"Guck mal auf die Uhr, wenn sie einen Sekundenzähler hat. Ich bringe dir jetzt Islam in 30 Sekunden bei."
Der wohl bekannteste deutsche Salafist Pierre Vogel erklärt den Islam in 30 Sekunden. 12 Pädagogen schauen sich das Video während einer Fortbildung in Berlin-Neukölln an. Die Botschaft des Videos ist für die Fortbildung von zentraler Bedeutung: Sie veranschaulicht die Schwierigkeit, mit der es Lehrer und Pädagogen zu tun haben. Der Salafismus bietet vermeintlich einfache Antworten und kann damit Jugendliche leicht ködern. Die Teilnehmer der Fortbildung sollen das Phänomen des Salafismus kennenlernen, um darauf reagieren zu können, sagt Götz Nordbruch, der Leiter der Fortbildung.
"Einbindung von Jugendlichen in die Einrichtung, Partizipationsmöglichkeiten aufzuzeigen, Themen wie Gerechtigkeit, Ungerechtigkeit, Kriege als Thema im Unterricht aufzugreifen. Das sind Themen, die schon immer relevant waren, die Jugendliche bewegen. Das Phänomen des Salafismus ist letztlich nur noch ein Anlass, sich dessen bewusst zu werden, wie wichtig es ist, Jugendliche einzubinden, ihnen Gemeinschaftsangebote zu machen, Identitätsmöglichkeiten zu geben, ihnen eine Orientierung zu verschaffen."
"Schülerinnen kleiden sich auf einmal anders, kommen nicht mehr zur Schule"
Die Fortbildung ist ein auf vier Jahre angelegtes Projekt des Vereins Ufuq. Die Teilnehmer sind Lehrer, Erzieher und Pädagogen aus Jugendeinrichtungen. Eine Lehrerin, die ihren Namen nicht nennen möchte, befürchtet salafistische Einflüsse auf ihre Schüler, weil sich in der Nähe ihrer Schule eine bekannte islamistische Moschee befindet.
"Es gibt einfach dieses Problem in Neukölln, dass die Radikalisierungen vorhanden sind, dass Schülerinnen angesprochen werden, dass Schülerinnen sich auf einmal anders kleiden, nicht mehr zur Schule kommen und verschwinden. Dadurch, dass ich an einer kleinen Schule arbeite und dort ein sehr persönlicher Umgang mit Schülerinnen ist, ist es bei uns noch nicht vorgekommen, dass Schüler sich so stark radikalisieren, aber die Thematik ist natürlich und muss auch immer mit gedacht werden."
Sebastian Troeger arbeitet seit 25 Jahren in Neukölln als Erzieher. In dem Jugendclub UFO seien die Jugendlichen sehr empfänglich für islamistische Ideen, befürchtet er.
Methoden der Islamisten als Rekrutierungsversuche entlarven
"Erstens haben sie Schwierigkeiten in der Schule, zweitens sind sie sehr identitätslos, kulturlos, wissen nicht, wo sie hingehören. Suchen. Sie suchen konkret nach irgendwelchen Sachen. Und sie leben zu Hause ein ganz anderes Leben als auf der Straße. Und deswegen schätze ich sie sehr gefährdet ein."
Und hier setzt die Fortbildung an. Götz Nordbruch zeigt anhand von Videos und Internetseiten, wie Salafisten versuchen, diesen Jugendlichen in sozialen Netzwerken leicht verständliche Orientierung zu geben. Die Pädagogen lernen die Methoden der Islamisten kennen, diskutieren gemeinsam, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln. In Diskussionen mit Jugendlichen sollen die Pädagogen die vermeintlich einfachen Antworten als Rekrutierungsversuche entlarven.
"Ein großes Problem ist, dass viele Jugendliche keine Möglichkeit haben, diese Fragen in ihrem Elternhaus zu diskutieren oder mit dem Imam in der Moschee um die Ecke. D.h. sie gehen ins Internet und landen dort sehr schnell bei salafistischen Angeboten, eben bei Pierre Vogel. Umso wichtiger ist es, dort andere Perspektiven sichtbar zu machen. Das ist eine Aufgabe für Moscheen, für islamische Vereine, aber es ist letztlich auch eine Aufgabe für Schule und Jugendarbeit."
Götz Nordbruch gibt den Lehrern, Erziehern und Sozialarbeitern Hilfestellung im Umgang mit gefährdeten Jugendlichen. Ihnen solle unbedingt vermittelt werden, dass sie in Deutschland dazugehören.. Aber solche Projekte allein seien keine Dauerlösung. Prävention und Deradikalisierung müssten Teil der Lehrer- und Erzieherausbildung werden.