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Lehmann: Kultur bietet die Chance, Beziehungen aufzubauen

Vor zwei Jahren entstand die Idee, in Myanmar ein Goethe-Institut einzurichten. Im März 2014 soll es offiziell eröffnet werden. Gerade die Kultur sei ein wichtiges gestalterisches Mittel, um zivilgesellschaftlich etwas zu bewegen, erklärt Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts.

Klaus-Dieter Lehmann im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 14.07.2013
    Burkhard Müller-Ullrich: Es ist noch immer nicht ganz leicht, mit Myanmar zu telefonieren; man merkt: Da fehlen Leitungen. Aber wir haben es geschafft und den Präsidenten des Goethe-Instituts an den Draht bekommen. Klaus-Dieter Lehmann, guten Abend! Was sind Ihre Eindrücke in diesem wieder Anschluss an die Weltgeschichte suchenden Zipfel Südostasiens?

    Klaus-Dieter Lehmann: Ich kenne das Land ja von vor zwei Jahren, als ich das erste Mal da war und die ersten Überlegungen für ein Goethe-Institut in Rangun überlegt worden sind. Diese zwei Jahre haben dieses Land enorm verändert. Rangun ist fast eine Boomstadt geworden. Ich bin jetzt in Naypyidaw, das ist die Hauptstadt. Da merkt man von dem Boom noch gar nichts, weil es eine Stadt ist, die eine reine Regierungsstadt ist und deshalb großflächig angelegt, aber sehr leer, sehr vom Reißbrett geplant und mitten im Land, also anders als das turbulente Rangun. Das ist vielleicht der erste Eindruck aus diesen beiden Städten, die ich jetzt in den zwei Tagen erlebe.

    Müller-Ullrich: Sie sagen, vor zwei Jahren wurde die Idee geboren. Verhandelt wurde seit Januar. Was gab es denn da zu verhandeln?

    Lehmann: Wir hatten vor zwei Jahren natürlich gespürt, dass sich zivilgesellschaftlich etwas tut, aber wir haben dieses zarte Pflänzchen nicht so schnell wachsen sehen, wie es dann geworden ist, und wir wollten, als dieses passierte, wirklich als Goethe-Institut sehr früh dabei sein, weil das die große Chance ist, einfach Beziehungen aufzubauen, bevor sich das alles wieder in eine Richtung bewegt hat, die man partnerschaftlich gar nicht mehr beeinflussen kann.
    Zu verhandeln gab es zwei Dinge: zum einen das Kulturabkommen. Das ist ein großer Schritt vorwärts zwischen Myanmar und der Bundesrepublik Deutschland, dass das Kulturabkommen unterzeichnet wird, was für uns wiederum als Goethe-Institut die Grundlage ist, arbeitsfähig zu sein, und zwar über alle Sparten, über Kultur, Sprache und Information Deutschlands, und auch entsprechende Liegenschaften zu suchen, um dort das Goethe-Institut einzurichten.

    Müller-Ullrich: Ich stelle mir vor, dass das gerade mit den Liegenschaften nicht so einfach ist. Sind Sie da eigentlich vorgeprescht als Goethe-Institut, oder haben Sie das mit anderen europäischen ähnlichen Institutionen abgestimmt? Es war ja mal die Rede davon, dass man so was tun wollte.

    Lehmann: Na ja, Herr Müller-Ullrich, das war ja insofern etwas schwierig, weil wir waren 1962 bis 1965 schon mal in Birma und dann ist wegen der Sanktionen das Haus geschlossen worden, während die Franzosen und die Engländer im Land geblieben sind. Wir fangen also jetzt wieder neu an. Wir werden mit Frankreich und mit England zusammenarbeiten, also British Council und Institut Francais. Das wird schon eine europäische Komponente werden. Wir haben die Zeit jetzt in den letzten zwei Jahren, seit wir die Idee hatten, hier herzugehen, überbrückt, indem wir ohne feste Strukturen schon freie Einrichtungen unterstützt haben: eine Musikschule, eine Filmschule, bei der die Filmemacher inzwischen wirklich eine Professionalität erreicht haben, auf der wir jetzt aufbauen können. Wir werden so verfahren, dass wir bis November eine Zwischenunterkunft haben werden, um einfach arbeitsfähig zu sein. Wir werden im August schon anfangen mit Deutschkursen und im März 2014 wollen wir dann richtig festlich einweihen. Auf dem Weg zum festlichen Einweihen sind wir jetzt.

    Müller-Ullrich: Deutschkurse, Kulturabkommen – haben Sie ein Gefühl dafür, wie interessant die Deutschen überhaupt für die (Birmesen darf man nicht mehr sagen) Myanmarer sind?

    Lehmann: Wir haben hier erstaunlicherweise – das ist das, was ich täglich merke – einen hohen Sympathiefaktor. Wir sind eben nicht die frühere Kolonialmacht, wir sind nicht die Briten, wir sind auch nicht die Besatzer wie die Japaner. Das heißt, wir haben ein neutrales Verhältnis zu diesem Land, und, das wird offensichtlich gewürdigt. Zum anderen haben wir ja auch eine Art zu arbeiten, die nicht unbedingt nur den Kulturexport will, sondern die eigentlich sehr viel mehr will, dass die kulturelle Infrastruktur für die Talente, die es in Birma (Myanmar) gibt, auch zur Geltung kommen und wir mit ihnen auch gemeinsame Projekte machen. Das ist, glaube ich, etwas, was die Künstler und die Kulturakteure hier in Myanmar außerordentlich schätzen.

    Müller-Ullrich: Sie haben eingangs Rangun ja als Boom Town geschildert. Rechtsstaat ist ja wohl da, Demokratie auch. Wie steht es mit dem Wohlstand?

    Lehmann: Es ist immer noch ein Staat, der sehr stark kontrolliert und der sehr hierarchisch aufgebaut ist und denkt. So schnell geht das mit den demokratischen Möglichkeiten auch nicht. Da ist, glaube ich, ein durchaus langer Weg. Wir erleben das ja, wenn Regime lockern, dass dann erst mal auch die verschiedenen Gruppen, Ethnien, Regionen ihre Möglichkeiten suchen. Das ist aber genau der Grund, warum wir hier hergehen, weil wir glauben, dass wir im zivilgesellschaftlichen Bereich – und da gehört die Kultur als ein Gestaltungsmittel besonders dazu -, dass wir da in Myanmar wirklich viel erreichen können, insbesondere weil wir die Akteure jetzt schon ganz gut kennen und sie uns und damit ein Grundvertrauen da ist, und das ist, glaube ich, für die kulturelle Arbeit ganz wichtig.

    Müller-Ullrich: Vielen Dank! – Sind Sie eigentlich mit Aung San Suu Kyi zusammengetroffen?

    Lehmann: Ich habe das jetzt akustisch nicht verstanden.

    Müller-Ullrich: Sind Sie mit der berühmten Oppositionsführerin zusammengetroffen?

    Lehmann: Noch nicht, aber wir haben morgen früh mit drei Ministerien Gespräche hier in der Hauptstadt und am Nachmittag sind wir mit der Oppositionsführerin zusammen.

    Müller-Ullrich: Vielen Dank, Klaus-Dieter Lehmann, Präsident desGoethe-Instituts , am Telefon in Myanmar.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.