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Lehrer-Streik
Die Lokführergewerkschaft in der Bildung?

Eigentlich schien der Tarifstreit im öffentlichen Dienst für beendet. Nur die Lehrer-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) war immer noch unzufrieden und kämpft jetzt alleine weiter. Hauptkritikpunkt ist der fehlende einheitliche Tarifvertrag. "Die Länder entscheiden sehr, sehr unterschiedlich", sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe im DLF.

Marlis Tepe im Gespräch mit Manfred Götzke | 01.04.2015
    Warnstreik der Lehrer an der Aziz-Nesin-Grundschule in Berlin-Neukölln
    Plakate mit der Aufschrift "Heute Warnstreik!" hängen an der Aziz-Nesin-Grundschule in Berlin-Neukölln. (dpa / picture alliance / Felix Zahn)
    Manfred Götzke: Für die Schüler in der einen oder anderen Stadt könnte es nach den Osterferien eine kleine Zugabe geben, ein paar freie Tage on top. Denn Ende April könnten mal wieder die Lehrer streiken! Am Wochenende haben sich die Landesregierungen mit dem Deutschen Beamtenbund, dem VBE und sechs von fünf anderen Lehrergewerkschaften zwar auf einen Tarif geeinigt, aber eine Gewerkschaft hat nicht mitgezogen. Die GEW lehnt die Einigung ab, denn sie konnte ihre Forderung – gleiche Bezahlung von verbeamteten und angestellten Lehrern – nicht durchsetzen. Die Länder haben da lediglich 30 Euro mehr für die Angestellten angeboten. Jetzt kämpft die GEW also alleine weiter. Das kennen wir doch irgendwoher, oder? Genau, vom Lokführer-Streik! Marlis Tepe ist Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Frau Tepe, werden Sie zur Lokführer-Gewerkschaft, zur GdL in der Bildungslandschaft?
    Marlis Tepe: Nein, wir sind ja eine Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund und wir ... Nein, das werden wir nicht.
    Götzke: Der Verband Bildung und Erziehung hat sich ja eben am Wochenende geeinigt. Was würden Sie sagen, ist der VBE unsolidarisch mit den angestellten Kollegen?
    Tepe: Ich will nicht bewerten, was die anderen tun, ich kann nur sagen, dass wir in dieser Einigung keine Chance gesehen haben für den Einstieg in die Paralleltabelle. Das war ja unser Wunsch oder unser Ziel, dass wir die großen Abstände zwischen der Besoldung der beamteten Lehrkräfte und dem Entgelt der angestellten Lehrkräfte in die Nähe rücken, im Brutto. Und das ist nicht geschehen und deswegen haben wir nicht zugestimmt.
    Götzke: Warum haben Sie keine Chance gesehen, auch bei weiteren Verhandlungen dort eine Einigung zu erzielen?
    Tepe: Weil wir ja schon zwei Runden gemacht haben. Und wir hätten einen Einstieg nur akzeptiert, wenn es einen festgelegten Zeitraum gegeben hätte. Der Abstand zwischen dem, was wir wollen, nämlich dass die KollegInnen zum Beispiel, die jetzt A 12 als Beamte besoldet werden und in E 11 als Entgelt eingruppiert werden, also dass die nach E 12 gehen, das ist so ein Abstand von ungefähr 300 Euro. Und wenn man jetzt mit 30 Euro einsteigt, würde das ja bedeuten, dass es vielleicht zehn Jahre dauern würde, bis man da Schritt für Schritt vorankommt. Das erscheint uns doch als zu weit. Wir hätten einen gestuften Einstieg akzeptiert, wenn er sehr fixiert gewesen wäre, also in spätestens zwei Jahren erledigt oder so etwas.
    "Länder entscheiden zu sehr nach Kassenlage"
    Götzke: Ihr Ziel ist ja gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Warum tun sich die Länder dort so schwer? Ist es einfach zu teuer und unrealistisch, dass dieses Ziel irgendwann erreicht wird?
    Tepe: Es ist natürlich teuer, das ist richtig, das haben wir ja auch gewusst, ja. Die Länder entscheiden immer nach der augenblicklichen Situation. Zum Beispiel hat ja Mecklenburg-Vorpommern gerade entschieden, dass sie die Lehrkräfte zukünftig als Beamte einstellen und in einer höheren Einstufung, um Menschen nach Mecklenburg-Vorpommern zu holen. Da ist dann plötzlich das Geld da. Also, ich glaube, die Länder entscheiden sehr, sehr unterschiedlich, gerade nach ihrer Kassenlage.
    Götzke: Selbst wenn sie sich irgendwann durchsetzen können und angestellte Lehrer genauso viel verdienen würden wie die verbeamteten, hätten die Angestellten ja immer noch einen schlechteren, einen unsichereren Status. Ist das Lehrerbeamtentum heute überhaupt noch zeitgemäß?
    Tepe: Die Länder agieren da ja unterschiedlich, das habe ich eben schon gesagt. Es gibt ja nur ein Land, das alle KollegInnen im Angestelltenverhältnis hat, und ein Land wie Berlin, das jetzt die neuen Lehrkräfte als Angestellte einstellt. Ich glaube, dass beides möglich ist. Wir als Gewerkschaft würden es vernünftig finden, ein einheitliches Dienstrecht herzustellen, das muss man dann sehen, ob das irgendwann verhandelbar ist.
    Götzke: Was hieße das, einheitliches Dienstrecht? Entweder nur noch verbeamtete oder nur noch Angestellte, und was würden Sie sich da wünschen?
    Tepe: Wir würden uns wünschen, dass Lehrkräfte gleich gut bezahlt werden, das ist auf Dauer das Ziel, gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Und welche Formen man dann findet, darüber muss man dann verhandeln. Und dass Lehrkräfte ein sicheres Arbeitsverhältnis brauchen, um eine gewisse Unabhängigkeit auch vom Staat zu haben, das ist natürlich auch richtig.
    Neue Streiks drohen
    Götzke: Wie schwierig ist es, dass die Lehrerschaft jetzt gespalten ist, also dass Sie ausgestiegen sind aus den Verhandlungen, der dbb eine Einigung getroffen hat?
    Tepe: Ja, das ist für uns eine neue Situation. Wir wissen noch nicht, wie die einzelnen Länder reagieren, ob sie den Tarifvertrag übertragen wollen oder wie sie mit der unterschiedlichen Abschlusssituation umgehen. Wir werden mit den einzelnen Landesregierungen in die Gespräche gehen und vor allen Dingen uns selber beraten und mit der neuen Situation umgehen lernen. Wir haben da noch keine endgültige Lösung.
    Götzke: Wird es Streiks geben nach den Osterferien?
    Tepe: Auch das werden wir gründlich beraten. Wir haben Ende April eine Sitzung mit dem geschäftsführenden Bundesvorstand und allen Landesvorsitzenden, da werden wir beraten, wie es weitergeht und wie wir uns nun aufstellen.
    Götzke: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist aus den Tarifverhandlungen mit den Ländern erst mal ausgestiegen, bald könnten die Lehrer also wieder streiken, sagt Marlis Tepe, die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.