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Lebensdauer elektronischer Geräte
"Produkte werden auch immer weniger repariert"

Geräte gingen nicht generell schneller kaputt als früher, sagte Nachhaltigkeitsforscherin Melanie Jaeger-Erben von der TU Berlin im Dlf. Doch sei die Komplexität elektronischer Geräte und damit ihre Anfälligkeit gestiegen. Zudem reparierten Verbraucher ihre Geräte seltener.

Melanie Jaeger-Erben im Gespräch mit Britta Fecke | 18.09.2019
Elektronik- und Elektroschrott auf einem Wertstoffhof in Erfurt
Oft kauften Verbraucher ein neues Gerät, und das alte bleibt entweder zuhause liegen, wird verkauft oder verschrottet, obwohl es noch funktioniert, sagte TU-Professorin Jaeger-Erben im Dlf (imago/DATA73)
Britta Fecke: Kennen wird es wohl jeder. Da gibt der neue Rasenmäher, die Waschmaschine, das Laptop schon nach zweieinhalb Jahren den Geist auf – natürlich nach Ablauf der Garantie. Oder der Akku vom Mobiltelefon hält nicht mehr durch, lässt sich aber auch nicht austauschen, weil er im Gerät verschweißt ist. All diese kurzlebigen Elektrogeräte sind nicht nur teuer; sie sind auch umweltschädlich. Sie verursachen Berge von Elektroschrott und verschwenden Ressourcen.
Heute lädt das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration zusammen mit der Technischen Universität Berlin zur dritten internationalen Plate-Konferenz ein. Plate ist die Abkürzung für Product Lifetime and Environment. Die Teilnehmerinnen der Plate-Konferenz forschen zum Thema Nachhaltigkeit in der Entwicklung, Herstellung und dem Recyceln von modernen Konsumgütern wie Elektrogeräten oder Fahrzeugen.
Eine der Teilnehmerinnen ist Professor Melanie Jaeger-Erben vom Fachbereich Nachhaltigkeitsforschung der TU Berlin. Frau Jaeger-Erben, hat sich in Bezug auf die Lebensdauer bestimmter Elektroartikel, die ja pünktlich nach Ablauf der Garantiezeit öfter kaputt gehen, irgendetwas getan, oder sind die immer noch so anfällig?
Melanie Jaeger-Erben: Zuerst einmal muss ich ein bisschen widersprechen, weil das stimmt nicht ganz, dass Geräte nach Ablauf der Garantiezeit generell kaputt gehen. Dafür gibt es sehr wenige Einzelfälle, wo das stimmen mag. Vielleicht haben auch viele Menschen den Eindruck, dass es so ist. Wenn wir aber genau nachfragen, was wir in unseren Befragungen auch machen, erleben das eigentlich die wenigsten Menschen. Gerade mal ein Drittel hat das jemals bei all seinen Geräten erlebt, dass die kurz nach der Garantie kaputt gegangen sind. Das heißt, eigentlich werden Geräte komplexer, sie werden anfälliger vielleicht auch für Unfälle oder für Ausfälle, aber sie gehen nicht generell schneller kaputt als früher. Das kann man nicht belegen.
Aber es ist so, dass durch die Komplexität die Anfälligkeit steigt, viele Menschen auch nicht mehr so genau wissen, wie sie mit den komplexen Geräten umgehen können, da in der Pflege und der Wartung viel nicht gemacht wird, was getan werden könnte, und Produkte auch immer weniger repariert werden. Das verkürzt die Lebensdauer. Oft werden Produkte auch dann schon abgeschafft, wenn sie noch funktionieren. Das heißt, ein neues wird gekauft und das alte Gerät bleibt entweder zuhause liegen, wenn es ein kleines Gerät ist, oder wird verkauft oder verschrottet sogar, obwohl es noch funktioniert. Das heißt, es gibt viele Faktoren, die erklären, dass Geräte nicht lange genug genutzt werden, wie sie genutzt werden könnten.
"Der Akku ist wirklich eine Schwachstelle"
Fecke: Aber wenn wir jetzt bei Mobiltelefonen bleiben – das ist ja sicherlich eines der Geräte, das sehr oft ersetzt wird, obwohl es noch funktioniert. Aber wenn es nicht mehr funktioniert, komme ich auch an diesen Akku, der nicht mehr genug lädt, nicht heran in der Regel. Oder hat sich da was gebessert?
Jaeger-Erben: Genau. Das ist ein Trend. Früher gab es viel mehr Smartphones oder auch Mobiltelefone, wo man den Akku auswechseln konnte. Das sich mit den Ansprüchen, dass die wasserdicht sein müssen, oder bestimmten Sicherheitsansprüchen verändert. Viele Menschen fragen das auch nicht mehr nach. Das ist wirklich ein Trend, der in eine schlechte Richtung geht, sage ich mal, weil der Akku wirklich, wie Sie ja gesagt haben, eines der anfälligsten Dinge am Smartphone ist, verkürzt am ehesten die Lebensdauer. Oder auch die Zufriedenheit lässt sehr schnell nach, wenn der Akku nicht lange genug durchhält. Das heißt, da ist der Akku wirklich eine Schwachstelle und das ist kein guter Trend. Es gibt Geräte, die haben noch einen auswechselbaren Akku, aber die werden auch nicht so sehr nachgefragt.
Jaeger-Erben: Markengeräte halten länger als No-Name-Produkte
Fecke: Welche Produkte beziehungsweise Herstellungsprozesse machen Ihnen denn besonders Sorge?
Jaeger-Erben: Was man mit Sorgen sehen kann ist, dass es immer mehr, sage ich mal, sehr eng verbaute Mikroelektronik gibt. Geräte werden immer kleiner und leistungsstärker. Auf immer kleinerem Raum wird immer mehr Elektronik verbaut. Das macht es natürlich anfälliger und da stecken natürlich auch immense Ressourcen drin auf kleinstem Raum. Das ist vielen Menschen gar nicht klar. Dann kauft man sich eine Zahnbürste mit Bluetooth oder einen Kühlschrank mit Bluetooth und man weiß gar nicht, dass darin Sensoren stecken, Antennen drinstecken und so weiter, die auch anfällig sind und wo viel reingesteckt werden muss. Dass die Geräte zum Teil auch sehr billig sind, das macht einem am meisten Sorgen. Man hat den Eindruck, wenn es billig ist, ist es vielleicht auch nicht so wertvoll. Man schätzt die natürlichen Ressourcen gar nicht mehr wert, die darin stecken.
Es gibt elektrische Wegwerfzahnbürsten. So was ist eigentlich ein Unding. So was sollte es eigentlich nicht geben. Man sollte als Verbraucherin und Verbraucher immer ein bisschen misstrauisch sein, wenn auf zu kleinstem Raum zu viel verbaut ist, wenn die Geräte so viel können und zum Teil auch vernetzt sind, weil das heißt, sehr viele Ressourcen stecken darin.
Bei No-Name-Herstellern ist immer die Gefahr, die haben keine Ersatzteile vorrätig und die haben auch keinen Namen zu verlieren, wenn viel Unzufriedenheit da ist. Die Hersteller, die für Qualität bekannt sind, sind eigentlich zu bevorzugen, ohne jetzt Werbung machen zu wollen, aber tatsächlich halten die Geräte auch länger.
Fecke: Neben diesem Hinweis, was würden Sie dem Verbraucher, der sich gerne ökologisch und umweltbewusst verhalten würde, noch an die Hand geben beim Kauf von Elektrogeräten?
Jaeger-Erben: Immer ein bisschen misstrauisch sein, wenn zu viel versprochen wird, vielleicht auch immer sich doch kritisch die Frage stellen, ist das Neue immer wirklich das Bessere, tut es nicht auch was Gebrauchtes. Mittlerweile gibt es einen sehr großen Refurbishment-Markt, Geräte, die wiederaufbereitet wurden. Darauf gibt es auch oft noch Garantie. Das Neue ist nicht immer besser als das Alte, sondern wirklich skeptisch sein und den Marketing-Botschaften nicht gleich vertrauen. Vielleicht auch immer mal nach Lebensdauer und Ersatzteil-Verfügbarkeit fragen im Laden. Dann wird vielleicht der Handel auch mal darauf aufmerksam, dass das ein wichtiger Aspekt ist.
"Trend zu Reparatur-Initiativen verbreitet sich rasant"
Fecke: Ich hatte das Gefühl, dass sich die Wahrnehmung etwas verändert hat. Es gibt inzwischen ja Reparatur-Cafés und so etwas. Lebe ich da nur in einer Blase, oder gibt es tatsächlich einen Trend zu einem größeren Bewusstsein?
Jaeger-Erben: Wir sehen diesen Trend auch. Das ist sehr spannend zu betrachten. Es gibt Gemeinschaften, auch offene Werkstätten, Repair-Cafés, Reparatur-Initiativen, wo Menschen sich wieder was aneignen wollen, wieder Kompetenzen erlernen wollen, mit den Produkten eigenständig umzugehen, vielleicht auch selbst was zu reparieren oder zu wissen, wer es reparieren kann. Das ist sehr spannend. Das verbreitet sich auch ziemlich rasant. Man sagt, das ist zwar immer noch eine Nische, aber da ist schon die Beobachtung da, dass sich das wirklich verbreitet und mehr Menschen auch darüber was wissen und solche Anlaufstellen auch nutzen. Das lässt einen hoffnungsvoll stimmen, dass dieses Thema, ich möchte meine Produkte wertschätzen, ich möchte sie lange halten, ich möchte auch selber was dafür tun, dass sie lange halten, dass das zunimmt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.