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Lebensmitteltechnik
Biobeschichtung macht Früchte länger haltbar

Sie ist nicht sichtbar und kann sogar mitgegessen werden: Eine Beschichtung aus Alginaten oder Proteinen kann die Haltbarkeit von Obst und Gemüse verlängern. Einige Supermarktketten testen das neue Verfahren bereits.

Von Susanne Kuhlmann | 31.03.2020
Avocado
Unter anderem mit Avocados wird das neue Verfahren getestet (imago / Stefan Zeitz)
Erst ist sie zu hart zum Essen, aber kurze Zeit später zeigen sich schon unappetitliche dunkle Stellen im Fruchtfleisch: Wer gerne Avocados isst, kennt das Problem. Seit kurzem bieten Supermärkte Avocados an, die sich ein paar Tage länger halten, so wie die, die Nico Wittlich in der Hand hält. Er ist bei Rewe für den Einkauf von Früchten zuständig.
"Das Besondere an dieser Avocado ist, dass diese mit einer Schutzschicht auf natürlicher Basis bezogen wurde. Wir können mit diesem Verfahren die Haltbarkeit unserer Avocados verlängern."
Auf dem Aufkleber steht "mit coating". Das Verfahren stammt von einem britischen Hersteller: "Die Avocado fühlt sich genau gleich an wie alle anderen Avocados, die man kennt, auch. Die Schutzschicht ist völlig geruchlos, geschmacklos, farblos und kann vom Verbraucher nicht wahrgenommen werden. Die Schutzschicht kann die Haltbarkeit der Avocado bis zu vier Tage verlängern und wirkt so, dass der Gasaustausch der Frucht mit der Umwelt minimiert wird und dadurch die Reife verlangsamt wird."
Verschiedene Verfahren für den selben Effekt
Der Physiker Horst-Christian Langowski ist Professor für Lebensmittelverfahrenstechnik an der Technischen Universität München und kennt verschiedene Verfahren mit diesem Effekt: "Dafür eignen sich besonders gut Alginate, die filmbildend sind und einen zähen und elastischen Film bilden." Alginate werden in den Zellwänden von Braunalgen gebildet und machen sie flexibel.
"Was man auch versucht, ist mit Stärke zu arbeiten. Und dann gibt es noch verschiedene andere Proteinbeschichtungen, mit denen man auch arbeiten kann." Den Effekt des Proteinfilms beschreibt Hans-Christian Langowski so: "Er verhindert es nicht ganz. Aber er behindert den Transport von Wasser nach außen, so dass die Früchte nicht so schnell austrocknen, als wenn man sie einfach so hinlegen würde. Er kann noch ein paar weitere Funktionen erfüllen. Zum Beispiel kann er auch die Sauerstoffaufnahme behindern. Dadurch atmen die Früchte dann etwas weniger und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Auf die Art und Weise kann man die Lebensdauer ein bisschen weiter verlängern."
Zu Hause hält sich die Frucht also länger, und die Supermärkte rechnen damit, weniger Verdorbenes wegwerfen zu müssen. "Im Handel gibt es viele Hinweise, dass man mit Verpackungen und anderen Methoden, also auch durch die Verlängerung der Lebensdauer die Verluste reduzieren kann. Was der Verbraucher damit anfängt, ist noch eine ziemlich unbekannte Angelegenheit."
Biofilm statt Plastik oder Wachs
Außerdem könnte die essbare Schutzschicht bei einer Reihe von Produkten die Plastikverpackung oder das Wachsen ersetzen. Eine Mischung aus natürlichen Wachsen und Polyethylenwachs, teils ergänzt um Schimmelschutzmittel, ist ein in der EU zugelassener Lebensmittelzusatzstoff und muss gekennzeichnet werden. In seinen Lagern testet Rewe das coating-Verfahren zurzeit bei Limetten, Zitronen, Orangen und Äpfeln.
Die Handelskette Edeka bietet in einigen Testmärkten neben Avocados auch schon Orangen und Clementinen mit essbarer Beschichtung an. Sie nutzt das Verfahren des US-amerikanischen Biotech-Unternehmens Apeel. Hier stammen die Rohstoffe für die Beschichtung aus Schalen und Kernen von Früchten. Zum Teil haben auch die Discountertöchter von Rewe und Edeka - Penny und Netto – Früchte mit Biofilm im Angebot.
Nicht für alle Obstsorten tauglich
Vielversprechende Ansätze, findet Horst-Christian Langowski: "Ich denke, dass man damit schon einiges erreichen kann. Da es gerade bei diesen Frischprodukten immer um Kleinigkeiten geht, um einen Tag Verlängerung oder auch zwei und das ist dann schon viel. Da kann man schon mit solchen Methoden versuchen, die Lebensmittelverluste zu reduzieren."
Der Biofilm besteht nur aus Substanzen, die für den Verzehr zugelassen sind. Er lässt sich mit warmem Wasser vollständig entfernen und wird bisher nur für Früchte verwendet, deren Schale nicht mitgegessen wird.
Die Beschichtung eignet sich bisher aber noch nicht für alle Obstsorten. Auf der Oberfläche von Erdbeeren entwickelt sich zum Beispiel leicht weißer Schimmel, den eine Bioschutzschicht verhindern müsste. Außerdem bilden Erdbeeren eine eigene Wachsschicht, die durch die weitere Schutzschicht zerstört würde. Und schließlich: Wenn die Schutzschicht mitgegessen werden soll, dann wirft das auch neue Fragen für die lebensmittelrechtliche Zulassung auf.