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Leerer Sockel als Platz für Kunst

Zwölf internationale Künstler definieren den öffentlichen Raum neu: In München ist nun als Vorbote von "A Space Called Public" eine Nachbildung des "Fourth Plinth" auf dem Wittelsbacherplatz zu sehen: des vierten, leerstehenden Sockels auf dem Londoner Trafalgar Square.

Von Andi Hörmann |
    Tropfen prasseln auf die Regenschirme, Schritte knirschen auf dem Kopfsteinpflaster - es ist windig und kalt auf dem menschenleeren Wittelsbacherplatz in München. Nur ein Reiterstandbild trotzt dem ungemütlichen Wetter: Kurfürst Maximilian I. - als grünlich schimmernde Bronzestatue, überlebensgroß, platziert auf einem quaderförmigen Steinpodest. In unmittelbarer Nähe steht ein frisch betonierter Steinsockel. Zwei Meter breit, fünf Meter lang und hoch. Leer - ganz ohne majestätische Herrscherstatue. Von einem Passanten kommt die erste geschmäcklerische Stimme:

    "Das habe ich noch nicht gesehen. Ach, das ist ein Sockel. Egal, was für Kunst da drauf kommt: Das ist nichts."

    Internationale Gastkünstler gehen bis September an verschiedenen Plätzen in der Münchener Innenstadt der Frage nach: Welche Bedeutung haben Stadträume in Zeiten sozialer Netzwerke? "A Space Called Public - Hoffentlich Öffentlich" - unter diesem Titel hat die Stadt München das skandinavische Künstlerduo "Elmgreen & Dragset" mit der Kuration dieses groß angelegten, 1,2 Millionen schweren Kunstprojekts beauftragt. Für Ingar Dragset und Michael Elmgreen definiert sich eine Millionenstadt wie München gerade über ihre Brücken und Brunnen, Parks und Plätze.

    "Diese Plätze sagen eigentlich ganz viel über München und der Identität von München. Wir wollen diese Identität herausfordern. Herausfordern mit Projekten, die irgendwie die gewohnten Vorstellungen von München stören."

    "Wir hoffen, dass die Leute rausgehen, Facebook eine Weile hinter sich lassen und sich an den Orten und Plätzen der Stadt in 3-D erleben."

    Auf der Homepage zu "A Space Called Public" lässt sich das analoge Kunstgeschehen im Stadtraum dann doch auch digital über Bilder, Texte und Karten verfolgen - als eine Art Kunstsafari durch München. Schritt für Schritt. Mit ein wenig Geheimniskrämerei um die einzelnen Aktionen will Michael Elmgreen das gesamte Projekt spannender machen.

    "Noch möchten wir keine genauen Details über die einzelnen Projekte verraten. Es sollen Überraschungen werden. Sonst wäre es ja, wie, wenn man schon wissen würde, was man zum Geburtstag bekommt. Das wäre nicht so aufregend."

    Das erste von insgesamt zwölf Projekten beginnt nun genau auf dem nüchternen, klassizistischen Wittelsbacherplatz - mit einem leeren Sockel. Nun ja, nicht ganz. Erstmal leer. Denn ab März werden darauf wechselnde Kunstwerke platziert. Der Sockel ist eine Nachbildung des "4th Plinth", des berühmten - wegen Geldnöten leer gebliebenen - "vierten Sockels" auf dem Londoner Trafalgar Square. Die Künstler Li Li Ren und Stephen Hall betreuen diese Aktion. Eine Replik davon steht nun auf dem Wittelsbacherplatz in München - getreu dem Sinnspruch von Oskar Wild "talent borrows, genius steals": Der Talentierte bedient sich einer guten Idee, das Genie stiehlt sie.

    "Ideen sind da, um gestohlen zu werden. Und das in London ist eine gute Idee, eine Art Zufallsprodukt, das nicht wirklich eine Idee war. Es ist einfach passiert. Und wir haben daraus eine Idee gemacht. Es ist nicht nur ein Unfall der Geschichte. In Wirklichkeit ist es ein Weg, um zeitgenössische Kunst an verwahrlosten Orten zu präsentieren. Orte, die eigentlich für sehr monumentale Kunst vorgesehen sind. Wir versuchen diese Struktur aufzubrechen, indem wir neue und aufregende Kunst an diese Plätze bringen."

    Public Art - der urbane Raum als Museum mit öffentlicher Kunst in den Parks und auf den Plätzen. Passanten sind eingeladen, die Potenziale der Orte zu reflektieren. Nach dem Motto: Neugierig machen und neu entdecken. Die Meinung ist gefragt, die Fantasie soll angeregt werden. Beschwerde und Bewunderung: erwünscht. Kerstin Möller vom Kulturreferat München sieht mit "A Space Called Public" eine echte Chance für die Stadt München, ihre Bürger und Touristen.

    "Das Schlimmste, was Kunst im öffentlichen Raum passieren kann, ist Desinteresse. Wenn das der Fall ist, dann hat die Kunst nicht funktioniert, oder zumindest an dem Ort nicht funktioniert."

    Weitere Infos:
    www.aspacecalledpublic.de