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Lebensmittelhygiene
Handschuhe nicht besser als Händewaschen

Längst werden Plastik- und Latex-Handschuhe nicht mehr nur im Krankenhaus, sondern auch beim Bäcker, beim Metzger oder in Großküchen getragen. Schließlich sollen sie hygienischer sein als die bloßen Hände. Doch es gibt Zweifel: Waschen ist offenbar in vielen Fällen die bessere Lösung.

Von Tonia Koch | 07.08.2014
    Am Nachmittag ist das Angebot an Brötchen im Saarbrücker Café Steigleiter schon erheblich ausgesucht. Die Krustis sind aus, aber der Kunde kann noch wählen:
    "Ich habe noch Käse, Kümmel, Milchbrötchen sind noch da, Doppelweck und zwei Roggen".
    Viele Kunden verlangen keine Handschuhe
    Karin Steigleiter packt die Brötchen mit der bloßen Hand in die Tüte. Den großen Kunststoffhandschuh, der an einer elastischen Schnur an ihrer Schürze befestigt ist, benutzt sie nicht. Den Kunden stört das nicht:
    "Sie hat bestimmt die Hände gewaschen. Wenn sie die Hände gewaschen hat, ist das kein Problem."
    80 Prozent der Kundschaft sähen es ähnlich, sagt Karin Steigleiter und für die restlichen 20 Prozent müsse der Handschuh eben sein, allerdings nicht aus Gründen der Hygiene:
    "Also ich würde sagen, das ist ein Verkaufsargument, weil viele Leute das gerne wollen, können sie auch gerne haben, das ist ein Service bei uns aber mit Hygiene hat das nichts zu tun. Für mich ist das selbstverständlich, dass unsere Verkäuferinnen die Hände waschen und der Handschuh ersetzt auch nicht das Händewaschen meiner Ansicht nach."
    Hygienischer Nutzen von Handschuhen zweifelhaft
    Trotzdem finden die großen Kunststoffhandschuhe, sogenannte Clean Hands, in deutschen Bäckereien immer mehr Nutzer. Meist werden diese Handschuhwechselsysteme etwa mit Magneten am Verkaufstresen befestigt, damit die Verkäuferin schnell hinein und wieder heraus schlüpfen kann je nachdem, ob sie gerade Brötchen einpackt oder Geld wechselt. Der hygienische Nutzen eines solchen Handschuhes sei jedoch minimal, sagt Anna Maria Schweiger, Arbeitsmedizinerin bei der BGN, der Berufsgenossenschaft Nahrung Gaststätten in Mannheim:
    "Grundsätzlich, die Handschuhe sind im Prinzip nur - wenn sie frisch aus der Packung genommen werden - die ersten fünf bis zehn Minuten von Vorteil von der Keimbelastung her gegenüber einer gewaschenen Hand."
    Handschuhe fördern Keimbelastung
    Die Berufsgenossenschaft empfiehlt den Bäckereien daher auf den Gebrauch der Handschuhe ganz zu verzichten und sich lieber auf die gepflegten Hände der Fachverkäuferinnen zu verlassen oder sich herkömmlicher Hilfsmittel wie Greifzangen oder Papierblättchen zu bedienen. Denn in aller Regel würden die teuren Handschuhe mitunter tagelang getragen und zuweilen ein und derselbe Handschuh sogar von mehreren Personen.
    In einer aktuellen im Saarland durchgeführten Untersuchung hat die BGN auch festgestellt, dass der Fingerschutz aus Kunststoff oder Latex der Brotkruste nicht gewachsen ist und sehr schnell mikroskopisch kleine Risse aufweist, was die Keimbelastung fördert. Anna-Maria Schweiger:
    "Es ist wirklich nur eine Art Pseudosicherheit, sie bieten keinen Schutz, die Handschuhe sind nicht ausreichend. Und was noch hinzukommt, wenn die Verkäuferin Handschuhe trägt, dann wiegt sie sich in eine Sicherheit, geht nachlässiger mit ihren Händen um. Wenn ich mit bloßen Händen arbeite, dann fühle ich wenn ich irgendeine Verschmutzung habe, wenn irgendetwas haftet und ich wasche die Hände."
    Ursache für Hautkrankheiten bei Verkäuferinnen
    Selbst das Wechselgeld, das mit bloßen Händen angefasst werde, müsse kein Kunde fürchten:
    "Das ist eher eine Schwelle, die spielt sich im Kopf ab. Geld ist auch nicht mehr belastet als die Türklinke, die ich anfasse oder die Arbeitsfläche."
    Eine weitere Nebenwirkung der Handschuhe ist eine steigende Zahl von Hauterkrankungen, die sich im feuchten Klima der Schutzhüllen entwickelt. Auch aus diesem Grund wirbt die BGN mit Flugblättern in den Bäckereien um Verständnis bei den Kunden, wenn die Verkäuferin den Handschuh auslässt:
    "Es gibt keine lebensmittelhygienischen Vorschriften, die das fordern, es macht nur die Haut kaputt und es bietet keine Vorteile für den Kunden."