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Lehrerausbildung: Realität und Praxis klaffen weit auseinander

Gelingt es den Universitäten, künftigen Lehrern genau die Kenntnisse zu vermitteln, die sie später in der Schulklasse tatsächlich brauchen – und was brauchen sie überhaupt? – Entscheidende Fragen für die Lehrerausbildung. Praktiker und Theoretiker suchten in der Berliner Humboldt-Universität gestern nach Antworten.

Von Jacqueline Boysen |
    Und das sei auch bitter nötig, so Alexander Hübner, der Grundschulpädagogik mit dem Schwerpunkt Biologie studiert.
    " Es hapert doch sehr an Realität in der Universität. Realität und Praxis und Utopie ist dann doch noch etwas anderes, jedenfalls aus meiner Sicht."

    Die reformierte Ausbildung der Lehrer von morgen muss die pädagogischen Grundlagen besser mit der Schulpraxis verknüpfen – darin zumindest waren sich die anwesenden Erziehungswissenschaftler der drei großen Hochschulen sowie der Universität der Künste mit Studenten, Schulleitern und Vertretern der Senatsverwaltung einig.
    Der Erziehungswissenschaftler Lutz-Helmut Schön, an der Humboldt-Universität verantwortlich für die Kooperationen mit den Schulen, benennt Leitlinien für eine Partnerschaft, die sich im Idealfall nicht auf Unis und Schule beschränkt, sondern auf die gesamte Gesellschaft zurückwirkt

    " Wir haben sie damals Genannt: Die Universität kommt in die Schule, die Universität öffnet sich der Schule und die Universität lernt von der Schule die Praxis, möglichst früh, früher als es die Praktika vorsehen, informelle Kontrakte für unsere Lehramtskandidaten."

    Schön wärs, so die Schulleiter: Praktika der Berufsneulinge seien erwünscht, aber Kooperationen sollten gegenseitigen Nutzen bringen, so Werner Munk, Leiter der Reinhardswaldgrundschule in Berlin-Kreuzberg.

    "Wir könnten weiterkommen, wenn Zeit- und Geldbudgets sich nicht abschotten müssten. Alle sind arm, Schule, Lehrerbildung, Universität, und es wird nichts in die Hand genommen, es läuft alles auf einer Goodwill-Basis."

    Dennoch haben die Unis gute Erfahrungen mit Schulpraktika gesammelt, insbesondere, wenn einzelne Fakultäten mit ausgewählten Partnerschulen einen regelmäßigen Austausch pflegen, so die Vize-Präsidentin der TU-Berlin, Gabriele Wendorf. Sie beklagt, dass die Neuorganisation des Studiums gerade den Bachelor-Kandidaten wenig Freiraum gewährt für Ausflüge in die Klassenzimmer:
    " Die engste Zusammenarbeit, die wir haben bei der Lehrerbildung haben, ergibt sich nach dem Eintritt in die Masterphase, denn hier wird im Rahmen erweiterter fachdidaktischer und erziehungswissenschaftlicher Studienanteile auch der forschende Blick auf die Schule und den Unterricht gerichtet."

    Dass die Bachelor- und Masterstudenten, aber auch ihre Professoren allzu sehr auf Erfahrungen im Gymnasium fixiert seien, moniert der Berliner Landesschulrat Hans-Jürgen Pokall:

    " Ich möchte Sie herzlich bitten, sich wirklich allen Berliner Schulen zu öffnen!"

    Die Universitäten müssten sich um exzellenten Lehrernachwuchs stärker bemühen und nicht allein die Auslese per numerus clausus betreiben. Die FU beispielsweise bereitet Abiturienten gezielt auf das vor, was sie im Studium, aber auch vor den Schulkassen erwartet. Das Studium selbst aber, so der angehende Grundschullehrer Alexander Hübner müsse noch viel näher an die Praxis heranrücken

    "Ich bin skeptisch, dass all die schönen Ideen wirklich in die Lehrerausbildung fließen, weil kein Geld, keine Zeit und kein Personal dafür da ist und die Angst vor der Schule ist nicht genommen und auch die zwölf Wochen Praktikum, die wir in unseren drei, vier Jahren genießen dürfen, sind zu wenig, um die Angst vor der Schule zu nehmen und das arbeiten mit Schülern zu erlernen. "