Freitag, 03. Mai 2024

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Leberkrebs

Leberkrebs wird meist erst spät erkannt. Diese Tumoren wachsen schnell und reagieren kaum auf Chemotherapie. Mediziner der Düsseldorfer Universitätskliniken haben nun weltweit zum ersten Mal den Leberkrebs mit Stammzellen behandelt. Dabei handelt es sich nicht um die ethisch umstrittenen embryonalen Stammzellen, sondern um adulte Stammzellen. Sie werden aus dem Knochenmark des Patienten selbst gewonnen. Bisher sind drei Patienten mit dieser Stammzelltherapie behandelt worden - mit Erfolg, wie Hannelore Becker-Willhardt berichtet. Sie sprach mit einer Patientin:

03.08.2004
    Ernsthaft krank sei sie eigentlich nie gewesen, erzählt die 72jährige Patienten. Bis zum letzten Herbst. Da hatte sie bei ihrem Hausarzt einen Termin zur jährlichen Kontrolluntersuchung.

    Und dann waren die Werte, die Leberwerte waren nicht so gut wie sonst. Sonst war immer alles in Ordnung. Und dann kriegte ich hohen Blutdruck und 'ne innerliche Unruhe. Dann hat mein Hausarzt einen Ultraschall gemacht und gesagt dann: Da ist was, aber ich kann nicht sagen, was. Und dann hat er mich zur Uniklinik in Düsseldorf überwiesen.

    Wo man in ihrer Leber einen bösartigen Tumor feststellte. Der zu allem Übel auch schon sehr groß war. Eine Chemotherapie hätte keinen Erfolg gebracht. Einzige Möglichkeit: Die Operation.
    Dabei wird der befallene Teil der Leber stillgelegt, indem alle Adern, die ihn mit Blut versorgen, abgebunden werden.

    Dieser Eingriff regt den gesunden Teil der Leber dann zum Wachsen an. Und zwar so lange, bis er genügend groß geworden ist, um alle Stoffwechselfunktionen voll aufnehmen zu können.
    Das dauert bis zu drei Monate. Anschließend wird der Tumor durch eine zweite Operation entfernt. Das Problem dabei ist: Der Tumor wächst in diesen Monaten auch weiter. Und bei der Patientin viel schneller, als das nachwachsende gesunde Lebergewebe, erklärt Prof. Wolfram Knoefel, Direktor der Allgemein-Chirurgie an den Düsseldorfer Unikliniken. Mit dieser Therapie hätte die Patientin also kaum ÜberlebensChancen gehabt.

    Da entstehen Probleme wie Infektionen, und auch eben diese Stoffwechselproblematik. Zum Beispiel kann der Zuckerstoff-wechsel nicht aufrecht erhalten werden, damit wird das Gehirn nicht mehr versorgt und damit ist ein Überleben nur für wenige Stunden möglich.

    Deshalb hatte Prof. Knoefel seiner Patientin eine Therapie vorgeschlagen, die den gesunden Teil der Leber schneller wachsen läßt. Und zwar mit Stammzellen, die dann aus ihrem eigenen Knochenmark gewonnen wurden.

    Es zeigt sich, daß durch den Einsatz der Stammzellen das Wachs-tum der verbleibenden Leber etwa 2,5 mal so schnell von statten geht wie ohne Einsatz der Stammzellen. Und das kann häufig der entscheidende Gewinn an Zeit sein, den der Patient braucht, um noch rechtzeitig seinen Tumor entfernt zu bekommen.

    Für diese Stammzell-Therapie werden der Patientin zu Beginn der ersten Operation, bei der die Blutgefäße zum kranken Leberteil
    verschlossen werden, 60 ml Knochenmark aus dem Beckenknochen entnommen.

    Und während noch der Verschluß durchgeführt wird, können wir innerhalb von 3 Stunden das Knochenmark so aufreinigen, daß wir mit einer etwa 90% Reinheit dann diese Stammzellen, sogenannte CD-133-positive Stammzellen, zur Verfügung haben. Und können diese dann am Ende des Verschlusses der Gefäße, das funktioniert über einen Katheder, in den gesunden Leberteil hineinspritzen, so daß dann diese Zellen direkt vor Ort auch wirken.

    Doch wie diese Stammzellen in der Leber wirken, darüber kann Prof. Knoefel bislang nur spekulieren.

    Das heißt, werden die Stammzellen zu Leberzellen? Oder stimulieren die Stammzellen ein Leberwachstum durch andere Faktoren? Oder sind es ganz andere stimulierende Wirkungen, die wir überhaupt noch gar nicht durchschauen?

    Wöchentliche Untersuchungen zeigen aber, daß der gesunde Teil der Leber durch diese Stammzellen gut wächst und seine Funktionen voll aufnimmt. Und zwar ohne schädigende Nebenwirkungen, wie allergische Reaktionen. Weil es körpereigene Stammzellen sind. Auch ein zu starkes Anwachsen der Leber sei nicht zu befürchten, versichert Prof. Knoefel. Das verhindern bestimmte Prozesse in der Leber:

    Wenn die Leber merkt, daß die Leistung nicht ausreicht, dann werden Signale ausgesendet, sogenannte Wachstumsfaktoren, die dazu führen, daß sich Leberzellen teilen. Wenn jetzt die Leberfunktion ausreicht, dann werden diese Signale nicht mehr ausgeschüttet. Und damit wird auch nicht mehr dieses Signal zum Teilen der Zellen gegeben. Und damit hört das Wachstum auf.

    Bei der Stammzell-Therapie ist dies nach etwa drei Wochen erreicht. Während dieser Zeit, erzählt die Patientin, konnte sie sogar zu Hause bleiben.

    Und dann kriegte ich einen Anruf, ich könnte dann jetzt operiert werden, die Leber hat sich so erholt und ist so stabil, daß sie operieren können,

    ,um den Tumor nun endgültig aus der Leber zu entfernen. Das war vor sieben Monaten. Wegen der Leber braucht sie jetzt keine Medikamente mehr einzunehmen. Sie bekam auch keine Chemo- oder Strahlentherapie. Und auch sonst gibt es nur wenig Einschränkungen.

    Mit dem Essen ein bißchen aufpassen. Mit dem Fett. Kein Fett essen. Sonst kann ich alles vertragen.

    Seit Dezember letzten Jahres sind insgesamt drei Leberkrebs-Patienten mit dieser Stammzell-Therapie in Düsseldorf behandelt worden. Und allen geht es gut. Langfristige Prognosen wagt Prof. Knoefel indes noch nicht. Die 72jährige Patientin ist jedenfalls zufrieden und zuversichtlich.
    Die letzte Kontrolluntersuchung war in Ordnung. Jetzt muß ich im Oktober wieder, erst alle ¼ Jahre und dann vielleicht alle ½ Jahre.