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Lebensmittelverpackungen
Frankreich verbietet Weichmacher Bisphenol A

Bisphenol A ist ein Weichmacher in Plastikprodukten und kommt auch in der Innenbeschichtung von Konservendosen vor. Es kann den Hormonhaushalt beeinflussen, ist also ein Endokriner Disruptor. In Frankreich muss die Lebensmittel-Industrie nun ohne den Stoff auskommen - die Regierung hat das weitreichendste Verbot Europas beschlossen.

Von Suzanne Krause | 02.01.2015
    "Wir sind gezwungen, bei der Innenbeschichtung von Konservenbüchsen nun auf den Lack zu verzichten, der bisher überall eingesetzt wurde. Der basiert auf dem sogenannten Epoxid-Harz, das weltweit und seit Langem im Gebrauch ist. Es gilt als bestens erforscht und ist billig."
    Doch dieser Kunststoff enthält Bisphenol A, das - wird es vom Körper aufgenommen - ähnlich wie das Hormon Östrogen wirken kann. Stattdessen wird die Industrie nun drei andere Lacktypen setzen, die auf Acryl, Vinyl oder Polyester basieren.
    "Denn je nach Inhalt der Konservenbüchse braucht es einen anderen Lack, um Epoxidharz zu ersetzen. Die drei Lacktypen mussten mit über 2.000 Formeln auf die unterschiedlichen Doseninhalte speziell angepasst werden. Das zwang uns dazu, für jedes in Dosen verpackte Lebensmittel zu überprüfen, ob Inhalt und Verpackung miteinander vereinbar sind."
    Bisphenol A zu ersetzen, erhöhe die Produktionskosten von Lebensmittelkonserven und damit auch den Verkaufspreis, sagt Draulette. Er warnt: Die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Konservendosenindustrie, die 40 Prozent ihrer Waren exportiert, werde sinken.
    Ein Mitte November veröffentlichter Bericht der zuständigen Kontrollbehörde listet die Alternativen der Industrie detailliert auf. François Veillerette hat den Bericht studiert. Mit dem Umweltverein "Generations Futures" trommelt dessen Gründer Veillerette seit Langem für ein Bisphenol-A-Verbot. Auch wenn der Aktivist das neue Gesetz ausdrücklich begrüßt - dessen Umsetzung kritisiert er.
    "Natürlich können wir keine eigenen Sicherheitstests durchführen. Doch wir haben so gut es ging nachvollzogen, welchen Standards die Alternativprodukte zu Bisphenol A genügen. Nehmen wir das Beispiel Polyphenylsulfon, das seit 2011 schon Bisphenol A in Babyflaschen ersetzt. Im Bericht steht, die europäische Chemieagentur Echa habe keinerlei Angaben der Industrie zur eventuellen Giftigkeit von Polyphenylsulfon verzeichnet. Dennoch fragen wir uns, wie man so bewerten will, ob die Substanz wirklich gesundheitlich unschädlich ist."
    Gesundheitsschädlich für das Hormonsystem?
    Florent Allais arbeitet an der zukünftigen Universallösung: Der Agrarwissenschaftler setzt auf Lignin. Ein organischer Stoff, der sich in den Pflanzenzellen einlagert und die Verholzung der Zellen bewirkt. Das Verfahren, mittels grüner Chemie aus Lignin einen universalen Ersatz für Bisphenol A zu gewinnen, hat Allais im Oktober letzten Jahres patentieren lassen. Derzeit laufen toxikologische Tests.
    "Wir sind heute in der Lage, aus Pflanzenstoffen ein Molekül herzustellen, das mindestens dieselben zahllosen Qualitäten hat wie Bisphenol A, das aber sich nicht auf das menschlichen Hormonsystem auswirkt."
    Zwar ist seit Juni 2011 auf Order der EU-Kommission Bisphenol A in Babyflaschen europaweit verboten. Dänemark hat den Stoff, der das menschliche Hormonsystem verändert, sogar in allen Produkten für Kleinkinder untersagt. Schweden erwägt, Bisphenol A komplett zu verbannen. So weit wie Frankreich mit seinem neuen Gesetz geht jedoch bislang keine andere europäische Regierung.
    Beim Rat der Umweltminister Mitte Dezember in Brüssel drängte die französische Ministerin Ségolène Royal ihre Amtskollegen, in Sachen Bisphenol A endlich gemeinsam zu handeln und sich auf EU-Ebene auf eine Definition von Endokrinen Disruptoren zu einigen. Denn dies wäre die Voraussetzung, um EU-weit Stoffe zu benennen, die gesundheitsschädlich für das menschliche Hormonsystem sein könnten.
    Die Brüsseler Kommission wiederum mag sich zum Pariser Vorreiterkurs auf Anfrage des Deutschlandfunks derzeit nicht äußern. Obgleich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA vor knapp einem Jahr ihren Grenzwert der höchstzulässigen Tagesdosis für Bisphenol A niedriger setzte - um das Zehnfache. Ende Januar wird die EFSA das Resultat der öffentlichen Konsultationen präsentieren, in denen es um eine eventuelle Neubewertung der Risiken von Bisphenol A ging. Das deutsche Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wird, so das Zitat der hauseigenen Pressestelle, 'die Bewertung prüfen sobald sie vorliegt und entscheiden, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.'