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Lehrerberuf
Männermangel an Deutschlands Grundschulen

Immer weniger Männer wollen in den Lehrerberuf. Das gilt für alle Schulformen - aber besonders für Grundschulen. Mit besseren Karrierechancen und mehr Gehalt wollen die Bildungsministerien den Beruf des Grundschullehrers wieder attraktiver machen.

Von Kai Rüsberg | 02.01.2017
    Ein Schüler meldet sich einer Schule in Stuttgart während des Unterrichts.
    An vielen Grundschulen gibt es kaum noch männliche Lehrer. (dpa/ picture alliance / Inga Kjer)
    Ausgelassene Stimmung auf dem Schulhof der Grundschule. Kevin gefällt es hier.
    "Gut, hat man viel Spaß. Lehrer sind gut. Kunst, Deutsch, Mathe, so vieles, Sport, Schwimmen."
    So vieles gibt es hier, meint der Junge, nur eines nicht: männliches Lehrpersonal. Es gibt bereits einige Orte in Nordrhein-Westfalen, in denen ausschließlich Frauen in Grundschulen unterrichten. Zum Beispiel in Waltrop im nördlichen Ruhrgebiet. Dort gab es vor zehn Jahren noch zehn Lehrer an den Grundschulen, heute keinen mehr. In Bochum gibt es immerhin noch neun Prozent Männer. An der städtischen Gemeinschaftsgrundschule Liborius muss Schulleiterin Babara Kleffken schon weit zurückdenken:
    "Da bin ich gerade gekommen, da gab es einen Mann hier. Ist schon ne Weile her."
    Im Lehrerzimmer gibt es nicht einen Mann. Nicht einmal bei den Referendaren oder Sonder¬pädagogen. Aber es gibt doch noch einen männlichen Pädagogen an der Schule, meint Kleffken.
    "Einen Mann haben wir, der in der Betreuung tätig ist im Nachmittagsbereich."
    Vor 50 Jahren war in NRW noch fast jeder dritte Lehrer männlich. Seitdem sinkt der Anteil jährlich weiter, auf heute knapp neun Prozent. Im Ruhrgebiet ist der Anteil zumeist noch deutlich geringer. Schon bei den Bewerbungen gebe es nur selten Männer, sagt Schulleiterin Kleffken.
    Bessere Bezahlung könnte mehr Männer an die Grundschulen locken
    "Wir hatten Bewerber auf die Konrektorenstelle, wo wir gerne einen Mann hätten. Weil es für die Jungs wichtig ist, dass sie mit männlichen Partnern zusammen sind und nicht nur immer Frauen. Die kommen aus dem Kindergarten, da gibt es primär Frauen. Dann in der Grundschule."
    Die These, dass Jungen durch den mangelnden Kontakt mit männlichen Pädagogen benachteiligt würden, konnte bislang aber nicht belegt werden. Eine aktuelle Vergleichsstudie des Wissenschaftszentrums Berlin verneint einen solchen Zusammenhang. Bessere Bezahlung der Grundschullehrer könnte auch wieder mehr Männer an die Grundschulen locken, räumt die Sprecherin des NRW Bildungsministeriums ein. Babara Löcherbach:
    "Noch ist es so, dass Grundschullehrer weniger Geld als Gymnasiallehrer bekommen." Ab dem kommenden Jahr soll die Besoldung an Grundschulen den weiterführenden Schulen angeglichen werden. Zusätzlich erhalten künftig Schulleiter mit Verwaltungsaufgaben mehr Geld.
    "Das ist ein bisschen zu sehr verengt auf die Frage der Besoldung. Das hat auch was mit gesellschaftlicher Anerkennung zu tun. Je größer die Kinder sind, um so mehr findet man männliche Lehrkräfte."
    Reputation von Erziehung aufwerten
    Bessere Aufstiegs- und Karrierechancen könnten das Grundschulsystem auch für Männer interessanter machen. Zudem kann man nach der Schwerpunktsetzung im Studium nur sehr schwierig in andere Schulsysteme wechseln. Wichtig sei es, die Reputation von Erziehung aufzuwerten, meint Löcherbach.
    "Es wird auch anders anerkannt, die Reputation ist eine andere. Das ist eher eine Frage der gesellschaftlichen Anerkennung."
    Das Ministerium sieht daher keinen Handlungsbedarf. Denn nicht das Geschlecht der Lehrer sei entscheidend, sondern die pädagogische Arbeit. Die Öffentlichkeit müsse die Arbeit der Grundschulen stärker wertschätzen, meint auch die Bochumer Grundschullehrerin Gabriele Matern.
    "Ich denke, unser Beruf ist nicht angesehen. Der hat kein Standing in der Öffentlichkeit. Wir haben keine Lobby."