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"Lehrermobilität deutlich gestärkt"

Schon in den letzten Jahren hätte man "immer mehr Einheitlichkeit im deutschen Schulsystem" hergestellt, meint Stephan Dorgerloh, Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Nun einigten sich die Landeskultusminister darauf, Lehrerexamina weitgehend gegenseitig anzuerkennen.

Stephan Dorgerloh im Gespräch mit Manfred Götzke | 08.03.2013
    Schon in den letzten Jahren hätte man "immer mehr Einheitlichkeit im deutschen Schulsystem" hergestellt, meint Stephan Dorgerloh, Kultusminister in Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Nun einigten sich die Landeskultusminister darauf, Lehrerexamina weitgehend gegenseitig anzuerkennen, um den Wechsel zwischen Bundesländern zu erleichtern.

    Manfred Götzke: Seit Jahre klagen Lehrer darüber, dass sie kaum das Bundesland wechseln können, weil jedes Land seine eigenen Kriterien hat bei der Einstellung von Lehrern. Die Ausbildungsgänge sind unterschiedlich und auch die Dauer der Vorbereitungszeit des Referendariats also.

    Seit gestern Abend ist Bewegung in die Sache gekommen: Die Kultusminister einigten sich darauf, die Lehrerexamina gegenseitig anzuerkennen – weitgehend jedenfalls. Da darf man schon mal gratulieren, und zwar auch Stephan Dorgerloh, Kultusminister in Sachsen-Anhalt und derzeit Vorsitzender der Kultusministerkonferenz. Guten Tag, Herr Dorgerloh!

    Stephan Dorgerloh: Guten Tag!

    Götzke: Frech-ironisch könnte man fragen: Wie konnte das denn passieren, dass sich die Kultusminister geeinigt haben? Ich frage mal andersrum: Wieso war es eigentlich so schwierig? EU-weit ist Freizügigkeit in Berufsdingen garantiert, aber nicht zwischen Brandenburg und Baden-Württemberg.

    Dorgerloh: Wir haben eine ganze Reihe von Entscheidungen in den letzten Monaten und Jahren jetzt schon herbeigeführt, wo wir immer mehr Einheitlichkeit im deutschen Schulsystem herstellen. Ich erinnere nur an die Bildungsstandards und viele andere Dinge, Ländervergleiche, wo wir also jetzt da auf einem guten Weg sind, und nun kommen natürlich auch die Lehrer dazu, das heißt, die erste und die zweite Ausbildungsphase, also einmal nach dem universitären Teil und dann im zweiten Teil im Referendariat, und dann natürlich die Bewerbungsmöglichkeit.

    Hier haben wir uns schon 2005 in den sogenannten Quedlinburger Beschlüssen auf eine großmögliche Anerkennung verständigt, aber es ist ja auch Bewegung seitdem drin gewesen. Wir haben den Bologna-Prozess, es gibt Umstellungen in einigen Ländern auf Bachelor und Masterstudiengänge. Die Ausbildungszeit im zweiten Teil, also im Referendariat, hat sich auch noch mal verändert, die reicht von 12 bis 24 Monate je nach Land. Das haben wir alles wechselseitig jetzt anerkannt, und dann gibt es natürlich, wie das dann so ist, auch noch Übergangsfristen, jetzt aber im Großen und Ganzen ist die Lehrermobilität deutlich gestärkt nach dieser KMK-Sitzung.

    Götzke: Ja, in der Praxis war es ja doch immer sehr schwer, wenn jemand zum Beispiel aus Niedersachsen nach Bayern wechseln wollte oder von Brandenburg aus nach Baden-Württemberg, da tatsächlich auch eine Anstellung zu bekommen, was – wie Sie richtig gesagt haben, gerade auch – mit den unterschiedlichen Ausbildungsgängen zu tun hat.

    Also, pädagogische Hochschulen gibt es in Baden-Württemberg zum Beispiel noch, wo für Grundschulen und Hauptschulen Lehrer ausgebildet werden, das gibt es in anderen Bundesländern nicht mehr. Heißt das denn, dass es auch einige Schritte geben wird vielleicht in Zukunft, die Ausbildung zu vereinheitlichen?

    Dorgerloh: Dafür haben wir uns jetzt Zeit gegeben bis zur Oktober-Kultusministerkonferenz, da gibt es dann einen Prüfauftrag an die Staatssekretäre, hier jetzt auch genau diese Ausbildungsinhalte anzuschauen, um zu gucken, wie können wir da Hindernisse beseitigen, um die Mobilität noch zu erhöhen. Generell muss man aber natürlich auch hier noch mal daran erinnern, dass die Lehrermobilität natürlich auch immer davon abhängt, ob Stellen in dem jeweiligen Bundesland zur Verfügung stehen.

    Also wenn jemand nicht wechseln kann, heißt das nicht automatisch, das liegt daran, dass die Ausbildungsinhalte nicht anerkannt werden oder dass vielleicht das zweite Examen nicht anerkannt wird, das ist in wenigen Fällen der Fall, sondern dass dann wirklich auch die richtige Stelle zur Verfügung steht, das heißt, auch mit der richtigen Fächerkombination, wenn ich also Bio und Sport habe, da muss natürlich auch eine Bio-und-Sport-Stelle da zur Verfügung stehen mit den ganzen Rahmenbedingungen, die in den Ländern dann auch gelten im Bezug auf Beamten oder Angestelltenverhältnisse.

    Götzke: Ja, da sind die Anforderungen der einzelnen Länder ja wirklich unterschiedlich, und deswegen hat Bayern auch gesagt, dass es so ein paar Einschränkungen sich wünscht, was die gegenseitige Anerkennung angeht. Was sind das für Einschränkungen, und warum hält sie der bayrische Kultusminister Spänle für notwendig?

    Dorgerloh: Man muss einfach sehen, dass die bayrische Lehrerausbildung, insbesondere die zweite Phase, einfach eine ganz andere Tradition und eine ganz andere Organisationsstruktur hat als in weiten Teilen der Republik. Und das braucht natürlich Zeit, sich da auch dem Konsens, den wir jetzt in den anderen Ländern haben, anzugleichen, das muss man auch fairerweise zugestehen. Denn hier wollen wir zusammen unterwegs sein, und hier wollen wir auch noch mal schauen, was können wir von den unterschiedlich guten Ausbildungssystemen wechselseitig lernen, dann das Beste behalten, und den Rest gleichen wir dann an.

    Götzke: Ein bisschen Druck hat ja auch der Bund gemacht, der hat gesagt, die Mobilität ist sozusagen die Voraussetzung dafür, dass wir uns an der Finanzierung der verbesserten Lehrerausbildung beteiligen. Es ist aber trotzdem ein Entschluss, der jetzt von Herzen kommt, bei den Kultusministern der Länder?

    Dorgerloh: Ja, wir waren unabhängig schon auf diesem Weg, der Bund hat sich dann erfreulicherweise auch dazu gestellt und hat gesagt, wenn ihr diesen Weg weiter erfolgreich geht, dann wollen wir uns da auch finanziell daran beteiligen. Wir haben gestern positive Signale von den Vertretern des Bundes gehört, eine finale Entscheidung ist noch nicht gefallen, aber vom Bund aus sind jetzt keine weiteren Forderungen aufgemacht worden, die eventuell noch zu erfüllen wären, von daher glauben wir, dass das jetzt dann in der gemeinsamen Sitzung der Hochschulminister in der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz im April auch geklärt werden kann, und dann sich der Bund auch an der notwendigen Exzellenzinitiative Lehrerbildung beteiligt.

    Götzke: Um es jetzt noch mal so ganz praktisch zu machen, ein Lehrer, der in Hamburg zum Beispiel Physik und Englisch unterrichtet, um das jetzt mal ganz hypothetisch irgendein Fach herauszugreifen, und der möchte nach Bayern wechseln, und in Bayern gibt es eine Stelle Physik und Englisch in einer Stadt, in die zum Beispiel der Lebenspartner des Hamburger Lehrers jetzt ziehen will – keine Hindernisse mehr?

    Dorgerloh: So soll es sein. Man muss natürlich dann immer noch mal gucken, man muss sich dann auch noch im Bewerbungsverfahren, wenn Konkurrenten da sind, durchsetzen, aber prinzipiell und grundsätzlich darf eben der Hamburger sich da genau so bewerben und soll genau so zum Zug kommen, wie die bayrischen oder die brandenburgischen oder andere Kollegen.

    Götzke: Diese Frage der Mobilität hat ja noch eine etwas andere Dimension, denn es wird ja parallel jetzt gerade mit den Gewerkschaften verhandelt um die Eingruppierung der angestellten Lehrer. Nicht alle Lehrer sind ja mehr Beamte, die Länder tun sich verhältnismäßig schwer, Tarifverträge zuzusagen im Augenblick. Sie in Sachsen-Anhalt müssen sich besonders schwer tun, denn bei Ihnen sind nur 1.000 von 32.000 Lehrern Beamte. So ein Tarifvertrag, je nach Eingruppierung, auf die man sich da einigt mit den Gewerkschaften, der wäre unter Umständen ein ziemlicher Schlag in Ihre Kasse in Sachsen-Anhalt.

    Dorgerloh: Deswegen verhandelt auch der Finanzminister diese Fragen und ist da für die Tarifpartner der Ansprechpartner, und wir Kultusminister halten uns in dem Augenblick zurück, gerade vor allen Dingen, wenn es jetzt in der heißen Phase der Verhandlung ist. Man hat sich ja zusammengesetzt und verhandelt gerade intensiv mit den Vertretern des öffentlichen Dienstes, wozu eben auch die Lehrergewerkschaft gehört, und deswegen warten wir ab, was die Finanzminister da auf den Weg bringen, zusammen mit den Tarifpartnern.

    Götzke: Wie ruhig warten Sie denn als Kultusminister ab? Haben Sie denn Sorge, dass die vielen bei Ihnen angestellten und damit ja auch schlechter bezahlten Lehrer in Sachsen-Anhalt dann vielleicht in andere Länder wechseln, wo sie verbeamtet werden könnten?

    Dorgerloh: Das ist jetzt eine grundsätzliche Debatte, ob man Lehrer verbeamten soll und wenn ja, warum und zu welchem Zweck. Wir haben ja insbesondere aufgrund des demografischen Wandels auch Vor- und Nachteile in dieser Diskussion. Der Vorteil ist natürlich, ich kann auch einen verbeamteten Lehrer außerhalb von Großstädten einsetzen in der Fläche, da wo wir ihn brauchen, auch in dünn besiedelten Regionen, das ist natürlich ein großer Vorteil.

    Aber man muss jetzt mal insgesamt die Verhandlungen abwarten und dann wirklich auch schauen, was können sich die einzelnen Länder auch in diesen Punkten leisten, denn wir haben jetzt eine große Bandbreite von Geberländern und Nehmerländern, und da sind eben die Rahmenbedingungen einfach verschieden, und das muss man auch aushalten.

    Götzke: Stephan Dorgerloh, Kultusminister in Sachsen-Anhalt und Vorsitzender der Kultusministerkonferenz, zur Einigung gestern zum Thema Lehrermobilität, die sich in Zukunft zwischen den Bundesländern frei bewegen können. Danke schön!

    Dorgerloh: Herzlichen Dank!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.