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Lebensversicherungen
BGH stärkt Widerrufsrechte

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass alte Lebensversicherungs-Verträge unter bestimmten Bedingungen widerrufen werden können. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten ist optimistisch, dass bei zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen Verträgen ein Großteil der Prämien zurückgefordert werden könnten.

Axel Kleinlein im Gespräch mit Stefan Römermann | 08.05.2014
    Ein Taschenrechner und Münzen liegen auf einem Blatt Papier, auf dem Lebensversicherung steht
    Die Verzinsung von Lebensversicherungen ist für Sparer derzeit unattraktiv. (dpa/picture alliance/Arno Burgi)
    Stefan Römermann: Über Jahrzehnte war sie für die Deutschen die erste Wahl, wenn es um eine gute sichere Altersversorgung ging. Doch spätestens seit die Zinsen an den Kapitalmärkten im Keller sind, lohnen sich Lebensversicherungen als Geldanlage immer weniger. Wer deshalb seine Lebensversicherung vorzeitig kündigt, hat allerdings in der Regel ein Problem: Er bekommt nur den sogenannten Rückkaufwert ausbezahlt, und der entspricht oft nicht einmal der Höhe der eingezahlten Beiträge. Gestern hat nun der Bundesgerichtshof entschieden, dass Versicherte unter bestimmten Umständen auch noch nach Jahren ihre alten Versicherungsverträge widerrufen können. Vor der Sendung habe ich Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten gefragt, welche Verträge genau betroffen sind.
    Axel Kleinlein: Ganz grundsätzlich geht es um alle Lebensversicherungsverträge, die zwischen 1994 und 2007 abgeschlossen wurden. Da gilt es, genau zu prüfen, ob die sogenannte Widerrufsbelehrung in korrekter Weise erfolgte. Wir gehen davon aus, dass das nur in ganz seltenen Fällen überhaupt der Fall war, so dass dann wichtige Aspekte des gestrigen Urteils auch auf fast alle Verträge dann vermutlich angewendet werden können.
    Römermann: Was muss da konkret nachgewiesen werden? Was müssen die Kunden, wenn sie jetzt den Vertrag anfechten wollen, nachweisen?
    Kleinlein: Die Kunden müssen erst mal gar nichts nachweisen, sondern diejenigen, die in der Nachweispflicht stehen, sind die Versicherungsunternehmen, und deswegen sind wir da sehr vorsichtig optimistisch erst mal, dass eigentlich alle Verträge, die hier betroffen sind, tatsächlich auch widersprochen werden können. Es gibt aber einen Aspekt, der ist noch nicht durchgeurteilt worden - das lag an einem handwerklichen Fehler der Kanzlei, die die Allianz vertreten hat -, nämlich die Frage der Verjährung. Das betrifft die Entscheidung, ob die Kunden tatsächlich alle Prämien, die sie eingezahlt haben, wieder zurückfordern können vom Versicherungsunternehmen. Wir gehen davon aus, dass dem so ist. Darüber hat aber das BGH gestern noch nicht geurteilt, da steht sozusagen noch ein Urteil aus, und wir hoffen, dass das auch bald kommen wird.
    Römermann: Was könnte denn dieses Urteil tatsächlich für Vorteile bringen? Was erhoffen Sie sich?
    Kleinlein: Wenn alles gut läuft, wovon wir auch ausgehen - wir sind da wie gesagt recht optimistisch -, dann können alle diese Verträge widerrufen werden. Das heißt, die müssen rückabgewickelt werden. Das bedeutet so viel wie, dass ein Großteil der Prämien, die die Kunden eingezahlt haben, einfach zurückgefordert werden können, und damit dann so getan wird, als hätte es diesen Vertrag niemals gegeben. Der BGH hat auf jeden Fall gesagt, das was an Versicherungsschutz gewährleistet wurde, das darf der Versicherer sich anrechnen lassen, und das Geld, das dafür aufgebracht wurde, einbehalten. Das sind aber nur ganz kleine Anteile von dem, was bei einer Kapitallebensversicherung zum Beispiel immer wieder eingezahlt wird.
    Verjährungsentscheidung noch abwarten
    Römermann: Ich halte fest: Die Kunden bekommen im Zweifelsfall auch nicht alles Geld zurück, sondern nur einen Teil. Da wird dieser Risikoausgleich abgezogen. Ich habe gelesen, Sie sind gelernter Mathematiker. Um was für Beträge geht es denn dabei, wenn Sie das jetzt mal überschlagsweise ausrechnen sollten?
    Kleinlein: Das kommt ganz darauf an, wie alt die Person war, als dieser Vertrag abgeschlossen wurde, und welches Geschlecht die Person hatte. Faustregel: Männer, die älter sind, die haben einen etwas werthaltigeren Risikoschutz bekommen. Das heißt, die bekommen weniger von ihren Prämien zurück als junge Frauen. Man kann aber im Schnitt davon ausgehen, dass hier höchstens im einstelligen Prozentbereich tatsächlich Werte von den Prämien dann abzuziehen sind, so dass das Geld, um das es geht, eigentlich sehr, sehr viel ist. Wichtig ist aber auch: Man sollte im Auge behalten, dass die Verträge, die man abgeschlossen hat, zum Teil auch mit einem vierprozentigen Garantiezins ausgestattet sind. Das heißt, es kann durchaus sinnvoll sein, Verträge auch noch weiterlaufen zu lassen, obwohl man womöglich dieses Recht zur Rückabwicklung hat. Das muss man im Einzelfall genau prüfen.
    Römermann: Auf was sollte man denn da achten? Auf was sollten jetzt Versicherte achten, die überlegen, vielleicht doch ihren Vertrag zu widerrufen? Wann kann sich das lohnen?
    Kleinlein: Diejenigen Versicherten, die mit dem Gedanken spielen, den Vertrag zu widerrufen, die sollten erst noch mal abwarten, bis die Entscheidung zu dieser Verjährung dann auch vorliegt. Die wird wohl in den nächsten Monaten auch kommen. Und man verliert auch keine Zeit, es sei denn, das Versicherungsunternehmen schickt Ihnen auf einmal eine Widerrufsbelehrung. Dann gilt es, relativ zügig zu handeln und zu überlegen und zu entscheiden, ob man den Vertrag widerrufen soll. Wir werden hier genau beobachten, wie die Entscheidungslage beim BGH ausschaut. Wenn endgültig die Entscheidung vorliegt, dann wird man mit Sicherheit auch noch mal über die Presse das noch mal mitbekommen und sollte sich dann entscheiden, ob man widerruft oder nicht. Im Moment gibt es noch dieses kleine Damokles-Schwert, das über einem schwebt und über die Verjährung womöglich hier noch Probleme machen kann.
    Römermann: Es gibt also Hoffnung für die Besitzer von Lebensversicherungen – das war Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.