem prominenten Parteigenossen was Gutes tun wollen. Die Bücher sind – und das ist leicht überprüfbar – auf dem Markt meistens nicht besonders attraktiv.
Die Ausnahmen sind tatsächlich Bücher, beispielsweise die mehrbändige Autobiografie (noch nicht abgeschlossen) von Kohl, das Buch von Gerhard Schröder, dann natürlich, bei uns erschienen im letzten Jahr, das Buch von Peer Steinbrück, "Unterm Strich". Das sind Bücher, die sich dann ganz schnell weit über 100.000mal verkaufen und damit auch ökonomisch für den Verlag nicht unwichtig sind.
Schmitz: Reden wir mal von Biografien, also nicht Autobiografien, sondern Biografien, und seriöse Biografien sind natürlich die eines unabhängigen kritischen Fachautors, wahrscheinlich eines Politologen, wenn es um Politiker geht, der ein sachkundiges und hintergründiges Porträt zeichnet, der aber dann auch vom Verlag bezahlt wird.
Berg: Völlig richtig. Wenn ich zum Beispiel mir überlegen würde, ich hätte gerne zum 100. Geburtstag von Franz-Josef Strauß ein neues Buch – hätte ich tatsächlich gerne -, dann würde ich einen Autor suchen, von dem ich glaube, dass er in der Lage ist, eine solch historische Persönlichkeit so erscheinen zu lassen, dass neben den biografischen Details, die man meistens googeln kann, auch eine Einordnung vorgenommen wird. Aber dann suche ich einen Autor, den ich bezahle, ganz klar.
Schmitz: Was sagen Sie dazu, wenn eine Politikerbiografie von Freunden des Porträtierten finanziell unterstützt wird?
Berg: Wie soll ich sagen? – Das kann ganz schnell ein Geschmäckle haben, wie man so sagt, weil man möglicherweise denkt, dass der Text, den man da liest, vielleicht doch an mehreren Stellen geschönt ist, oder Dinge auslässt, auf die man im Grunde hingewiesen werden sollte. Das würden wir nicht machen.
Der Fall Wulff war einer, wo Freunde oder, sagen wir, dem Gesprächspartner eines Journalisten, Herrn Müller-Vogg, nahestehende Leute ein paar Anzeigen in niedersächsischen Zeitungen finanziert haben. Das ist an der Grenze, das muss man so nicht machen, aber jedenfalls für ein Buch, das den Anspruch erhebt, nun vollkommen unabhängig und objektiv zu sein, ist diese Art von Unterstützung, sagen wir, nicht wirklich geeignet.
Schmitz: Wird denn eigentlich die seriöse Biografie, die ich vorhin skizziert habe, von jenen weich gezeichneten Auftragsarbeiten heute auf dem Markt überlagert, weil es unendlich viele Autobiografien oder Interviewbiografien gibt?
Berg: Ich denke, wenn sie Biografien von weniger prominenten Persönlichkeiten anschauen, dann ist häufig der Porträtierte sein engster Freund. Das heißt, viele Verlage machen das Geschäft ja mit dem Porträtierten und gar nicht mit irgendwelchen Gönnern. Das ist im Fall Wulff ja vollkommen ausgeschlossen gewesen. Wir haben ja Herrn Müller-Vogg, also diesen Journalisten, beauftragt, dieses Gespräch zu führen. Es war das dritte von mehreren Büchern einer ganzen Serie, Frau Merkel, Herr Köhler, und alle waren gleich gestrickt. Wir haben den Journalisten beauftragt. Hier war der Unterschied, dass auf einmal jemand sagt, ja Mensch, diesem Buch möchte ich unter die Arme greifen. Das ist, ich glaube, in aller Regel nicht so. Es gibt eine ganze Menge Unternehmer, die ein Interesse daran haben, dass ihr Unternehmen porträtiert wird, Unternehmer, die ein Interesse haben, selbst porträtiert zu werden. Mit all diesen Dingen, muss ich gestehen, haben wir sehr, sehr wenig zu tun. Es kann sein, dass jemand zu uns kommt und sagt, Mensch, mein Unternehmen wird 175 Jahre, wie die Reederei Rickmers in der fünften Generation, ihr wisst doch, wie man schöne Bücher macht, wollt ihr uns nicht helfen. Da kann ich sagen, natürlich wollen wir euch helfen, das ist eine tolle Geschichte hier in Norddeutschland, und dass da der Auftraggeber behilflich ist, ein im Grunde exorbitant teures Projekt zu unterstützen, das ist vollkommen klar. Aber das ist in dem Buch auch ausgewiesen.
Schmitz: Der Hoffmann und Campe-Verleger Günter Berg über das Geschäft mit der politischen Biografie.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Darüber habe ich mit dem langjährigen verlegerische Geschäftsführer der Verlage Suhrkamp und Insel gesprochen, Günter Berg. Heute ist Günter Berg Geschäftsführer des Hoffmann und Campe-Verlags in Hamburg, der auch zahlreiche politische Biografien herausgibt. Stellen Sie fest, dass Politiker gerne und vermehrt Bücher über sich selbst schreiben lassen, habe ich Günter Berg zuerst gefragt?
Günter Berg: Politiker haben immer dafür gesorgt, dass ihre Ansichten oder das, was sie für ihre Ansichten halten, in Buchform publiziert wird. Attraktiv sind solche Bücher in aller Regel nicht, weil sie einen ganz bestimmten Zweck haben, nämlich zu resümieren, was vier Jahre Ministeramt wert gewesen sind, zu resümieren, was acht Jahre Kanzlerschaft wert gewesen sind, also in gewisser Hinsicht die Deutungshoheit zu behalten oder zu erlangen über das, was man politisch geleistet hat.
Schmitz: Das sind aber dann Autobiografien oder Auftragsarbeiten?
Berg: Mit Auftragsarbeiten, muss ich gestehen, kenne ich mich so gut nicht aus. Wir haben einige Bücher bei Hoffmann und Campe veröffentlicht, die tatsächlich selbst geschrieben wurden von den Autoren, oder maßgeblich selbst geschrieben wurden. Politiker sind nicht automatisch sehr gute Autoren, sodass das, was aufgeschrieben wird, was aus der Feder zum Beispiel von Gerhard Schröder kommt, von uns bearbeitet wird, lektoriert wird. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Dennoch: Solche Bücher sind für uns, für einen Publikumsverlag vor allem dann interessant, wenn die Autoren, wenn die Politiker sie selbst schreiben.
Schmitz: Wer zahlt denn dann das Autorenhonorar, wenn es eine Auftragsarbeit sein sollte? Der Verlag, oder sind das dann andere, die diese Titel in der Regel sponsern, wenn Sie mal von Ihrem Verlag jetzt absehen, Hoffmann und Campe?
Berg: Ich kann nicht erkennen, dass irgendwer ein Interesse daran hätte, so etwas zu sponsern. Der Fall Wulff – und da möchte ich doch kurz drauf eingehen – ist tatsächlich ein Ausnahmefall. Diese Gemengelage da in Hannover, das Interesse eines niedersächsischen Unternehmers, die Ansichten des Landesvaters, sagen wir, populär erscheinen zu lassen, das ist wirklich eine Ausnahme. Das ist überhaupt nicht die Regel. Normalerweise ist es so, dass die Parteien einige dieser Bücher abnehmen, weil sie natürlich ihrem prominenten Parteigenossen was Gutes tun wollen. Die Bücher sind – und das ist leicht überprüfbar – auf dem Markt meistens nicht besonders attraktiv.
Die Ausnahmen sind tatsächlich Bücher, beispielsweise die mehrbändige Autobiografie (noch nicht abgeschlossen) von Kohl, das Buch von Gerhard Schröder, dann natürlich, bei uns erschienen im letzten Jahr, das Buch von Peer Steinbrück, "Unterm Strich". Das sind Bücher, die sich dann ganz schnell weit über 100.000mal verkaufen und damit auch ökonomisch für den Verlag nicht unwichtig sind.
Schmitz: Reden wir mal von Biografien, also nicht Autobiografien, sondern Biografien, und seriöse Biografien sind natürlich die eines unabhängigen kritischen Fachautors, wahrscheinlich eines Politologen, wenn es um Politiker geht, der ein sachkundiges und hintergründiges Porträt zeichnet, der aber dann auch vom Verlag bezahlt wird.
Berg: Völlig richtig. Wenn ich zum Beispiel mir überlegen würde, ich hätte gerne zum 100. Geburtstag von Franz-Josef Strauß ein neues Buch – hätte ich tatsächlich gerne -, dann würde ich einen Autor suchen, von dem ich glaube, dass er in der Lage ist, eine solch historische Persönlichkeit so erscheinen zu lassen, dass neben den biografischen Details, die man meistens googeln kann, auch eine Einordnung vorgenommen wird. Aber dann suche ich einen Autor, den ich bezahle, ganz klar.
Schmitz: Was sagen Sie dazu, wenn eine Politikerbiografie von Freunden des Porträtierten finanziell unterstützt wird?
Berg: Wie soll ich sagen? – Das kann ganz schnell ein Geschmäckle haben, wie man so sagt, weil man möglicherweise denkt, dass der Text, den man da liest, vielleicht doch an mehreren Stellen geschönt ist, oder Dinge auslässt, auf die man im Grunde hingewiesen werden sollte. Das würden wir nicht machen.
Der Fall Wulff war einer, wo Freunde oder, sagen wir, dem Gesprächspartner eines Journalisten, Herrn Müller-Vogg, nahestehende Leute ein paar Anzeigen in niedersächsischen Zeitungen finanziert haben. Das ist an der Grenze, das muss man so nicht machen, aber jedenfalls für ein Buch, das den Anspruch erhebt, nun vollkommen unabhängig und objektiv zu sein, ist diese Art von Unterstützung, sagen wir, nicht wirklich geeignet.
Schmitz: Wird denn eigentlich die seriöse Biografie, die ich vorhin skizziert habe, von jenen weich gezeichneten Auftragsarbeiten heute auf dem Markt überlagert, weil es unendlich viele Autobiografien oder Interviewbiografien gibt?
Berg: Ich denke, wenn sie Biografien von weniger prominenten Persönlichkeiten anschauen, dann ist häufig der Porträtierte sein engster Freund. Das heißt, viele Verlage machen das Geschäft ja mit dem Porträtierten und gar nicht mit irgendwelchen Gönnern. Das ist im Fall Wulff ja vollkommen ausgeschlossen gewesen. Wir haben ja Herrn Müller-Vogg, also diesen Journalisten, beauftragt, dieses Gespräch zu führen. Es war das dritte von mehreren Büchern einer ganzen Serie, Frau Merkel, Herr Köhler, und alle waren gleich gestrickt. Wir haben den Journalisten beauftragt. Hier war der Unterschied, dass auf einmal jemand sagt, ja Mensch, diesem Buch möchte ich unter die Arme greifen. Das ist, ich glaube, in aller Regel nicht so. Es gibt eine ganze Menge Unternehmer, die ein Interesse daran haben, dass ihr Unternehmen porträtiert wird, Unternehmer, die ein Interesse haben, selbst porträtiert zu werden. Mit all diesen Dingen, muss ich gestehen, haben wir sehr, sehr wenig zu tun. Es kann sein, dass jemand zu uns kommt und sagt, Mensch, mein Unternehmen wird 175 Jahre, wie die Reederei Rickmers in der fünften Generation, ihr wisst doch, wie man schöne Bücher macht, wollt ihr uns nicht helfen. Da kann ich sagen, natürlich wollen wir euch helfen, das ist eine tolle Geschichte hier in Norddeutschland, und dass da der Auftraggeber behilflich ist, ein im Grunde exorbitant teures Projekt zu unterstützen, das ist vollkommen klar. Aber das ist in dem Buch auch ausgewiesen.
Schmitz: Der Hoffmann und Campe-Verleger Günter Berg über das Geschäft mit der politischen Biografie.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.