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Lebensmittelunverträglichkeit
Laktose- oder glutenfrei ist nicht für alle gesünder

Blähungen, Durchfall, Bauchschmerzen - manche Menschen haben bestimmte Lebensmittelunverträglichkeiten und müssen etwa auf Gluten oder Laktose verzichten. Spezielle Lebensmittel ohne diese Bestandteile gewinnen immer mehr an Beliebtheit - allerdings auch bei Menschen ohne diese Unverträglichkeiten, für die die teuren Produkte nicht gesünder sind.

Von Sven Kästner |
    Laktose- wie auch glutenfreies Essen findet sich heutzutage häufiger in den Regalen von Geschäften. Allerdings bezweifeln Ernährungsberater die Wirksamkeit einer glutenfreier Diät.
    Glutenfreies Brot in einem Naturkostladen in Leipzig (picture alliance / dpa / Peter Endig)
    Heiß und knusprig - so kommen die Brötchen aus dem Ofen in einer Backstube in Berlin-Prenzlauer Berg. Das Besondere: Sie sind ganz ohne Weizenmehl gebacken. Der Laden ist die erste gluten- und laktosefreie Bäckerei der Hauptstadt. Friedrich von Gilsa betreibt sie:
    "Wir lassen komplett Milch und Ei aus unseren Produkten raus. Wir verwenden in fast allen Produkten Reismehl. Dann verwenden wir Kastanienmehl. Wir verwenden Teffmehl und Buchweizenmehl und Hirsemehl."
    Für Betroffene sind diese Alternativen für herkömmliche Backwaren ein Segen. "Glutenfrei" bedeutet "Pro Kilogramm dürfen die so gekennzeichneten Lebensmittel höchstens 20 Milligramm dieses Eiweißes enthalten. So sind mittlerweile auch viele "Glutenfrei"-gesiegelte Lebensmittel in die Regale der Supermarktketten eingezogen.
    "Die sind unbedingt notwendig für Menschen, die Gluten eben nicht vertragen. Die die Krankheit Zöliakie haben. Für alle anderen Menschen, die diese Krankheit nicht haben, sind diese Produkte nutzlos. Die brauchen die nicht und das hilft ihnen auch nicht weiter in irgendwelchen anderen gesundheitlichen Dingen", sagt Jessica Fischer.
    Die Ernährungsberaterin der Berliner Verbraucherzentrale kritisiert, dass vor allem große Hersteller solche Labels auch als Werbemasche nutzen. Und damit einen saftigen Preisaufschlag rechtfertigen.
    "Die Produkte, die als speziell glutenfrei bezeichnet werden, die sind auch tatsächlich teurer als vergleichbare Produkte, die vielleicht von Natur aus auch kein Gluten haben. Aber schon allein durch diese Bewerbung, durch das Label, das geht einher mit dem höheren Preis. Ein Haferkeks zum Beispiel. Da steht dann extra drauf: Glutenfrei. Ist deswegen teurer, aber kein besseres Produkt im Vergleich zum billigeren."
    Marketingblüten im Supermarkt
    Der Blick in einen Supermarkt zeigt manche Marketingblüte. Ein Schinken zum Beispiel ist fett gedruckt als "glutenfrei" gekennzeichnet. Das ist nicht falsch, gilt aber für Fleisch von Natur aus. Groß ist auch die Palette an laktosefreien Produkten. 15 bis 20 Prozent der Deutschen können Milchzucker nicht verdauen - für sie ist das Angebot gut. Für alle anderen gilt auch hier: Diese Lebensmittel bringen keine Vorteile.
    "Es wird eben suggeriert, auch durch die Werbung, durch die Aufmachung der Produkte, dass das an sich gut ist. Das das einem guttut. Und dann steigen die Verbraucher darauf leider ein, wenn sie nicht umfassend informiert sind. Und können dann auch in diese Falle tappen."
    Die Preisunterschiede sind saftig: Ein Becher Naturjoghurt kostet 79 Cent, gleich daneben im Kühlregal werden für die gleiche Menge laktosefrei stolze 1,79 Euro fällig. Ähnliche Differenzen gibt es bei Milch, Schmand oder Frischkäse. Der Preiskampf in der Lebensmittelbranche ist hart. Verbraucherschützer beurteilen die derzeitige Welle der "frei von irgendwas"-Produkte deshalb auch als Versuch, höhere Preise zu erzielen.
    "Die Lebensmittelhersteller suchen sich ja auch immer wieder neue Nischen. Und die Menschen sind dafür sehr empfänglich, dass gerade bei den Lebensmitteln immer wieder was Neues entdeckt wird. ... Und das ist natürlich was, wo die Hersteller neben ihrem Standardsortiment eben mit so einem vermeintlichen Spezialsortiment auch noch Mal Zusatzgewinne einfahren können."
    Skeptische Kunden
    Ganz so leicht scheint es allerdings nicht, die Kundschaft vom vermeintlich generellen Nutzen der laktose- oder glutenfreien Lebensmittel zu überzeugen. Vor einem Berliner Supermarkt zumindest zeigten sich die Kunden skeptisch.
    "Kaufe ich nicht, weil ich das nicht brauche. Aber meine Tochter hatte eine Weile solche Unverträglichkeiten. Und da haben wir schon gekauft."
    "Nö, weil ich da keine Notwendigkeit drin sehe im Moment."
    "Wir haben so was nicht und wir glauben nicht dran. Oder vielleicht in ganz, ganz wenigen Ausnahmefällen. Aber in der Regel nicht."

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