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Lebensmittel-Hygiene
Transparenz nur auf dem Papier

Eigentlich sollten Bürger bei Behörden Informationen über die hygienischen Zustände von Restaurants oder Supermärkten einholen können. Manche Ämter weigern sich aber oder verschleppen die Antwort. Nun klagt ein Aktivist der Online-Plattform "Topf-Secret" gegen das Bezirksamt Spandau.

Von Daniela Siebert | 11.10.2019
Fleischauslage beim Metzger
Fleischauslage beim Metzger (dpa / picture alliance / CTK digifoodstock)
Der Kläger ist Arne Semsrott, seines Zeichens auch Projektleiter von "FragDenStaat" und Mitinitiator der Online-Plattform "Topf Secret". Im April startete Semsrott über die Plattform seine Anfrage zu einem Rewe-Supermarkt in Berlin-Spandau. Nur zwei Tage später war die Absage des Bezirkes schon da: Man werde keine Auskunft erteilen. Das sei dort beileibe kein Einzelfall, sagt Arne Semsrott, deshalb sei diese Sache nun vor Gericht gebracht worden. "Weil Spandau sehr offensiv gegen Anfragen vorgegangen ist und relativ früh Ablehnungen verschickt hat. Also wir sehen, es gibt sehr großes Interesse an Hygienekontrollberichten in Spandau, aber das Bezirksamt hat sich dagegen gewehrt und hat gesagt: all diese Anfragen sind rechtsmissbräuchlich, diese Argumentation glauben wir, würde vor Gericht nicht Stand halten und das testen wir jetzt aus."
Fälle wie diesen gibt es in Berlin viele. Auch die anderen elf Bezirksämter beantworten die Verbraucheranfragen, die über "Topf-Secret" eingereicht werden, häufig nicht. Aber anders als Spandau schicken sie zumindest nicht gleich negative Bescheide. In Berlin sei "so gut wie keine einzige Bürgeranfrage rechtskonform beantwortet" worden, bilanziert die Organisation foodwatch, Mitbetreiber von "Topf-Secret". Das ist unbefriedigend für die Fragesteller, die vor allem Auskunft über die Situation in Restaurants, Cafés, Supermärkten und Bäckereien haben wollen. Nach dem Verbraucherinformationsgesetz stehen ihnen die Ergebnisse von behördlichen Hygiene-Kontrollen auch zu.
Keine Antwort vom Bezirksamt
Wenn sie diese nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist von zwei Monaten bekommen, dann könnten die Verbraucher auch Untätigkeitsklage einreichen, erklärt Arne Semsrott: "Die ältesten Anfragen über Topf-Secret sind inzwischen acht Monate alt, da kann man auf jeden Fall vor Gericht ziehen, das ermutigen wir sogar", und auf die Nachfrage, wie viele solcher Untätigkeitsklagen es gibt: "Bisher, soweit ich weiß, tatsächlich noch gar keine, das liegt glaube ich vor allem daran, dass die Bezirke häufig dann hinhalten und sagen "Ja, wir klären das noch".
Dass Arne Semsrott nun selbst vor dem Berliner Verwaltungsgericht klagt, - wenn auch nicht auf Untätigkeit, sondern auf Aufhebung des Bescheides, das hat vor allem prinzipielle Gründe. Denn in Spandau sei er selbst nur selten, gibt er zu. "Wir sehen ganz klar, dass wir tausende Menschen haben über "Topf-Secret", die ein legitimes Interesse daran haben, bei sich um die Ecke das Restaurant oder das Café anzufragen und ganz einfach wissen wollen: Wie sauber ist es denn dort? Und das hat natürlich mit Rechtsmissbrauch nichts zu tun, sondern das ist ganz genau das, was eigentlich das Gesetz vorsieht, Spandau versucht sich jetzt mit so ein paar juristischen Feinheiten rauszuschlagen, wir glauben: das funktioniert so nicht."
Die Rechtsauffassung im Bezirksamt Spandau hätten wir gerne aus erster Hand gehört. Doch der zuständige Bezirksstadtrat ließ die Interviewanfrage vom Deutschlandfunk bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Aus Semsrotts Klageschrift geht jedoch diese Sichtweise hervor: demnach sieht Spandau in der Anfrage kein "individuelles Informationsinteresse", sondern eine geplante Veröffentlichung der Informationen, das sei aber vom Gesetz nicht gedeckt und daher Rechtsmissbrauch.
Hoffnung auf bundesweite Lösung
Rückendeckung bekommt Topf-Secret derweil vom Berliner Justiz- und Verbraucherschutz-Senator Dirk Behrendt von den Grünen. Ende September sagte er im Berliner Abgeordnetenhaus: "Wie Sie in der Öffentlichkeit lesen konnten, steht die Senatsverwaltung für Verbraucherschutz auf dem Standpunkt, dass diese Informationen den Bürgerinnen und Bürgern zu erteilen sind, das sehen einzelne Bezirksämter anders und das haben sie dann auch selbst zu verantworten." Behrendt selbst lässt in seinem eigenen Haus gerade einen Referentenentwurf erarbeiten, der die Berliner Bezirke auf eine Handlungslinie bringen soll. Der Plan: "Ein Gesetz, dass zukünftig die Hygienekontrollen zu veröffentlichen sind. Wir sind noch am Überlegen nach welchem Modell, ob wir das den Gewerbetreibenden überlassen, ob sie das im Internet machen, auf jeden Fall sollen sie es an der Tür machen, mit einem Hinweis – eine Skalierung von grün nach rot." Der Senator macht auch klar: Eine bundesweite Lösung wäre ihm eigentlich lieber.
In Schleswig-Holstein arbeitet die Verbraucherschutzministerin an einem anderen Lösungsansatz: dort sollen Verbraucher in den Gaststätten vor Ort selbst die Hygiene-Kontroll-Berichte einsehen dürfen. Ein weiteres Problem bleibt derweil: wenn die Behörden die Hygiene-Berichte übermitteln, dann tun sie das üblicherweise per Briefpost. Damit Topf-Secret im Sinne seiner Macher funktioniert, müssten diese Behördenschreiben dann von den Empfängern eingescannt und mit Namensschwärzungen auf der Plattform online gestellt werden. Diesen letzten Schritt gehen aber auch viele der Fragesteller nicht.