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Lebensmittelchemiker schlagen Alarm

Ein Fund, der es in sich hatte: Sudanrot fanden Lebensmittelchemiker Ende 2003 in Chillipulver aus Indien dank der EU-Schnellwarntests. Normalerweise braucht man das zum Färben von Schuhcreme oder Bohnerwachs. In Gewürzen hat das wahrlich nichts zu suchen. Die Behörden reagierten sofort mit verschärften Importkontrollen für Chilli-Pulver. Dann suchten sie weiter. Das Ergebnis ist alles andere als beruhigend. Denn offenbar sind auch etliche verarbeitete Lebensmittel damit pikant gewürzt. Gewürze halten sich lange und sind lange in Gebrauch. Nun finden staatliche Labore immer mehr der gesundheitsbedenklichen so genannten Azo-Farbstoffe auch in anderen exotischen Gewürzen.

Von Volker Mrasek |
    Trotz der Warnungen vor Sudanrot im letzten Frühjahr, und trotz der Schadstoff-Kontrollen, die die EU-Kommission seither für scharfe Chilli-Erzeugnisse aus dem Ausland verlangt:

    Die Kette der Mitteilungen über den Nachweis dieses Farbstoffes in Chillies und Chilli-haltigen Produkten reißt nicht ab.

    So steht es im aktuellen Verbraucherschutz- und Ernährungsbericht der Landesregierung Baden-Württembergs. Dort ist auch nachzulesen, warum Lebensmittel auf dem EU-Markt nicht mit Sudanrot gefärbt werden dürfen:

    Es wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung als krebserregend im Tierversuch eingestuft und steht im Verdacht, das Erbgut zu verändern.

    Jetzt wird die Liste verbotener Farbstoffe und betroffener Gewürze noch länger. Inzwischen tauchen weitere Vertreter aus der Sudanrot-Familie in Importprodukten auf, zum Beispiel aus Indien, der Türkei und Osteuropa. Und das Chemische Untersuchungsinstitut Bergisches Land in Wuppertal stieß nun zusätzlich auf die Azofarben Pararot und Buttergelb.

    Pararot fand sich in scharfem Paprika-Pulver; es ist eigentlich ein Textilfarbstoff. Buttergelb steckte in einem Curry-Gewürz; auch diese Chemikalie gilt wie die Sudanrot-Farben als potentielles Krebsgift.

    Dass die Erzeuger ihren Gewürzen und Gewürzmischungen die gesundheitsbedenklichen Farben beimengen, erklären sich die Wuppertaler Analytiker so:

    Möglicherweise versucht man in den Erzeugerländern, den durch ungünstige klimatische Bedingungen verursachten hohen Keimgehalt mit Oxidationsmitteln zu verringern. Die dabei gebleichten Gewürze werden durch Zusatz künstlicher Farbstoffe wieder optisch ansprechend gemacht.

    Ähnliche Schlüsse zieht auch die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung in ihrem jüngsten Jahresbericht:

    Die verbotenerweise verwendeten Farbstoffe dienten vermutlich zur Farbauffrischung der Produkte und sollten somit eine bessere Qualität vortäuschen und die Licht-Stabilität aufbessern. Die in diesen Produkten natürlicherweise enthaltenen Farbstoffe - so genannte Carotinoide - sind nicht lichtstabil und verblassen unter Lichteinfluß mit der Zeit.

    Die Farbe von Chilli- und Paprikapulver mag nicht so lange haltbar sein; die Produkte selbst sind es schon. Das ist vermutlich der Grund, warum Sudanrot & Co. weiterhin in Gewürzen auf dem deutschen Markt entdeckt werden. Solche Pulver stehen mitunter jahrelang in den Verkaufsregalen. Belastete Produkte könnten schon importiert worden sein, bevor die verschärften Einfuhrkontrollen in Kraft traten.

    Der Gehalt der illegalen Farbstoffe in den Gewürzen ist bisweilen ziemlich hoch. So enthielt ein Paprika-Pulver gleich vier Gramm Sudanrot pro Kilogramm Lebensmittel.

    Es sind aber nicht nur exotische Gewürze, in denen die Azofarben vorkommen. Sie tauchen auch in verarbeiteten Lebensmitteln auf. Ein Beispiel aus dem Chemischen und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart:

    Sudanrot konnte in drei von fünf paprikafarbenen Rohwürsten nachgewiesen werden. Die Rohwürste, die aus Italien stammten, waren mit Chili-Pulver gewürzt oder sie wurden als "pikant gewürzt" ausgelobt. Dies deutet darauf hin, dass der nicht zugelassene Farbstoff (Sudanrot) über das Gewürz in die Rohwürste gelangte.

    Auch Giftfunde in anderen Lebensmitteln lassen sich so erklären. In Würz- und Nudelsoßen, in Palmöl, roten Gnocchi und gefüllten Teigwaren - überall dort ist Sudanrot bereits nachgewiesen worden - allerdings nur in Einzelfällen und in wesentlich kleineren Mengen als in den Gewürzen.

    Die Hersteller der genannten Fertiglebensmittel ahnen vermutlich nicht einmal, womit sie ihre Produkte da würzen, wenn sie an eine belastete Charge Chilli oder Paprika geraten. So kommt es zu einer schleichenden Verbreitung der giftigen Farbstoffe.

    Die Lebensmittelüberwachung zieht zwar konsequent alle Produkte aus dem Verkehr, in denen sie Sudanrot findet. Doch es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Azofarben heimlich in Umlauf sind.