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Lebendiger Merkur
Löcher auf Planetenoberfläche Zeichen für Aktivität

Planetologie. - Merkur ist der innerste Planet des Sonnensystems und eine heiße Welt, die nur schwer von Raumsonden zu erreichen ist. Schon die ersten Bilder seiner Oberfläche waren zudem wenig einladend: eine endlose Kraterlandschaft, die stark an unseren Mond erinnert. Die Aufnahmen der Nasa-Sonde Messenger scheinen mit der Annahme aufzuräumen, Merkur sei eine völlig tote Welt.

Von Karl Urban | 06.03.2014
    "In this time Mercury died and for three and a half billion years Mercury has remained as we see it today."
    Der Planet Merkur ist von Kratern zerfurcht wie unser Mond: eine toter Felsbrocken, auf der sich seit 3,5 Jahrmilliarden kaum noch etwas verändert hat. Dieses Bild zeichnete jedenfalls eine NASA-Dokumentation, als vor 40 Jahren erstmals eine Sonde den sonnennächsten Planeten fotografiert hatte. In Lehrbüchern wird Merkur bis heute als tot beschrieben, obwohl die merkwürdigen hellen Flecken schon damals bekannt waren.
    "Bisher gab es erst zwei Missionen zum Merkur. Die Bilder von Mariner-10 in den 1970er Jahren waren noch zu ungenau, um diese hellen Flecken zu verstehen. Die zweite Raumsonde Messenger trat 2011 in eine Umlaufbahn ein. Plötzlich waren wir in der Lage, die Flecken klar zu sehen und zu deuten."
    Planetologen um Rebecca Thomas von der Open University im englischen Milton Keynes haben sich die Flecken nun genauer angesehen. Ihr Ergebnis: Merkurs Oberfläche ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Das Gestein ist jeweils auf einigen Dutzend Metern eingebrochen – im Schnitt 50 Meter tief. Die Löcher treten in über 450 Gruppen an bestimmten Orten auf dem Planeten auf. Obwohl die Forscher bislang kaum etwas über die Ursachen wissen, haben sie bereits erste Schlüsse gezogen.
    "Diese Löcher gibt es vor allem in den Kratern. Das liegt wohl daran, dass während eines Meteoriteneinschlags frisches Material aus Merkurs Innerem nach oben befördert wurde."
    Vulkane können die Planetologen ausschließen. – Denn gerade Merkurs Vulkangebiete sind frei von den auffälligen Löchern. Sicher sind sich die Wissenschaftler nur darin, dass die Einbrüche erst vor kurzer Zeit stattfanden. Denn weil die Löcher selbst die meisten Einschlagskrater überlagern, können sie kaum aus der Entstehungszeit des Planeten stammen. Rebecca Thomas versuchte, eine Verbindung zu den extremen Temperaturen auf der Oberfläche herzustellen – und wurde fündig.
    "Im Laufe eines Merkurtages werden einige Regionen heißer als andere – ich habe versucht, hier einen Zusammenhang zu finden – und es gibt ihn! Gerade wo es besonders warm ist, treten die hellen Löcher vermehrt auf."
    Auf 430 Grad Celsius kann sich das sonnenbeschienene Gestein aufheizen – was noch nicht ausreicht, um es zu schmelzen. Rebecca Thomas vermutet daher, dass durch die Hitze nur flüchtige Bestandteile der Planetenkruste sublimieren, also vom festen in den gasförmigen Zustand wechseln. Das könnten etwa schweflige Sulfatverbindungen sein. Das restliche Gestein fiele nach der Sublimation zu einem hellen Überrest zusammen. Bislang reichen die verfügbaren Daten aber nicht, um diese Hypothese zu bestätigen. Helfen könnte die europäische Sonde BepiColombo, die in zwei Jahren zum Merkur starten und die genauere Daten der Bodenchemie liefern soll als die NASA-Sonde Messenger. Unser Bild des Planeten habe sich aber schon heute durch die weißen Löcher geändert, sagt Rebecca Thomas. Irgendetwas geht auf Merkur vor sich – und seine Oberfläche ist definitiv nicht tot.
    "They show that there is something going on even now on the surface of the planet. It is definitely not dead."