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Leckereien für das Ruhrgebiet

Seit drei Generationen beliefert die Bochumer Firma Niggemann den Einzel- und Feinkosthandel mit frischem Geflügel, Fleisch, Fisch sowie Obst und Gemüse. Insgesamt finden Gastronomen bei dem im Ruhrgebiet verwurzelten Familienunternehmen über 8000 Produkte.

Von Klaus Deuse |
    "Die Nacht ist für uns der Anlaufpunkt, wo die Ware angenommen wird, abgenommen wird. Ab 22 Uhr setzen die Lkw bei uns an und bis sechs Uhr wird 80 Prozent der Ware komplett angeliefert. Ein großer Teil ist dann die Frischware. Diese Frischware wird sofort in der Nacht neu kommissioniert. Das heißt, die Bestellungen werden zusammengestellt für unsere Kunden. Und dann ab vier Uhr fahren unsere Lkw raus und bedienen mit der frischen Ware dann unsere Kunden."

    Jede Woche, sagt Rainer Altendeitering, rollen bei Niggemann in Bochum rund 200 Tonnen Frischgeflügel und über 30 Tonnen Frischfleisch an. Aus Argentinien, Frankreich, Holland, Italien, Polen und Ungarn. Dazu noch reichlich Tonnen an Frischgemüse und Frischfisch. Wobei Geschäftsführer Altendeitering nicht ohne Anflug von Stolz anfügt:

    "Fisch wird mehr und mehr der Gradmesser für den Frischebereich. Wer Frischfisch gut kann, kann im Grunde alles. Das ist ein sehr sensibles Sortiment."

    Sensibel sind in puncto Frische schließlich auch die Kunden:

    "In erster Linie beliefern wir die Gastronomie. Das ist unsere größte Kundengruppe, die auch sehr breit aufgestellt ist. Von der einfachen Schankgastronomie bis hin zum Sternerestaurant. Das komplette Portfolio decken wir ab."

    Einschließlich eines eiweißreichen Leckerbissens, der in Nobelrestaurants auf den Teller kommt: der Sylter Royal.

    "Aus meiner Sicht auch die beste Auster, die man bekommen kann. Die liegt in der Kategorie mit der irischen Felsenauster in ungefähr einer Qualitätsstufe."

    Außerdem beliefert das Unternehmen den qualifizierten Einzel- und Feinkosthandel. Der jährliche Umsatz der Food Frischemarkt Niggemann GmbH, die rund 220 Mitarbeiter beschäftigt, liegt bei 75 Millionen Euro. Das hätte sich Firmengründer Werner Niggemann kaum träumen lassen, als er 1946 das Unternehmen in Oeding, unweit der holländischen Grenze, gründete. Damals hatte sich Werner Niggemann, wie sich sein Sohn Herwig erinnert, sogar einen Pferdekarren besorgt, "um bei den Bauern Ware zu holen. Das scheiterte allerdings an dem ersten größeren Graben, wo die Pferde in eine andere Richtung wollten als er."

    Das brachte den Firmengründer jedoch nicht vom Kurs ab. Als sich 1946 die Grenzen wieder öffneten, da sei sein Vater, sagt Sohn Herwig, für den Handel in der Region bestens positioniert gewesen, " um die Ware dort zu besorgen. Hatte einen netten Bruder in Düsseldorf, der besorgte dann die Kohle für die Bauern – und die Bauern gaben ihm dafür Kartoffeln. Das waren so die allerersten Tage nach dem Krieg für die Basis des Unternehmens."

    Die geflügelte Frage, wer zuerst da war: das Ei oder das Huhn, erübrigt sich im Fall Niggemann. Das Unternehmen lieferte Eier und Hühner. In den 1960er-Jahren auch das Zubereitungszubehör. Sprich: amerikanische Grillgeräte für Hähnchen:

    "Weil wir der führende Importeur für Grillhähnchen waren, war die Maschine eigentlich ziemlich logisch dabei. Es gelang uns auch sehr schnell, der führende Anbieter in den großen Kaufhäusern zu sein. Karstadt, Kaufhof, Hertie, Horten, alle hatten von uns die großen Grillgeräte, wo die Broiler aus Amerika, die hießen nämlich auch Broiler, gegrillt wurden."

    Unter gesamtdeutschen Aspekten betrachtet, können also nicht ausschließlich Verklärer der DDR-Historie den Broiler für sich reklamieren. Das Großküchengeschäft mit diesen Geräten gab man bei Niggemann dann aber auf und konzentrierte sich auf das Kernbeschäft:

    "Back to basics auf den Foodbereich, wie wir ihn heute machen."

    Mit Erfolg. Das im Ruhrgebiet verwurzelte Familienunternehmen in der dritten Generation kann sich dabei auf langjährige Mitarbeiter wie Jochen Schulte verlassen, dass die hochgesteckten Frischekriterien erfüllt werden. Seit über 25 Jahren schickt das Unternehmen zwei Mal in der Woche einen Lkw zum Einkauf in die Markthallen von Paris,

    " um dort frische Ware zu kaufen. Es ist nach wie vor für uns ein wesentlicher Qualitätsaspekt. Wir bekommen dort Ware in einer Güte, die man sonst nicht bekommt."

    Sagt Geschäftsführer Altendeitering. Um die 20 Tonnen kaufen die Frischeexperten aus Bochum jeweils ein. Oft genug war Jochen Schulte dabei. Mit geschärftem Blick für das Fischangebot.

    "Von der Dorade bis zum Wolfsbarsch, Rattenkopf, Rotbarsch. Beim Fisch ist es aufwendiger, als wenn ich ein Stück Käse kaufe. Weil ich da nachgucken muss, Kiemen und alles. Augen, ob die klar sind. Das ist zeitaufwendig."

    Eine 24-stündige Delikatesseneinkaufstour. Vom Fisch ist Jochen Schulte inzwischen in die Abteilung Käse gewechselt. Auch ein Bereich, der im gewachsenen Sortiment geschärfte Sinne erfordert.

    "Wie ich zu der Abteilung gekommen bin, hatten wir vielleicht 50 Sorten. Und heute liegen wir ungefähr bei 500 Sorten, wo man immer wieder zugreifen kann."

    Ob er alle am Geschmack erkennen könne, da gibt er ehrlich zu:

    "Nicht alle 500, da müsste ich lügen. Für mich hervorragend sind immer die ganzen Bergkäse. Um so älter, um so besser, für mich persönlich. Es gibt aber auch Sachen, da stinkt mir der Käse dann."

    Insgesamt finden Gastronomen und qualifizierte Einzelhändler bei Niggemann über 8000 Produkte. Als erfahrener Markthändler weiß Gerd-Otto Wieschermann, wonach er in der frostigen Fleischabteilung Ausschau hält:

    "Ich kaufe Spezialfleisch unter anderem auch aus Texas, um den Kunden außergewöhnliche Sachen zu präsentieren. Wir werden dreimal in der Woche von der Firma Niggemann beliefert, direkt auf dem Wochenmarkt."

    Und falls Gerd-Otto Wieschermann doch mal eine Frage haben sollte, hilft ihm Guido Lochner weiter. Der verbürgten Frische der Produkte bedingt, eingemummelt in einen dicken Anorak:

    "Sie möchten auch nicht bei Null bis zwei Grad ohne Anorak hier drin sein, glaub ich. Die Temperaturen müssen gehalten werden, und die werden auch gehalten im Raum."

    Damit Bisonfleisch aus den USA oder Vaguerind aus Australien frisch bleibt.