Donnerstag, 25. April 2024

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Leere Airbnb-Wohnungen in Barcelona
Chance für erschwinglichen Wohnraum?

In Barcelona gibt es unzählige Airbnb-Wohnungen. Das Unternehmen gilt vielen als mitverantwortlich für Gentrifizierung. Nun stehen die Ferienwohnungen leer, den Hosts fehlt das Einkommen. Regulär vermieten wollen sie trotzdem nicht.

Von Julia Macher | 20.05.2020
Rosa angemalte Häuser in Barcelona.
Für viele Einwohner von Barcelona ist Wohnraum nicht erschwinglich (Unsplash / Annika Ibels)
Als Alex Cabaret für sich und seine Familie vor zwei Jahren ein Häuschen in Barcelona kaufte, glaubte er, das große Los gezogen zu haben. Das Ein-Familien-Haus im Stadtteil Clot hatte eine Touristen-Lizenz. Der Franzose begann über Airbnb an Urlauber zu vermieten – für 100 bis 300 Euro am Tag. Das Geschäft lief blendend. Zwischen Mitte Februar und Mitte Dezember gaben sich die Besucher die Klinke in die Hand. Dann kam die Corona-Krise. Spanienweit fielen die Reservierungen um 97 Prozent. Auch bei Cabaret wurden sämtliche Reservierungen gecancelt.
"Wir haben über die Airbnb-Einnahmen die Raten für die Hypothek getilgt, den Urlaub und das Schulgeld für die drei Kinder gezahlt. Diese Einnahmen fehlen jetzt. Wir wollen deswegen das Haus an Menschen, die für ein paar Monate in der Stadt sind, vermieten, mit Kurzzeitverträgen. So können wir zumindest die laufenden Kosten decken und weiter unsere Hypothek bedienen."
Drei ältere Frauen sitzen in mit Coronamaske in Barcelona auf einer Bank. Eine Frau liest Zeitung, die beiden anderen unterhalten sich. 
Barcelona in der Coronakrise: Eine Stadt besinnt sich
Die Coronakrise beutelt die Tourismusbranche in Spanien. Besonders betroffen: Barcelona. Mit mehr als 21 Millionen Übernachtungen im letzten Jahr leidet die Mittelmeermetropole aber auch unter dem Massentourismus. Kann sich das ändern?
Hämische Kommentare im Netz
So wie er machen es viele Hosts: Hunderte Apartments und Zimmer, die zuvor nur tageweise auf Airbnb oder anderen Ferienplattformen angeboten wurden, tauchen inzwischen auf regulären Mietportalen auf, fast immer mit dem Hinweis: "Maximal elf Monate".
In spanischen Großstädten wird der Wohnraum seit Jahren immer teurer. Und Airbnb galt als mitverantwortlich für steigende Mieten und Gentrifizierung. Entsprechend hämisch wurde in sozialen Netzwerken der Absturz von Airbnb kommentiert. Sorgt die Corona-Krise jetzt für Entspannung auf dem Immobilienmarkt? Jaime Palomera von der Mieterorganisation Sindicat de Llogateres in Barcelona widerspricht.
"Aktuell und in den nächsten Monaten gibt es ja kaum Mobilität, weder von Touristen noch sonst jemandem. Diese Tausende Wohnungen werden also nicht von Leuten gemietet, die vorübergehend etwas mieten wollen, sondern von Menschen, die eigentlich einen regulären Mietvertrag bräuchten, mit 5 bis 7 Jahren Laufzeit. Deswegen halten wir diese Zeitverträge für betrügerisch: Dem regulären Immobilienmarkt wird illegitim Wohnraum vorenthalten und so eine gewaltige Wohnungsnot verursacht."
Vermieter lassen Wohnungen lieber leer stehen
Doch regulär vermieten kommt für Hosts wie Alex Cabaret nicht in Frage. Mit einem normalen Vertrag könnte er nur ein Fünftel erwirtschaften, schätzt er – und riskiere seine Lizenz.
"Das Gesetz in Barcelona ist etwas speziell: Wohnungen, an denen jemand seinen Hauptwohnsitz hat, dürfen nicht an Touristen vermietet werden. Wenn ich die Wohnung für zwei, drei Jahre vermieten würde, riskiere ich also, meine Touristenlizenz zu verlieren."
Das Logo vom Onlineübernachtungsdienst Airbnb im Eingang Brunnenstraße 196 am Rosenthaler Platz, fotografiert am 19.08.2015 in Berlin.
Zweckentfremdung von Wohnraum - Der Kampf der Städte gegen Airbnb
Dass normale Mietwohnungen über Portale wie Airbnb auch als Ferienwohnungen angeboten werden, ist in vielen größeren Städten ein Ärgernis. Wie groß das Problem tatsächlich sei, lasse sich aber nur schwer sagen, erklärt Dlf-Wirtschaftsredakteurin Sina Fröhndrich. Denn verlässliche Zahlen gebe es nicht.
Die einzige Alternative zur Zwischenmiete ist für ihn, das Häuschen leer stehen zu lassen und auf bessere Zeiten zu hoffen. Um das zu verhindern, fordern Mieterorganisationen wie das Sindicat de Llogateres Geldstrafen, wenn Wohnraum länger als ein halbes Jahr ungenutzt bleibt - bisher wird erst nach zwei Jahren sanktioniert.
Vorschläge für günstigen Wohnraum
Im Rathaus von Barcelona, das sich in den letzten Jahren ein juristisches Tauziehen mit Airbnb geliefert hat, setzt man auf konziliantere Töne.
Tourismus-Stadtrat Xavier Marcè: "Barcelona ist eine der Städte, die am härtesten gegen illegale Vermietungen vorgegangen ist. Mit Erfolg: Wir haben kaum noch Vorkommnisse in dieser Richtung. Natürlich würde es das Rathaus begrüßen, wenn auch ein Teil der legalen 9.600 Touristenappartments auf den regulären Wohnungsmarkt kommt, aber wir wissen auch, dass Laufzeiten von fünf bis sieben Jahren aus unternehmerischer Sicht eine lange Zeit sind."
Wie angesichts der drohenden Wirtschaftskrise Ferienappartments zu erschwinglichem Wohnraum umgewandelt werden können, werde derzeit mit den zuständigen Verwaltungen diskutiert. Für konkrete Vorschläge will man den Sommer abwarten – um besser abschätzen zu können, wie sich der Tourismus entwickle.