Donnerstag, 28. März 2024

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Lebensversicherungen vor dem Aus
"Unbedingt durchrechnen, ob sich Kündigen rentiert"

Der Versicherungskonzern Generali will ab 2018 keine Lebensversicherungen mehr anbieten und alte Lebensversicherungen womöglich an einen professionellen Abwickler verkaufen. Mit nennenswerten Überschüssen aus den Verträgen sei dann nicht mehr zu rechen, sagte Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten im Dlf.

Axel Kleinlein im Gespräch mit Stefan Römermann | 29.09.2017
    Der Versicherungsschein einer Lebensversicherung.
    Versicherungsschein einer Lebensversicherung: "Der Tod der deutschen Lebensversicherung zieht sich ja schon einige Jahrzehnte hin", sagt Axel Kleinlein. (imago / Rainer Unkel)
    Stefan Römermann: Die Lebensversicherung war lange Zeit die beliebteste Altersvorsorge der Deutschen. Doch spätestens seit die Steuervorteile dafür abgeschafft wurden, lohnt sich die Versicherung für Verbraucher kaum noch. Und in Zeiten niedriger Zinsen offenbar auch immer weniger für die Versicherungsunternehmen. Mehrere große Unternehmen überlegen offenbar schon länger, das Geschäft aufzugeben. Gestern schockte der italienische Versicherungskonzern Generali mit der Nachricht, ab 2018 keine Lebensversicherungen mehr anzubieten und alte Lebensversicherungen womöglich an einen professionellen Abwickler zu verkaufen.
    Darüber spreche ich jetzt mit Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. – Herr Kleinlein, es zeichnet sich das Ende der klassischen Lebensversicherung ab. Weinen Sie der jetzt eine Träne nach?
    "Ein Fanal für die deutsche Lebensversicherung"
    Axel Kleinlein: Da weine ich keine einzige Träne. Der Tod der deutschen Lebensversicherung zieht sich ja schon einige Jahrzehnte im Grunde genommen hin. In den letzten Jahren hat das einiges an Rasanz zugenommen. Aber was wir jetzt erleben, ist ein echtes Erdbeben. Das ist wirklich ein Fanal für die deutsche Lebensversicherung.
    Römermann: Was da jetzt folgen soll, das klingt schon ein bisschen wild. Kann man Versicherungskunden einfach so verkaufen?
    Kleinlein: Leider ja. Die Versicherungsunternehmen haben ja einen Vertrag mit den Kunden und sie können diesen Vertrag weitergeben an wen auch immer. Da haben wir schon Erfahrungen gemacht, dass andere Unternehmen …
    Römermann: Aber ich habe doch einen Vertrag mit diesem Versicherungsunternehmen abgeschlossen.
    Kleinlein: Aber in dem Vertrag steht nicht drin, dass Sie auf jeden Fall immer mit diesem Versicherungsunternehmen zusammen sind. Wir haben das ja im großen Stil schon erlebt. Die Kunden der Victoria und Hamburg-Mannheimer, die sind ja dann erst mal zum Teil zur Ergo rübergeschoben worden zum Teil. Jetzt geht es weiter zum nächsten Unternehmen und das wird dann mit weniger Reputationsrisiko diese Verträge führen wollen.
    Römermann: Was bedeutet das denn für meinen Vertrag, für betroffene Kunden? Sind das eher gute Nachrichten oder eher nicht so gute, wenn ich jetzt da abgeschoben werde an einen professionellen Versicherungsabwickler? Klingt ja auch etwas schräg.
    "Die Altersvorsorge steht damit noch mal mehr unter Fragezeichen"
    Kleinlein: Das sind schlechte Nachrichten für die Kunden, denn dieser neue professionelle Abwickler, der will ja Geld verdienen mit Ihrem Vertrag. Das kann er aber nur, wenn er den Kunden Geld vorenthält, also die Überschüsse senkt und möglichst wenig an Überschüssen auszahlt. Unterm Strich heißt das, die Kunden kriegen noch weniger Geld bei ihren Verträgen raus, und Altersvorsorge steht damit noch mal mehr unter Fragezeichen.
    Römermann: Aber ich habe doch in meinem Vertrag auch Garantien drin.
    Kleinlein: Diese Garantien, die sollen möglichst auch umgesetzt werden. Da wird die Aufsichtsbehörde mit draufschauen. Nur diese Garantien sind oft nicht besonders hoch. Wenn Sie es durchrechnen bei Ihrem Vertrag, dann werden Sie nur mit der garantierten Leistung nicht besonders glücklich sein. Die meisten Kunden haben mit dem Blick auf eine hohe Überschussbeteiligung den Vertrag abgeschlossen und das geht jetzt wahrscheinlich in die Binsen.
    Römermann: Was raten Sie betroffenen Versicherten?
    Kleinlein: Unbedingt den Vertrag individuell prüfen, genau nachgucken, ob Sie den Versicherungsschutz, der da drin ist, womöglich auch benötigen. Wenn zum Beispiel eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung dabei ist, die können Sie womöglich heute nicht mehr so gut bekommen, weil Sie schon ein bisschen älter sind. Ansonsten, wenn es nur ums Sparen geht, unbedingt durchrechnen, ob Kündigen sich womöglich besser rentiert, beitragsfrei stellen, oder die Fortsetzung des Vertrages. Bei uns auf der Homepage bundderversicherten.de, da finden Sie einen Rechner, mit dem Sie genau durchrechnen können, welche Alternativrenditen Sie erwirtschaften müssen. Ansonsten holen Sie sich unabhängige Beratung bei uns, dem Bund der Versicherten, den Verbraucherzentralen oder unabhängigen Versicherungsberatern.
    Römermann: Es gibt ja auch noch diesen Widerrufs-Joker, der auch bei Lebensversicherungen unter Umständen greift. Kann das auch jetzt in diesem Fall eine Lösung sein?
    "Unterstützung von externem Sachverstand"
    Kleinlein: Ganz genau. Das kann eine Lösung sein. Bei etwa der Hälfte aller Verträge, die vor 2008 abgeschlossen wurden, gibt es die Möglichkeit, wegen falscher Formulierungen zur Widerrufsbelehrung den Vertrag insgesamt rückabzuwickeln. Da kriegt man des Öfteren deutlich mehr Geld raus als bei einer einfachen Kündigung. Auch da brauchen Sie aber Unterstützung von externem Sachverstand, um zu prüfen, ob bei Ihrem Vertrag dieser Widerrufs-Joker gezogen werden kann oder nicht.
    Römermann: Was würden Sie selbst tun, wenn Sie jetzt einen Vertrag haben?
    Kleinlein: Erst mal durchrechnen und schauen, was die bessere Variante ist. Es gibt hier keine Königsregel, mit der man sagen kann, das und das sollten Sie tun. Die individuelle Prüfung, um die kommt man nicht drum herum.
    Römermann: Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Ich sage vielen Dank für das Gespräch!
    Kleinlein: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.