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Leere Kassen

"Lübeck hat mit diesem Wald eine Perle bekommen!" , sagte unlängst Professor Hartmut Vogtmann, der Präsident des Bundesamtes für Naturschutz bei einem Besuch im Lübecker Stadtwald. Tatsächlich hat der Lübecker Stadtwald in den letzten Jahren bundesweit Aufsehen erregt. 1997 wurde das dort geschlagene Holz mit dem Zertifikat "Naturland" für eine besonders ökologisch Erwirtschaftung ausgezeichnet. Das war bundesweit neu. Jetzt erwartet die Hansestadt Lübeck ein Haushaltsdefizit von bis zu 50 Millionen DM. Wahrlich ein Grund zum Sparen. Aber zur Konsolidierung des kommenden Haushalts wird jetzt auch an den Verkauf eines Teiles des Stadtwaldes gedacht - mit erheblichen Folgen.

Von Wolfgang Fabian |
    Der Lübecker Sparstrumpf ist leer. Diese Erkenntnis ist zwar für die Lübecker nicht neu, aber mit dem ausgeglichenen Haushalt 1999 glaubte man das Defizit im Griff zu haben. Jetzt schlagen gewaltige Steuereinbrüche im Bereich der Gewerbesteuer zu Buche Beim Sparen dürfe es jetzt keine Tabus geben, sagt Bürgermeister Bernd Saxe und meint damit auch den Lübecker Stadtwald.

    Bernd Saxe: "Die Frage ist, ob es eine zwingende Notwendigkeit oder auch nur eine Begründung dafür gibt dass eine Stadt in diesem Umfang Wald selbst besitzen muss oder ob nicht ein solcher Wald sich nicht auch in anderen Händen sich befinden kann."

    4500 HA nennt die Hansestadt ihr eigen. Seit 1994 werden diese Flächen mit dem Konzept der "Naturnahen Waldnutzung" bewirtschaftet. Das bedeutet unter anderem, es werden nur heimische Baumarten angepflanzt, es findet kein Kahlschlag und keine Veränderung des Bodens durch starke Maschinen statt. Im Wald werden nur speziell entwickelte Geräte oder Pferdegespanne für den Transport eingesetzt. Das Konzept ist nicht nur ökologisch verträglich sondern vor allem auch ökonomisch sinnvoll. Deshalb wird es in vielen Städten in Deutschland kopiert. Aber gerade der Verkauf von Waldfläche würde den Erfolg der letzten Jahre nachhaltig zu Nichte machen und das Projekt wirtschaftlich gefährden, sagt Peter Oertling, Stadtpräsident der Hansestadt Lübeck und ein Gegner der Waldverkäufe.

    Peter Oertling: "Diese 4 1/2 Tausend Ha Wald lassen sich jetzt noch ökonomisch bewirtschaften ohne große Zuschüsse insbesondere der Ritzerauer Forst wirft hohe Gewinne ab. Wenn man jetzt das Filetstück aus diesem Waldgebiet herausschneidet, dann beginnt für uns der Einbruch der Wirtschaftlichkeit. Das macht für mich die Sache dann außerordentlich kritisch."

    Die Idee, den Lübecker Stadtwald teilweise zu Geld zu machen ist nicht neu. Bereits 1998 wurde über einen Verkauf laut nachgedacht. Nach massiven öffentlichen Protest hatte der damalige Bürgermeister Michael Bouteiller wieder davon Abstand genommen. Ein Verkauf der geplanten Waldfläche hätte aber noch ganz andere Folgen. Denn den erhofften Einnahmen von bis zu 6,9 Millionen DM stehen Mehrausgaben im Forstbereich von 750.000 DM im Jahr gegenüber. Verbeamtetes Personal müsste weiterhin anderenorts beschäftigt werden. Einnahmen würden wegfallen, da die betroffene Fläche ist doppelt so ertragreich ist, wie andere Lübecker Waldflächen. Die Einnahmen aus dem Verkauf wären also innerhalb von zehn Jahren wieder aufgebraucht. Zu der naturnahen Waldnutzung gehören auch sogenannte Referenzflächen, die gar nicht bewirtschaftet werden. Will man solche Flächen nicht neu schaffen um damit einem weiteren Einnahmeverlusten vorzubeugen, dann schafft das ganz neue Probleme erklärt Dr. Lutz Fähser, der Leiter des Bereichs Stadtwald der Hansestadt Lübeck.

    Lutz Fähser: "Eine große Referenzfläche liegt in diesem Gebiet, dass verkauft werden soll. Und wenn diese Referenzfläche, immerhin 173 Ha groß, wenn diese nicht wieder ersetzt wird, dann wird uns die Zertifikatfähigkeit aberkannt. Also wir verlieren das Zertifikat, für das wir in der Bundesrepublik als Muster dastehen"

    Bleibt die Idee, Teile des Waldes an die Stiftung Naturschutz Schleswig Holstein zu verkaufen, die den Wald weiterhin ökologisch orientiert nutzen würde. Verkaufsgespräche sind bereits für den 19. Dezember geplant. Nur -, die Zielsetzung der Stiftung ist eigentlich, bisher nicht ökologisch genutzte Flächen durch den Ankauf in ihrer ökologischen Wertigkeit zu verbessern. Aber gerade das ist bei diesem Teil des Lübecker Stadtwaldes nicht mehr möglich, da er ja bereits durch das Naturland-Siegel zertifiziert ist. Dennoch will Lutz Fähser nicht an den Verkauf an einen kommerziellen Waldbesitzer glauben...

    Lutz Fähser: "Es gibt in Lübeck eine sehr wache Öffentlichkeit. Und wenn eine Stadtvertretung vorbei am Willen der Bevölkerung so etwas realisieren würde und die Stadtwälder, die seit 600 Jahren im Eigentum der Hansestadt Lübeck sind einfach weggibt, vielleicht sogar verschleudert in eine ungewisse, zerstörerische Zukunft entlässt, dann bin ich ganz sicher, dass sich eine breite Koalition erhebt, die dem Ansehen des Bürgermeisters und der Bürgerschaft sehr schaden würde."

    Über den gesamten Haushalt entscheidet die Bürgerschaft im Februar 2001. Bis dahin will der Stadtpräsident noch die Bürgerschaftsmitglieder in den Wald holen, damit sie sich ein Bild vom Naturnahen Walskonzept machen können. Hoffentlich hilft's!