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Leben zwischen zwei Welten

Drei Jungs spielen Fußball in einem finsteren Innenhof, nebenan fummelt einer mit Rasta-Locken an seinem alten Golf herum und hört dabei Musik. Müll stinkt in den Durchgängen, zwei Sozialarbeiter mit dicken Aktenordnern klingeln sich von Haustür zu Haustür, sie erarbeiten wahrscheinlich wieder einmal irgendeine Statistik. Trostloser geht es nicht, obwohl das Sozialviertel ausgerechnet "Bela Vista", also "Schöne Aussicht" heißt.

Von Jochen Faget | 25.06.2004
    Irgendwann in den 70er Jahren wurden die grau-gelben Betonblocks hochgezogen; ohne Grünflächen, dafür aber mit Außenkorridoren wie im Gefängnis. Die Gitter an den Fenstern in den Erdgeschossen haben die Bewohner später selbst angebracht – aus Angst vor Einbrüchen, obwohl es in Bela Vista recht wenig zu stehlen gibt. Einst an der Peripherie der Industrie- und Hafenstadt Setúbal gebaut, liegt das Viertel inzwischen fast mitten im Ort. Eine Insel ist es trotzdem geblieben, ein Ghetto, in dem vor allem Afrikaner aus Portugals Ex-Kolonie Cabo Verde leben. Abgeschoben, ausgeschlossen und vergessen.

    Südlich des Viertels weitet sich der Sado-Fluss zu seinem Mündungsbecken, liegen die endlos erscheinenden Sandstrände der Atlantikküste und das beliebte Ferienzentrum Troia in der Sonne – Orte, an die die Bewohner von Bela Vista selten kommen. Felismina Mendes beschreibt das Leben ohne Zukunftsperspektiven im Sozialslum:

    Zumindest haben wir wirklich eine schöne Aussicht. Auch wenn sonst nichts diesem Namen Ehre macht. Hier wurde nie etwas getan und Sozialviertel wie dieses sind grundsätzlich ein Problem. Die Menschen leben schon zu lange in diesem Elend. Sie finden sich damit ab und resignieren. Die Leute sagen sich, wir können sowieso nichts machen und kämpfen auch nicht mehr um ein menschenwürdiges Leben.

    Felismina Mendes" rehbraune, große Augen glänzen, lächelnd sitzt sie an ihrem Schreibtisch in der Associação Caboverdiana, des Kapverdierverbandes von Setúbal. Trotz jahrelanger, freiwilliger Sozialarbeit im Elend ist sie nicht verbittert. Die energiegeladene Frau um die vierzig, auch sie kommt von den Kapverdischen Inseln, will sich mit dem Teufelskreis der Hoffnungslosigkeit nicht abfinden.

    Wir wollen den Leuten hier Selbstachtung geben. Nur weil sie in einem Sozialviertel leben, müssen sie sich nicht minderwertig fühlen und ausgeschlossen. Wir versuchen, ihnen zu zeigen, dass sie die gleichen Rechte haben, wie alle anderen. Wir bemühen uns darum, dass auch die, die ausserhalb der Ghettos leben, verstehen, dass alle gleiche Chancen haben müssen und wir versuchen, die Ghettobewohner dazu zu bringen, für bessere Lebensqualität und die Erfüllung der Träume ihres Lebens zu kämpfen.

    Träume, die selten wahr werden. "Wer hat dir den weiten Weg in die Emigration gezeigt", fragt die kapverdische Sängerin Cesária Évora und beschreibt das Schicksal der Bewohner dieser Inselgruppe vor der Küste Westafrikas. Wegen des heißen Wüstenklimas mussten die schon immer ihre Heimat verlassen, um zu überleben. Mehr als 200.000 Kapverdier leben legal oder illegal in Portugal.

    Die Kapverden waren, als die Portugiesen sie im 15. Jahrhundert entdeckten, höchstwahrscheinlich unbewohnt. Sie wurden von den weißen Herren mit Menschen vom afrikanischen Festland besiedelt. Wegen ihrer damals strategisch wichtigen Lage entwickelten die Inseln sich schnell zu einem Umschlagplatz – sowohl für Güter als auch für Sklaven. Das portugiesische Imperium umspannte damals weite Teile Afrikas und Asiens und noch Mitte des 20. Jahrhunderts waren unter anderem Goa, Mozambique, Angola, Guinea-Bissau und die Kapverdischen Inseln portugiesische Kolonien.

    Um diese "Überseeprovinzen", wie es im offiziellen Sprachgebrauch der Salazar-Diktatur hieß, unter Kontrolle zu halten, musste das kleine Portugal einen langen und blutigen Kolonialkrieg führen, den erst die Nelkenrevolution vom 25. April 1974 beendete. Da die meisten arbeitsfähigen Männer Portugals entweder in diesem Kolonialkrieg kämpften oder sich als Gastarbeiter in Westeuropa verdingten, brauchte Portugal billige Arbeitskräfte. Und die holte es sich seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verstärkt von den Kapverdischen Inseln.

    Trotz der Unabhängigkeit Cabo Verdes 1975 trieben Hunger und bittere Armut die Bewohner der hoffnungslos unterentwickelten Inseln weiter ins Ausland, die ehemalige Kolonialmacht Portugal wurde eines der bevorzugten Ziele kapverdischer Gastarbeiter. Während des Wirtschaftsbooms nach Portugals EU-Beitritt kam es zu einer neuen Einwanderungswelle. Wieder arbeiteten die Kapverdier auf Portugals Grossbaustellen, die diesmal die Europäische Union bezahlte: Sie teerten die neuen Autobahnen, errichteten das postmoderne EXPO-98-Gelände in Lissabon und auch die neuen Stadtteile von Setúbal. Als Menschen jedoch wurden sie in die Slums am Rande der Städte abgedrängt.

    Bela Vista ist eine dieser Müllhalden für Menschen: Kerzengerade aufgereiht stehen die städtischen Mietskasernen, Beton statt Bäume, mögen sich die Architekten gesagt haben, denn in dem Viertel gibt es Grün bestenfalls in Grafitties an den Häuserwänden. Schnurgerade Strassen und Wege trennen die Wohnblocks, irgendwie erinnert alles an ein Straflager. Läden sind Fehlanzeige, wer hier wohnt, hat sowieso kein Geld. Ausgeschlachtete Autowracks stehen am Straßenrand, nicht wenige davon dürften gestohlen sein. Daneben rauchen junge arbeitslose Afrikaner einen Joint. Sie blicken misstrauisch, Fremde sind hier nicht gern gesehen. Das Viertel der Schönen Aussicht ist einer der schlimmsten sozialen Brennpunkte Portugals.

    Und das Ende des Traums vom besseren Leben für viele Kapverdier. Statt des erhofften Wohlstandes fanden sie schlechte, unterbezahlte Arbeit, leben seit Jahrzehnten in größter Armut. Inzwischen ist in Bela Vista schon eine zweite, sogar dritte Generation Afrikaner herangewachsen, die noch immer keinen Anteil am – wenn auch bescheidenen – Reichtum Portugals hat. Das schafft noch mehr Probleme, stellt Felismina Mendes fest:

    Diese Jugendlichen sind ein schwieriger Fall. Ich sage immer, die sind verloren zwischen zwei Grenzen. Einerseits akzeptiert sie die Gesellschaft nicht als Portugiesen, welche sie eigentlich sind. Andererseits haben sie aber auch keine Verbindung zu dem Herkunftsland ihrer Eltern. Sie fühlen sich also nicht als Kapverdier und sind auch keine Portugiesen. Das führt zur Revolte, verursacht einen inneren Konflikt, der nur schwer zu lösen ist.

    Viele der Jugendlichen schließen sich daher ab, berichtet Felismina Mendes. Sie ziehen sich in ihre Welt zurück, mit eigener Musik und eigener Sprache – Kreolisch, einer Mischung aus Portugiesisch und afrikanischen Sprachen, das auch ihre Eltern sprechen. Statt Integration kommt es zur Isolation; ein programmierter Konflikt, der – und das ist neu in Portugal – seit einigen Jahren auch mit ständig wachsender Gewaltbereitschaft ausgetragen wird: Immer wieder berichten die Medien über Gangs, die Vorortzüge demolieren oder sich mit Skinhead-Gruppen prügeln. Die Polizei greift in solchen Fällen besonders hart durch; im vergangenen Jahr erschoss ein Polizist im Viertel Bela Vista einen kapverdischen Jugendlichen bei einer Schlägerei. Drogenprobleme gehören zum Alltag in den Afrikanerslums, damit auch Kleinkriminalität und Überfälle. Es ist nicht leicht, zwischen zwei Welten und immer nur auf der Schattenseite zu leben. Darum will der Kapverdierverein von Setúbal vor allem diesen Jugendlichen helfen.

    Neben einer kleinen Leihbücherei hat der Verein einen Computerraum eingerichtet. Dort lernen die Kids spielend, mit moderner Technologie umzugehen. Gleichzeitig wird Hilfe bei den Hausaufgaben und vor allem Portugiesischunterricht angeboten. Damit die Kinder wenigstens einen Schulabschluss schaffen, bemerkt Dulcilena da Veiga Monteiro, eine der Betreuerinnen:

    Wenn diese Kinder in die Grundschule kommen, haben sie zum ersten Mal Kontakt mit der portugiesischen Sprache. Da müssen sie zum ersten Mal richtig Portugiesisch sprechen. Im Viertel ist das anders, da sprechen sie Kreolisch, die Sprache ihrer Eltern und Freunde. Eigentlich bräuchten sie besonderen Unterricht in der Schule, Portugiesisch zu lernen dauert seine Zeit.

    Nur gibt es keine Sonderförderung, das portugiesische Schulsystem ignoriert ganz einfach die Probleme der afrikanischstämmigen Kinder: Da im Elternhaus nur Kreolisch gesprochen wird, können viele dem Unterricht kaum folgen. Die Lehrer, die auf diese Situation nicht vorbereitet sind, meinen, die Kinder wollen nicht lernen oder lassen sie als Unruhestifter links liegen. Die Folge: Noch mehr dieser Kinder erreichen bereits in der Grundschule das Klassenziel nicht, gehen frustriert ohne Abschluss ab oder verlassen die Schule sogar vor dem Ende der offiziellen Schulpflicht. Ein Teufelskreis, betont die Betreuerin Dulcilena:

    Ich sage den Kindern immer, wenn sie nicht lernen, werden sie auf dem Bau enden. Das ist die klassische Laufbahn: Zuerst Hilfs-, dann Bauarbeiter. Das ist schon so in ihren Köpfen drin: Ich werde auf dem Bau enden. Und es ist auch eine Erwartungshaltung der Gesellschaft. Die Kinder wissen, dass Bauarbeiter werden ihr Schicksal ist, und können auch nicht weiter denken. Das beunruhigt mich.

    Das Desinteresse der Gesellschaft und der Politik beunruhigt nicht nur die Betreuerin. Fernando Ká, ein afrikanischstämmiger Bürgerrechtler, der noch während der Kolonialzeit aus Guinea-Bissau nach Portugal gekommen ist, bringt die Sache auf den Punkt:

    Als portugiesischer Staatsbürger muss ich sagen, dass wir da eine moralische Verantwortung haben. Portugal ist ein Land mit starker Auswanderertradition in der Vergangenheit, jetzt müssen wir uns auch als Einwanderungsland sehen. Aber das haben wir nie getan, es gibt nicht einmal eine Einwanderungspolitik. Die Imigrationsfrage muss auch eine humane Komponente haben, gerade Portugal mit seiner Tradition als Auswanderungsland müsste das besser begreifen als andere Länder.

    Gerade das geschieht jedoch nicht. Eher das Gegenteil: Ganz im Sinne der "Festung Europa" hat das EU-Land Portugal seine Einwanderungsgesetze verschärft, seinen ehemaligen Afrikakolonien und den Bürgern, die aus ihnen gekommen sind, den Rücken zugekehrt. Die Zahl der Illegalen nimmt eher zu, als zu sinken, es wird immer schwerer, eine Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis in Portugal zu bekommen. Dabei habe doch dieses Land eine historische Verpflichtung den Afrikanern gegenüber, betont Fernando Ká:

    Die Schwarzen sind doch nicht erst seit der Unabhängigkeit der Kolonien, also seit 30 Jahren in Portugal, sondern schon seit dem 15. Jahrhundert! Wir haben die historischen Monumente hier errichtet. Wir haben zur Landesentwicklung beigetragen, Strassen gebaut, die Landwirtschaft verbessert. Im Zeitalter der Entdeckungen, selbst als die Pest hier wütete, wurden wir als Sklaven hierher gebracht. Wir haben etwas geleistet in diesem Land! Da will ich doch nicht, wie es gegenwärtig geschieht, wegen meiner Hautfarbe diskriminiert werden.

    Fernando Ká weiss, wovon er spricht: Seit vielen Jahren leitet er den Verband der Guineenser in Portugal, eine Organisation, die Bürger aus der Ex-Kolonie Guinea-Bissau vertritt. Knapp 3000 aktive Mitglieder hat der Verein, der sich vor allem um soziale Integration bemüht. Denn um die ist es auch im Fall der Einwanderer aus Guinea-Bissau schlecht bestellt. Ebenso wie die Kapverdier sind die Guineenser vor allem aus wirtschaftlichen Gründen nach Portugal gekommen, alles in allem rund 25.000 Menschen. Hinzu kommen noch etwa 30.000 Angolaner und Mozambikaner sowie 8000 Bürger der Mini-Inselrepublik São Tomé e Príncipe. Trotzdem haben die Afrikaner am gesellschaftlichen Leben so gut wie keinen Anteil, kritisiert der Bürgerrechtler Fernando Ká:

    Wir haben keinen Abgeordneten im Parlament, nicht einmal einen Stadtverordneten! Es gibt keine schwarzen Staatssekretäre in den Büros der Regierung, obwohl wir so viele sind. In dieser Hinsicht gibt es in Portugal eine Art institutionellen Rassismus, der viel gefährlicher als einfacher Rassismus ist. Mich stört zwar nicht, wenn die Leute mich nicht mögen. Aber es stört mich, wenn ich mich nicht frei entfalten kann.

    Ausgerechnet Portugals "brandes costumes", die sanften Sitten, auf die das Land so stolz ist, seien daran schuld - davon ist der Bürgerrechtler überzeugt. Denn die hätten zu einer Art paternalistischem Rassismus geführt, der sich zwar nicht oft in Gewalttätigkeit entlädt, dafür aber um so schwerer zu bekämpfen sei. Und die Afrikaner, selbst wenn viele von ihnen inzwischen portugiesische Staatsbürger sind, haben noch immer keine Lobby, die sie wirkungsvoll vertritt. Kein Wunder, dass viele sich als Menschen zweiter Klasse und diskriminiert fühlen. Auch die Betreuerin Dulcilena vom Verein der Kapverdier in Setúbal:

    Ich habe das am eigenen Leib erfahren. Ich habe schon viel gemacht in meinem Leben, war schon ein Jahr an der Uni, musste aber aufgeben. Weil der Staat mir nicht geholfen, mir kein Stipendium gegeben hat. Die haben mir sogar einen Brief nach Hause geschickt, in dem stand, weil ich in einem Sozialviertel lebe, gehe es mir schon besser als vielen anderen. Welche Logik! Gerade weil ich hier lebe und keine Miete bezahlen kann, brauche ich doch Unterstützung! Ich habe das selbst erlebt, habe ein Jahr verloren, das ich nie wieder aufholen werde, weil ich an die Uni wollte und jetzt sitze ich hier.

    Keine 500 Meter von Dulcilenas Arbeitsplatz entfernt: eine andere Welt. Am Rande eines kleinen Wäldchens entstehen in einem Neubauviertel schmucke Reihenhäuser für die portugiesische Mittelschicht. Gebaut werden sie vor allem von Kapverdiern. Einer von ihnen heisst Manuel Gomes. Als er acht war, sind seine Eltern mit ihm von den Kapverdischen Inseln ausgewandert, zuerst ins afrikanische São Tomé e Principe, dann nach Portugal. Jetzt ist Manuel Mitte 30, verheiratet, hat drei Kinder und verdient knapp 500 Euro als Hilfsarbeiter. Auch sein Traum vom besseren Leben in Portugal ist längst ausgeträumt:

    Wie soll ich denn Geld sparen können, das geht doch nicht. Um etwas zur Seite zu legen, müssten wir den Gürtel noch enger schnallen. Das Leben hier in Portugal ist sehr teuer, das Essen ist teuer, alles ist teuer. Die Wohnung ist teuer, selbst wenn man wie ich in einer illegalen Barracke wohnt. Ich muss das Wasser bezahlen und den Strom, die Kanalisation. Dafür geht alles drauf, was ich verdiene.

    Schon Manuels Vater war Bauarbeiter. Das Geld in der Familie war knapp, die Mutter arbeitete als Putzfrau. Sohn Manuel musste, als er zwölf Jahre alt war, die Schule verlassen und dem Vater helfen. Der ist jetzt über 70, bekommt 150 Euro Sozialrente und lebt in einem Slum am anderen Ende von Setúbal bei seinem Sohn. Doch der Bauarbeiter hat seine Lektion gelernt: Manuels Kinder gehen wenigstens zur Schule. Sie sollen Abitur machen, es einmal besser haben als die Eltern, meint der besorgte Vater. Er selbst will am liebsten auf die Kapverden zurück – wenn er nur könnte:

    Ich habe Gottvertrauen, dass ich eines Tages in mein Heimatland zurückkehre. Eines Tages wird es soweit sein, so Gott will. Aber dafür brauche ich etwas, um überleben zu können. Wenn ich jetzt zurückginge, hätte ich nichts. Und Cabo Verde ist ein armes Land...

    Der lange Weg in die Emigration, den die Kapverdierin Cesária Évora so traurig beschreibt, irgendwie scheint er eine Einbahnstrasse zu sein: Auch der Vater des Bauarbeiters Manuel wollte in die Heimat zurück. Und auch Manuel wird wohl bis an sein Lebensende in Portugal bleiben. Seine Kinder sowieso, die kennen die Kapverdischen Inseln nur noch aus den Erzählungen der Großeltern. Ob es ihnen jedoch gelingen wird, sich in die portugiesische Gesellschaft zu integrieren, oder ob auch sie später zwischen zwei Welten leben werden, ist eine andere Frage.

    Im Sozialviertel Bela Vista geht derweil alles seinen gewohnten Gang: Die Sozialarbeiter mit ihren Aktenordnern stehen jetzt an der Bushaltestelle, für heute sind die Einwohnerbefragungen abgeschlossen. Männer in Bauarbeiterkluft und Frauen in bunten afrikanischen Kleidern unterhalten sich auf der Strasse, ein fliegender Händler verkauft getrocknete Muräne und "Grogue de Santo Antão", Zuckerrohrschnaps von den Kapverdischen Inseln.

    Es ist Abend geworden in Setúbal, die Betreuerin Dulcilena hat gerade die letzten Kinder aus der Tagesstätte nach Hause geschickt und sperrt das schwere Eisengitter vor der Tür ab. Ihre Chefin Felismina Mendes muss noch schnell in den Supermarkt, das Abendessen für die Familie kaufen. Der Bauarbeiter Manuel Gomes hat das Werkzeug aufgeladen und startet den Laster seines Arbeitgebers, eines kleinen Subunternehmers, der auch von den Kapverden kommt. Die Reihenhaussiedlung ist fast fertig gebaut, demnächst werden die ersten Portugiesen hier einziehen. Manuel wird weiter in seinem Slum leben und dann auf einer anderen Baustelle arbeiten. Im Mündungsbecken des Sado-Flusses tuckert eine Fähre gemächlich zum anderen Ufer. Dahinter versinkt tiefrot die Sonne im Meer, ein Anblick wie auf einer Postkarte. Aus einem Küchenfenster dringt der Geruch von Cachupa, ein Maisbrei, dem Nationalgericht der Kapverdischen Inseln. Zumindest in diesem Augenblick macht das Sozialviertel Bela Vista seinem Namen alle Ehre...